Als die ersten Teilnehmer aus zwölf Ländern in Schatzlar eintrafen, wussten weder Ilyas Zivana, der Camp-Leiter, noch Tomi aus Kirgisistan, die bereits zum zweiten Mal dabei war, welche besonderen Momente auf sie zukommen würden. Was als organisatorische Herausforderung und sprachliches Abenteuer begann, wurde zu einer prägenden Erfahrung für alle Beteiligten.

Ilyas erinnert sich an die monatelange Vorbereitung: „Als alle 70 Jugendlichen gut angekommen waren und es losgehen konnte, war ich schon etwas erleichtert.“ Diese Erleichterung wandelte sich schnell in Begeisterung, als er beobachtete, wie die Gruppe trotz kultureller Unterschiede innerhalb kürzester Zeit zusammenfand. „Es war ein gelungenes Fest, bei dem die Teilnehmer einiges über sich und andere lernen konnten und über die Ländergrenzen hinweg viele Freundschaften entstanden sind“, beschreibt er den besonderen Geist des Camps.

Für Tomi aus Kirgisistan fühlte sich die Ankunft wie ein Heimkommen an. „Dieses Jahr war besonders, weil ich wusste: Hier kann ich nicht nur mein Deutsch verbessern, sondern echte Geschichten erzählen lernen“, berichtet sie. Die malerische Kulisse der tschechischen Berge wurde zum perfekten Studio für ihre journalistischen Versuche. Unter der Anleitung der erfahrenen Journalistin Lucie Römer entdeckte sie, wie man auch mit einfachen Mitteln wie dem Handy professionelle Videos macht. „Lucie zeigte uns, dass Ehrlichkeit wichtiger ist als technische Perfektion – und dass meine kulturelle Brücke zwischen Kirgisistan und Deutschland dabei ein echter Vorteil ist.“

Besonders berührt hat beide das Projekt in Schatzlar, bei dem ein stimmungsvolles Video entstand, das die besondere Atmosphäre des internationalen Lagers einfing.

„Das Video nimmt uns mit auf eine kleine Zeitreise und lässt die Wärme und den Zusammenhalt des Lagers spüren“, erzählt Tomi.

Der Camp-Alltag wurde zum praktischen Demokratieunterricht. In täglichen „Camp-Ratssitzungen“ zählte jede Stimme gleich, Konflikte wurden durch offene Diskussionen gelöst – ganz ohne das Eingreifen der Erwachsenen. Selbst die Workshop-Themen bestimmten die Teilnehmer durch entsprechende Abstimmungen. „Plötzlich verstand ich, dass Demokratie im Kleinen beginnt – beim Zuhören, beim Respektieren anderer Meinungen“, reflektiert Tomi.

Die Abende entwickelten sich zu Höhepunkten des kulturellen Austauschs. Während die Georgier traditionelle Tänze vorführten, entstanden lebhafte Diskussionen über Essgewohnheiten – vom asiatischen Tee bis zum europäischen Eiswasser. Lagerfeuer-Musikabende klangen oft bis in die späte Nacht hinein.

Für Tomi wurde ein scheinbar misslungenes Interview zum Schlüsselerlebnis: „Als ich meine vorbereiteten Fragen vergaß, entstand plötzlich ein echtes Gespräch. Diese Unperfektheit war genau das, was guten Journalismus ausmacht.“ Ilyas beobachtete solche Entwicklungen mit Stolz: „Die Jugendlichen bewiesen, dass Unterschiede keine Barrieren sind, sondern Bereicherungen.“

Als das Camp nach elf intensiven Tagen endete, blieb bei allen das Gefühl, ein Teil von etwas Besonderem gewesen zu sein. „Die Organisation kostete zwar einige Nerven“, gesteht Ilyas, „aber wenn man sieht, wie glücklich die Teilnehmer sind und dass keiner so recht nach Hause will, weiß man, dass es die Mühe wert war.“ Tomi fasst ihre Erfahrung zusammen: „Ich nehme nicht nur besseres Deutsch mit nach Hause, sondern das Verständnis, dass echte Verbindung entsteht, wenn man sich traut, authentisch zu sein.“

Was als organisatorische Herausforderung begann, wurde zu einem lebendigen Beispiel dafür, wie junge Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen durch gemeinsame Erlebnisse und offenen Austausch nicht nur Demokratie verstehen, sondern sie auch mit Leben füllen. Die Strahlen der untergehenden Sonne über den tschechischen Bergen während der Abschlussfeier schienen dieses besondere Miteinander zu symbolisieren – ein Versprechen, dass die im Camp geknüpften Verbindungen weit über diese elf Tage hinaus Bestand haben werden.

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