Der Tag der Republik am 25. Oktober ist ein bedeutender Feiertag Kasachstans. Dieses Jahr ist er von besonderen Jubiläen begleitet: 30 Jahre Verfassung, 80 Jahre seit dem Sieg im Großen Vaterländischen Krieg, 70 Jahre Kosmodrom Baikonur, 30 Jahre Versammlung des Volkes Kasachstans sowie die Gedenkjahre bedeutender Persönlichkeiten wie Abai Kunanbaev, Schokan Walichanow und Nurgisa Tlendiyev. Zugleich wächst das internationale Interesse an Kasachstan – nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch historisch und archäologisch.
Zu den bekanntesten kulturellen Symbolen des Landes zählen der „Goldene Mensch“ (Altyn Adam), das Monument „Baiterek“ und der Triumphbogen „Mängilik El“. Die Entdeckung des Goldenen Menschen im Jahr 1970 nahe Almaty war ein Meilenstein. In einem unberührten Kurgan der Nekropole von Issyk fanden Archäologen das 2500 Jahre alte Grab eines jungen Kriegers. Dieses Grab gilt als „Zeitkapsel“, die einen Einblick in Kultur, Glaubenswelt und Selbstverständnis der frühen Steppenvölker ermöglicht.
Die Entdeckung der „Issyk-Schrift“
Besonders bedeutend ist eine kleine silberne Schale mit einer eingeritzten zweizeiligen Inschrift aus 26 Zeichen. Vor dieser Entdeckung ging man davon aus, dass die frühen Stämme der Region keine Schrift hinterlassen hätten. Spätere Funde in Südusbekistan, Tadschikistan und Nordafghanistan bestätigten jedoch, dass diese Schriftform – heute als „Issyk-Schrift“ bezeichnet – weiter verbreitet war, als man zunächst angenommen hatte.
Der Dichter Olzhas Suleimenov war der Erste, der den Begriff „Issyk-Schrift“ prägte und einen Lesungsversuch vorlegte, gestützt auf alttürkische Runenzeichen. Seine Deutung lautete: „Der Sohn des Khans starb mit dreiundzwanzig Jahren. Name und Ruhm des Volkes erloschen.“ Bis heute existieren mehr als zwanzig unterschiedliche Entzifferungsversuche.
Der Archäologe Kemal Akishev betonte, dass allein die Existenz dieser Inschrift von entscheidender Bedeutung sei: Eine Schrift weist hin auf staatliche Strukturen, auf gesellschaftliche Organisation und kulturelle Kontinuität. Sie widerlegt die lang verbreitete Annahme, nomadische Kulturen hätten keine schriftlichen Traditionen besessen.
Viele Wissenschaftler versuchten, die Inschrift zu deuten – aus Kasachstan, Iran, Aserbaidschan, Usbekistan, Deutschland und anderen Ländern. Altai Amanzholov las den Text als Aufforderung an den Fremden, Ehrfurcht zu zeigen: „Fremder, knie nieder! Mögen die Nachkommen Nahrung finden.“ Der ungarische Linguist János Harmatta wiederum sah darin einen Hinweis auf ein rituelles Getränk: „Die Schale enthält Weintraubenwein für ein heiliges Unsterblichkeitsgebet.“ Deutsche Forscher vermuteten Zusammenhänge mit der Kushan-Schrift und frühen iranischsprachigen Saken. Andere wiederum halten die Zeichen für prototürkisch oder sogar für ornamentale Symbole ohne sprachlichen Inhalt.
Bis heute gibt es keine allgemein anerkannte Lesung. Deshalb zieht die Schale im Nationalmuseum Kasachstans so viele Besucher an. Sie ist ein kleines Objekt mit einem außergewöhnlich großen Geheimnis – ein Fragment aus einer Vergangenheit, die noch nicht vollständig verstanden worden ist.
Empfehlung an die junge Generation:
Studiert Sprachen, Archäologie und Geschichte unseres Landes! Nutzt Kurse, Praktika und Austauschprogramme, auch und gerade mit deutschen Institutionen. Vielleicht wird gerade jemand aus eurer Generation jene endgültige Lesung und Deutung finden, die dieses alte Rätsel löst – und damit ein neues Kapitel der kasachischen Kulturgeschichte eröffnet.
























