Das hört man in Russland mehrmals täglich. Was die Russen seit jeher mit aller Selbstverständlichkeit betreiben, versucht der Ansatz „The Secret“, in Deutschland jetzt als Buch erhältlich, zu einer esoterischen Wissenschaft hochzuhandeln. Wobei sich die beiden Begriffe eigentlich gegenseitig ausschließen.
‚,The Secret“ versteht sich als eine Art Handlungsempfehlung, die zum Guten führt. Man soll immerzu Gutes denken, sagt das Buch, dann tritt es auch ein. Man soll nicht zurückhaltend und bescheiden sein, sondern sich das meist Ersehnte frei von der Leber weg herbeiwünschen. Man soll sich ruhig loben und gut fühlen. Steht in dem Buch. Gut. Das tu ich. Ich bin schön. Ich bin reich. Ich bin erfolgreich und begehrenswert. Tja, wie soll ich jetzt nachprüfen, ob sich diese Wünsche schon erfüllt haben? Vielleicht sollte ich mal auf der Straße auf und ab gehen und schauen, ob sich irgendwas verändert hat.
Aber ich habe das Buch ja noch nicht durchgelesen und habe womöglich etwas falsch gemacht. Also. Man soll sich etwas nur ein Mal wünschen, den Wunsch an das Universum richten und dann schleunigst wieder vergessen. Gut, verstanden. Ein paar Seiten weiter heißt es, man soll es sich ständig wünschen, immer wieder daran denken, dann kann es sich besser realisieren. Hier gibt es einen gewissen Widerspruch. Dann wiederum soll man am besten gar nicht in die Zukunft denken, sondern gedanklich schön in der Gegenwart bleiben. Aber Wünsche richten sich doch immer in die Zukunft?!
Aha, man soll so tun, als wäre der Wunschzustand schon eingetreten. Da hat sich zum Beispiel ein Brillenträger wiederholt gesagt: Ich sehe klar. Und schwupps, brauchte er keine Brille mehr. Klingt gut. Das versuche ich auch mal. Ich lege die Brille ab, sehe zunächst fast gar nichts mehr und rede mir gut zu: Ich sehe klar. Ich sehe klar. Ich sehe klar. Es passiert – nichts. Aber vielleicht sind auch 5 Dioptrien zu viel für einen Durchgang, und womöglich habe ich jetzt nur noch 4,9.
Weiter. Man soll sich nicht lustig darüber machen und fest dran glauben. Immer wieder dieselbe Falle: Wenn etwas nicht eintritt, ist man selber schuld, dann hat man nur nicht fest genug daran geglaubt. Gut, ich gebe zu, ich hatte gewisse Zweifel, dass ich mit ein paar Sätzen meine Kurzsichtigkeit verlieren kann. Nehmen wir etwas anderes. Die erfüllte Liebe. Ich wünsche mir den Mann meines Herzens herbei. Kein Prinz erscheint. Ein weiterer Tipp: Man soll sich das Gewünschte bildlich vorstellen. Gut, ich stelle mir meinen Prinzen vor und wie er plötzlich vor mir steht. Steht keiner vor mir. OK, fangen wir kleiner an. Ich stelle mir vor, wie eine Mail oder SMS von ihm erscheint. Auch nichts. Und überhaupt, im Wünschen und Visualisieren war ich schon immer gut, auch ohne Anleitung. Und damals hat sich vieles nicht erfüllt. Dass sich das dadurch ändert, dass ich das Buch in den Händen halte… Hier sind sie wieder, die Zweifel, die zwischen mir und der Erfüllung der Wünsche stehen.
Noch einen Haken entdecke ich. Wenn ich fest daran glaube und mich entspannt zurücklehne, weil sich kraft meiner Wünsche alles von selbst regelt – woher nehme ich dann Adrenalin und Stress, um mich für meine Ziele einzusetzen? Auch meine Freundin Elli findet, dass eine SMS an meinen Prinzen wahrscheinlich doch wirkungsvoller ist, als das Universum anzurufen. Ich denke, ich fahre hier besser mehrgleisig, halte es mit den Russen und sage „Alles wird gut“, stelle mir meinen Liebsten bildlich vor, schicke einen Wunsch ins Universum, verlasse mich zu guter Letzt auf mich selbst und schreibe ihm eine SMS. Wenn das nicht hilft, weiß ich auch nicht weiter.
28/09/07