Almaty liegt in der erdbebengefährdetsten Region Kasachstans. Erdbebensicherheit ist also ein überlebenswichtiges Thema. Wie vorbereitet ist die Stadt? Kann man selbst etwas für seine Sicherheit tun, und wer hilft einem dabei? Die DAZ widmet dem Thema in den folgenden Ausgaben eine Serie.

/Bild: Ulrich Steffen Eck. ‚Die Qual der Wahl wird erleichtert, wenn man auch die erdbebenrelevanten Regeln bei der Wohnungssuche beherzigt.’/

In Almaty ereignete sich 1911 das letzte schwere Erdbeben. Es erreichte eine Stärke von 8,2 laut Richter-Skala. „Wäre Almaty damals so entwickelt gewesen wie heute, die Schäden hätten sich auf hunderte von Millionen Dollar bei zehntausenden Toten belaufen“, hieß es Mitte 2004 in einem Projektbericht. 2003 hatte sich in der Region Schambyl ein Beben der Stärke 5,4 ereignet. Mit dessen Folgen setzt sich das UN-gestützte Gemeinschaftsprojekt „Örtliches Risikomanagement in Erdbebenzonen in Kasachstan“ der kasachischen Regierung mit dem einheimischen und dem amerikanischen Roten Kreuz sowie anderen internationalen Institutionen auseinander. In dem Bericht heißt es, dass sich mit großer Wahrscheinlichkeit in urbanen Räumen Zentralasiens im Laufe der kommenden 20 Jahre ein schweres Erdbeben ereignen wird. Für das Gebiet Almaty wird sogar in den nächsten 10 bis 15 Jahren mit einem oder mehreren heftigen Erdstößen gerechnet. Etwa alle 80 bis 100 Jahre wird die Region von schwereren Erdbeben erschüttert. Wie gut ist Almaty auf ein derartiges Ereignis vorbereitet, und wer ist mit den Vorkehrungen befasst?

Kasachstans seismologisches Institut

Das 1976 gegründete seismologische Institut des Ministeriums für Erziehung und Bildung ist die maßgebliche Institution Kasachstans, wenn es um Forschung zur Erdbebensicherheit geht. Es besteht aus sechs Forschungslabors und einer Abteilung(SMOE), die vorrangig Beobachtungs- und Messdaten liefert.

Das Beobachtungsnetz im Gebiet Almaty ist das dichteste in Kasachstan. Allein im Stadtgebiet gibt es 15 Messpunkte. Diese Konzentration hat zwei Gründe: Erstens ist die Erdbebengefährdung in Almaty besonders hoch, zweitens die wissenschaftliche Infrastruktur gut. In Kooperation mit japanischen Spezialisten wurden von 2000 bis 2003 Messtechnik erneuert und Personal geschult.

Der Direktor des Institutes, Prof. Dr. Tanatkan D. Abakanow, pflegt die 296 Mitarbeiter der SMOE gern als „Arme und Beine“ des Institutes zu bezeichnen. Die von ihnen gelieferten Daten werden vom wissenschaftlichen Personal des Institutes ausgewertet, interpretiert und den jeden Mittwoch herausgegebenen Prognosen zugrunde gelegt. Diese finden sich auf der dreisprachigen Internetseite des Instituts (www.seismology.kz) unter dem Link „Prognosen“. Die gegenwärtige wöchentliche Vorhersage dort stammt allerdings noch vom 20. August, ist also nicht aktuell.

Wie kann ich mich wappnen?

Ebenfalls vom seismologischen Institut entwickelt werden Merkblätter und Empfehlungen zur Vorsorge und zum Verhalten im Erdbebenfall. Erstere richten sich an die Bevölkerung, letztere an die Verantwortlichen in Organisationen und Firmen. In deutscher Sprache können sie als „Tipps zur Erdbebenvorsorge“ beim Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Almaty eingeholt werden. Unter www.almaty.diplo.de und dem Link „Rechts- und Konsularangelegenheiten“ finden sie Internetbenutzer auch als PDF-Dokument.

Um gewappnet zu sein, empfiehlt sich das Schnüren eines Notfallpakets, das eine Passkopie, Geld, warme und regenfeste Kleidung inklusive festem Schuhwerk enthalten sollte. Daneben sind Lebensmittel – am besten Schokolade –, Wasserfilter und Medikamente wichtig. Radio, Taschenlampe, Streichhölzer, Kerzen, aber auch Schreibzeug, Stadtplan, feste Arbeitshandschuhe und ein Bauhelm werden empfohlen.

Ungewöhnliches Verhalten von Tieren kann Vorzeichen eines Erdbebens sein. Wer so etwas oder auch ungewöhnliche Naturerscheinungen beobachtet, sollte nicht davor zurückschrecken, die Telefonnummer Almaty 274 15 14 oder 274 16 01 zu wählen. Hier können dann Mitarbeiter des Katastrophenschutzes und der Zivilverteidigung entsprechend reagieren.

Wie sicher wohne ich?

Im Rahmen öffentlicher Projekte sind ab etwa Mitte der 1970er Jahre bis Ende der 1980er Jahre in Almaty mehrgeschossige Wohnhäuser gebaut worden, die laut Prof. Dr. Abakanow relativ erdbebensicher sind.

Mit dem Einsetzen des privaten Wohnungsbaus Anfang der 1990er Jahre musste im nunmehr diversifizierten Bausektor die Erdbebensicherheit kontrollierbar bleiben. Die Staatliche Architektur- und Baukontrollbehörde (GASK) ist verantwortlich für die Genehmigung von Bauprojekten oder deren nachträgliche Prüfung und folgt dabei den Empfehlungen und Expertisen des Seismologischen Institutes.

Einige Grundregeln kann man bereits bei der Auswahl seiner Wohnung beachten. So sollte das Haus, in dem sie sich befindet, nicht auf Pfählen oder Stützen stehen und die erste Etage massiv und keine Ladenfront mit viel Glas und wenig Beton sein.

Sand als Untergrund verhält sich im Erdbebenfall wie eine Flüssigkeit, daher ist ein fester Untergrund vorzuziehen. Die Außenwände sollten aus Beton sein, Häuser an starken Hanglagen gemieden werden. Detaillierte Tipps hierzu finden sich ebenfalls in den Merkblättern des Instituts.

Die Stadt Almaty will bis 2010 Erdbeben der Stärke 5,5 die Stirn bieten können. Unter der Leitung des seismologischen Instituts soll bis dahin ein entsprechendes Präventionsprogramm abgeschlossen sein. Die Experten gehen davon aus, dass sich die Zahl der Opfer eines Erdbebens entscheidend durch Aufklärung der Bevölkerung und individuelle Vorbereitung verringern lässt. Oder – um es mit den Worten von Almatys federführendem Erdbebenspezialisten Tanatkan Abakanow zu sagen: „Wer Frieden will, der muss auf jeden Krieg vorbereitet sein“.

In der nächsten Ausgabe folgen weitere Informationen zum Thema, unter anderem ein Interview mit dem deutschen Bauingenieur Axel Materne.

Wer sich vergewissern will, wie erdbebensicher seine Unterkunft in Almaty ist, kann sich an folgende Adresse wenden und seine Wohnung oder sein Haus auf mögliche Mängel hin untersuchen lassen:

Kasachisches wissenschaftliches Forschungs-, Projektierungs- und Versuchsinstitut Mynbajew-Str. 53, 050057 Almaty. Tel.: +7 727 277 50 68 und 243 57 36.

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Welche Skalen sagen was?

Der erste weltweit benutzte Maßstab zur vergleichsweisen Erfassung von Erdbebenstärken war die allein auf subjektiven Einschätzungen basierende Mercalli-Skala. Sie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt. Erfasst wurden hör-, sicht-, und fühlbare Auswirkungen von Erdbeben. 1964 wurde sie von Medwedew, Sponheuer und Karnik zur 12stufigen MSK-64-Skala weiter entwickelt. Beben ab etwa der Stärke sechs auf dieser Skala können gefährliche Folgen haben.

Die nach oben offene, 1935 Jahren von Charles Francis Richter zur Messung der Intensität von Erdstößen in Kalifornien entwickelte Richter-Skala, ist die bekannteste unter den Größeneinheiten zur Festlegung von Erdbebenstärken. Sie wurde möglich durch die Einführung seismografischer Messtechnik und misst die Bodenbewegung. Sie ist logarithmisch aufgebaut; die Magnitude eines Bebens der Stärke zwei ist zehnmal so groß wie die eines Bebens der Stärke eins, die freigesetzte Energiemenge etwa 32 mal höher.
Gefährlich werden können Beben ab etwa der Stärke 5,0 auf dieser Skala.

Die Messgrößen subjektiv basierter Skalen werden als Intensitäten bezeichnet, die objektiv basierter Skalen als Magnituden. Die Messung von Magnituden ist zudem beschränkt auf eine maximale Entfernung von circa 1000 km vom Epizentrum.


Von Ulrich Steffen Eck

26/09/08

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