Jost Kobusch hat versucht, den höchsten Berg der Transalai-Kette des Pamir zu besteigen. Wie es ihm ergangen ist und wie er es geschafft hat, einen Pik nach dem Namen seiner Freundin zu benennen, erzählt er im Interview.

Wie lange kletterst du schon?

Ich klettere seit meinem elften Lebensjahr, zuerst in der Kletterhalle, dann bei Familienwanderungen und erst später begann ich, frei zu klettern. Als ich 18 Jahre alt war, bestieg ich den Mount Kenia (5199 m, höchstes Bergmassiv in Kenia) und mit 19 Jahren im Winter den Mont Blanc (4810 m, höchster Berg der Alpen und Europas) im Winter, wo ich auch selbst die Route absteckte. Während meiner Wehrdienstzeit diente ich zudem in der Bergabteilung. So konnte ich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen – meinen Dienst leisten, trainieren und nebenher Geld verdienen.

Warum hast du dich dazu entschieden, nach Kirgisistan zu kommen?

Hier gibt es schöne, hohe Berge, und in der Region ist es wesentlich günstiger zu klettern. So kann man beispielsweise die Zulassung für eine Pik Lenin-Expedition für 50 Dollar bei einer Reiseagentur beantragen; in China kostet eine solche Zulassung etwa 2000 Dollar.

Wie hast du dich auf die Besteigung des Pik Lenin vorbereitet?

Jost Kobusch wäre fast mitsamt seines Zeltes vom Gletscher gefegt worden. | Bild: privat

Ich kam im Oktober nach Kirgisistan. Innerhalb von fünf Tagen habe ich mir ein Auto organisiert und meine Ausrüstung gepackt, die insgesamt 85 Kilogramm wog. Das Taxi brachte mich bis zum Ausgangspunkt und sollte mich nach elf Tagen wieder abholen. Für die Kirgisen war meine Idee, im Winter alleine den Pik Lenin zu besteigen – kurz gesagt – verrückt.

Auf der Höhe 4.200 Meter habe ich mein erstes Basecamp aufgebaut, in dem ich meine Ausrüstung eingelagert hatte. Von dort aus schleppte ich das Gepäck zwei Tage lang Richtung Camp eins, das auf etwa 4.400 Metern lag. Als ich nach einem Tag auf der schneebedeckten Strecke erst ein Drittel des Tagessolls erfüllt hatte, stand für mich die Entscheidung fest, nach Camp eins zurückzukehren und dort die Nacht zu verbringen.

Am nächsten Morgen entschloss ich mich, weiterzugehen, da der Schnee nicht allzu tief erschien. Der weitere Weg auf 5.112 Metern diente vor allem der Höhenanpassung. Danach begann der eigentliche Aufstieg. Nach elf Tagen am Berg startete damit nun die Schluss-Etappe. Vom Camp eins bis zum Camp zwei braucht man im Sommer theoretisch einen Tag, aber bei eben diesen Verhältnissen erkannte ich, dass ich mehrere Tage brauchen würde, denn man muss ganz vorsichtig gehen und vor jedem Schritt den Weg mit dem Stock abtasten, damit man nicht in einen Spalt fällt.

Am zehnten Abend habe ich mein Zelt auf 4.700 Metern direkt auf einem fünf Meter breiten Vorsprung aufgebaut. In der Nacht zog jedoch unerwartet ein Sturm auf und wehte das Zelt auf eine Gletscherspalte zu. In Unterwäsche und völlig überrascht sprang ich aus dem Zelt heraus und hielt es mit aller Kraft fest, damit es nicht wegfliegt – denn ich dachte, wenn ich das Zelt verliere, verliere ich auch den Großteil meiner Ausrüstung, die sich in ihm befand.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte; ich bin normalerweise kein religiöser Mensch, aber ich bat in diesen Minuten Gott um Hilfe. Ich weiß nicht, ob es letztlich Gott oder doch ein Zufall war, aber der Wind stoppte für einige Sekunden, und ich sprang mit meiner kompletten Ausrüstung vom Zelt in eine tiefe Gletscherspalte, um Schutz zu suchen. Danach hat über mir ein wirklich heftiger Sturm begonnen.

Nach drei Tagen und zwei Nächten sind dann auch noch alle Feuerzeuge kaputt gegangen, und ich hatte nur noch ungefähr einen Liter Trinkwasser. Von Camp zwei (5500 Meter) bis zum Gipfel waren es allerdings zwei Tage. Daher füllte ich die Flaschen mit Schnee, indem ich diesen mit meiner Körpertemperatur geschmolzen hatte.

Der Wetterbericht sagte unglücklicherweise weiterhin Sturm vorher. Ich nahm daher nur die leichten Sachen und versuchte, noch ein Stück voranzukommen. Nach 600 Meter fing der Sturm von Neuem an. Weiter oben betrug die Windgeschwindigkeit bereits 80 Kilometer pro Stunde, die Temperatur lag bei Minus 29 Grad Celsius – ich fühlte meine Beine nicht mehr, und mein Körper begann auszukühlen. Auf dem Gipfel des Pik Rasdelny (6158 Meter) nahm der Sturm noch weiter zu, und ich entschied mich, abzusteigen. Manchmal muss man auch zurückgehen können, um anderen davon zu erzählen. Ich war nicht enttäuscht – ich hatte alles versucht, den Gipfel zu erreichen.

Was hast du noch in Kirgisistan gemacht?

Ich bin viel geklettert, war noch auf dem Pik Pyramida (Batken) und habe versucht, andere Gipfel zu besteigen, aber im Winter ist es wirklich schwer in Kirgisistan, da zu viel Schnee liegt. Ich habe auch als Volontär für „CBT Kyrgyzstan” (Community Based Tourism) gearbeitet und neue Skirouten angelegt. Dann habe ich als Erster einen Gipfel bestiegen und diesem den Namen meiner Freundin gegeben.

Wie war das denn möglich?

Der Pik Lenin liegt an der kirgisisch-tadschikischen Grenze. | Bild: privat

Dem Berg einen Namen zu geben? In Kirgisistan feiert man Weihnachten nicht im Dezember, und ich wollte etwas Besonderes machen. Am 24.12. ging ich in die Berge, um rechtzeitig auf dem Gipfel zu sein. Es war nicht leicht, vor allem wegen des Schnees, der Felsen und dem Eis. Mir wurde sogar erzählt, dass man mich zufällig gesehen hätte, als man mit dem Fernglas nach Ziegen suchte. Am 24.12. vergangenen Jahres um 20:12 Uhr war ich schließlich als Erster auf dem 4048 m hohen Gipfel und gab ihm den Namen „Pik Yoko“. Dann habe ich dort einen Zettel in der Aluminiumbox mit den Koordinaten und Daten gelassen. Nach dem Abstieg vom Berg in der Nacht kam ich am nächsten Morgen erst um 4.30 Uhr zu Hause an. Später habe ich auch die Urkunde vom CBT bekommen, dass ich als Erster auf diesem Berg war.

Welche weiteren Pläne hast du?

Ich möchte gerne alle Informationen über Kletterfelsen und Gletscher in Kirgisistan für Kletterbegeisterte sammeln. Außerdem will ich noch weitere Berge in Kirgisistan besteigen – insbesondere liegen mir fünf bestimmte Berge am Herzen, um den Schneeleopard-Orden zu bekommen. Dieser war eine sowjetische Auszeichnung für herausragende Bergsteiger, die alle fünf auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion gelegenen Siebentausender-Gipfel bezwungen hatten: den Pik Ismoil Somoni (7495 Meter, früher „Pik Kommunismus“) und den Pik Korschenewskaja (7105 Meter), beide in Tadschikistan sowie den Pik Lenin (7134 Meter) an der kirgisisch-tadschikischen Grenze, des Weiteren noch Den Dschengisch Tschokusu (7439 Meter, früher „Pik Pobedy“) an der kirgisisch-chinesischen Grenze und schließlich den Khan Tengri (7010 Meter hoch) an der kirgisisch-kasachischen Grenze. Wenn ich das schaffe, dann werde ich der jüngste Kletterer mit diesem Orden sein. Ich hatte, ehrlich gesagt, nicht berücksichtigt, dass jetzt so viel Schnee liegt und die Besteigung im Winter unmöglich ist. Neben dem Klettern plane ich für die nächste Zeit, Medizin zu studieren, um dann als Arzt in den Bergen arbeiten zu können. Ich halte es ist für sehr wichtig, dass es unter den Kletterern auch Menschen mit einer medizinischen Ausbildung gibt.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Mit Jost sprach Nadeschda Wolkowa, Autorin für Francekoul.com/ Novastan.org, Bischkek

Dieses Interview erschien zuerst bei www.novostan.org. Wir veröffentlichen es mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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