Vergangene Woche veranstaltete das Goethe-Institut Almaty seit langem wieder einen Leseabend in der Bibliothek des deutschen Kultur- und Sprachinstituts. Zum Auftakt las der Deutsche Stefan Kirste aus dem Werk von Franz Kafka. DAZ-Autorin Aigul Schilkischina sprach mit dem Drehbuchautor und Journalisten.
Herr Kirste, warum sind Sie nach Kasachstan gekommen?
Seit zehn Monaten bin ich in Almaty. Kasachstan ist die Heimat meiner Frau, und sie hatte Heimweh. Ich wollte unbedingt ihre Heimat, ihr Land kennen lernen, und da wir kleine Kinder haben, die noch nicht in schulpflichtigem Alter sind und übrigens hier in Almaty in den Kindergarten gehen, war es nur jetzt möglich, für ein, zwei Jahre hierher zu kommen.
Was ist Ihr Beruf, und was machen Sie in Kasachstan?
Ich arbeite als Journalist und schreibe für deutsche Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für „Elle“, „Sports“, Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“ und „Die Zeit“. In Deutschland habe ich auch Drehbücher für TV-Filme und Kinderprogramme geschrieben. Vorher war ich fünf Jahre an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin beschäftigt, als Regieassistent, Dramaturg und Regisseur. So kam es, dass ich für die großen Feuilletons Theaterkritiken verfasste.
Womit beschäftigen Sie sich zur Zeit, und was sind Ihre Pläne?
Im Moment entwickle ich Kurse für Journalisten in Zusammenarbeit mit MediaNet und der Friedrich-Ebert-Stiftung, die in Kasachstan und Tadschikistan angeboten werden. Gemeinsam mit dem Goethe-Institut habe ich vor, einen Theater-Workshop zu veranstalten. Darüber werden jetzt Gespräche mit dem Deutschen Theater geführt. Wenn ich es verraten darf: Mein Traum wäre es, hier in Almaty am Deutschen Theater zu inszenieren.
Wie entstand die Idee, dass Sie im Goethe-Institut während eines Literaturabends lesen? Haben Sie einfach an die Tür des deutschen Sprach- und Kulturinstituts geklopft?
Ich bin ja nun schon eine Weile hier und habe mich umgeschaut, was es in Almaty zu tun gibt und mich beim Goethe-Institut vorgestellt.
Sind Ihnen Kafkas Werke durch das Goethe-Institut für die Lesung empfohlen worden?
Nein, das war meine persönliche Wahl. Ich wurde gefragt, was ich gern vorlesen möchte und habe Franz Kafka vorgeschlagen. Und das wurde sofort akzeptiert. Bereits während meines Studiums der Literaturwissenschaft und Philosophie an der Universität in München habe ich mich mit Kafka beschäftigt. Er war ja eher ein unglücklicher Mensch und ist früh erkrankt und verstorben. Es ist beeindruckend, welch großes Werk er hinterlassen hat, er steht in der Weltliteratur ganz weit oben und ist ein Wortkünstler, wie es aus meiner Sicht kaum einen zweiten gibt. Er stellt Fragen zu den Grundsätzlichkeiten des Lebens, fragt, wie man es gestalten soll. Er wählt den Erzählstil der Parabel, dass heißt, der Leser oder Zuhörer hat die schöne Aufgabe, seine Bilder zu enträtseln.
Sie haben unter anderem Kafkas Geschichte über einen Affen, den „Bericht für Akademie“ zum Vorlesen ausgesucht.
Diese Geschichte ist populär und beliebt. In einigen Werkstatt-Theatern Deutschlands wird dieses Werk von Kafka inszeniert. Ein Schauspieler, der in einem Affen-Kostüm auf dem Podium steht und mit Mimik und Gestik arbeitet und erklärt, warum er sich zum Menschen dressieren ließ. Ein auch amüsanter Text. In leichter Form wird so über ernste Fragen gesprochen.
Wann haben Sie zum ersten Mal die Werke von Kafka gelesen, und was haben Sie dabei empfunden?
Da war ich noch in der Schule, mit 17, glaube ich. Es war damals eine komplizierte Lebenssituation für mich: Mein älterer Bruder war bei einem Unfall ums Leben gekommen, und ich habe den Militärdienst verweigert. Ich wusste nicht, wie es weiter gehen sollte und wollte in meinem Leben etwas Klarheit gewinnen. Da habe ich sehr viel von Kafka gelesen.
War es eine Art Selbstschutz, dass Sie in jener Situation ganz bewusst bei Kafka nach Antworten suchten?
Kafka fragt unentwegt nach dem Leitfaden fürs Leben und sucht die Erkenntnis, warum es sich zu leben lohnt. Auch ich war auf der Suche nach meiner eigenen Lebensphilosophie, wie jeder andere auch. Da die Suche wohl nicht beendet sein wird, wird Franz Kafka stets eine große Bedeutung für mich haben.
Sprechen Sie auch etwas Russisch?
Kaum. Um ehrlich zu sein, überhaupt nicht. Es war ein Fehler, bislang die Sprache nicht gelernt zu haben. Ich bereue das. Meine Kinder sind mir da heute weit voraus, und manchmal reden sie auf Russisch auf mich ein und können sich nicht erklären, warum ich sie nicht verstehe.
18/05/07