Ab Herbst dieses Jahres startet die Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul ihren Lehrbetrieb. Damit reiht sie sich ein in die Liste zahlreicher deutscher Universitätsprojekte zwischen Singapur, Kairo und Budapest.
In der Stadt, wo vor kurzem noch Wasserwerfer Studenten von den Straßen vertreiben sollten, öffnen sich im September die Tore der ersten deutsch-türkischen Hochschule in Istanbul. Die Stadt am Bosporus wird Heimat von 135 Studenten, die nach Wunsch der deutschen Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) „politisch aktiv“ sein sollen. Politikwissenschaft werden die Erstsemester allerdings vorerst nicht studieren. Die Universität beginnt ihren größtenteils deutschsprachigen Lehrbetrieb mit Bachelor-Studiengängen in Technik Mechatronischer Systeme, Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften sowie mit den Master-Programmen European and International Affairs sowie Interkulturelles Management.
Nach mehreren Verzögerungen seit Planungsbeginn 2006 kann der Lehrbetrieb nun beginnen, auch wenn die eigentliche Universität, in der einmal bis zu 5000 Studenten an fünf Fakultäten studieren sollen, momentan noch aus provisorischen Gebäuden besteht. Ab 2014 sollen die Bauarbeiten beginnen. Türkische Studenten besuchen die Universität kostenlos, für ausländische Studenten fallen Gebühren an. Die Lehrsprache an der Türkisch-Deutschen-Universität (TDU) ist in den Bachelor-Studiengängen Deutsch, in Master- und Promotionsprogrammen in Abhängigkeit vom jeweiligen Programm Deutsch oder Englisch.
Mit Istanbul eröffnet nun das elfte Hochschulprojekt im Ausland. In Europa bietet auch noch die Andrassy Gyula Universität in Budapest deutsche Bildungsstandards an. Stark vertreten sind deutsche Unis in Asien, wie etwa in China, Indonesien, Kasachstan, Singapur und Vietnam. Auch in Ägypten sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es Hochschulen. Darüber hinaus gibt es rund um den Globus viele einzelne Studiengänge, aus denen sich Hochschulen entwickeln könnten, erklärt Stephan Geifes, Leiter der Gruppe „Hochschulprojekte im Ausland” des Deutschen Austauschdienstes (DAAD). Seine Abteilung fördert derzeit 34 Hochschulprojekte im Ausland.
Nach deutschem Vorbild
Deutsch als Unterrichtssprache muss aber nicht zwangsläufig gegeben sein. „Wir wollen zwar die deutsche Sprache fördern, setzen uns aber auch für englischsprachige Studiengänge ein“, erklärt Geifes die Strategie des DAAD. Es gehe darum, Menschen im Ausland mit englischem Unterricht das Studium an der deutschen Uni zu erleichtern und somit einen Anreiz zu schaffen, ihnen auch Sprache und Kultur näher zu bringen. „Englisch ist längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Vor allem Deutschkenntnisse sind wertvolle Zusatzqualifikationen.“ Viele würden an einer deutschen Hochschule studieren, um bessere Aussichten auf ein Praktikum oder ein fortsetzendes Studium in Deutschland
zu haben.
Großes Interesse in Arabien
Besonders hohen Bedarf gebe es in Osteuropa und in arabischen Ländern. „Das Interesse hat sich verlagert, von der Germanistik zur angewendeten Sprache“. Weltweit würde das Interesse an dem Exportgut Bildung aus Deutschland steigen. „Unser System zeichnet sich dadurch aus, dass es forschungsorientierte Lehre und Praxisbezug sowie Interdisziplinarität zugleich enthält“. In vielen Ländern würden Akademiker nach dem Studium ohne Job dastehen, weil sie währenddessen zu wenig Praxisausbildung erhalten. Vor allem arabische Staaten wollen sich verbessern und suchen Input, so Geifes.
Vorwiegend bietet eine deutsche Hochschule im Ausland somit Curricula nach deutschen Qualitätsstandards sowie einen stetigen Deutschlandbezug. Denn „Sprache ist nicht alles. Wenn man die kulturellen Gepflogenheiten nicht kennt, wird es schwierig“, ist der Hochschul-Experte überzeugt. Vom Export ihrer Bildungsstandards profitiert Deutschland wiederum durch die Internationalisierung seiner Hochschulen. „Der DAAD finanziert die Projekte, um die Deutschen Hochschulen international besser aufzustellen“. Natürlich würden dabei auch entwicklungspolitische Gründe und die Präsenz der Bundesrepublik im Ausland eine Rolle spielen.
Uni – Made in Germany
Je nach Bedarf reicht die Bandbreite der Hochschulförderung im Ausland von Sommerschulen über die Gründung einzelner Fakultäten und Instituten bis hin zum Aufbau einer ganzen Hochschule. Die einzelnen Projekte unterscheiden sich in Finanzierung, Größe und Struktur enorm voneinander. Am Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg (CDHK) in Shanghai wird etwa im Unterricht vorwiegend Chinesisch gesprochen, während an der Andrassy-Universität in Budapest sowie in Jordanien größtenteils Deutsch Unterrichtsprache ist. Je nachdem, ob das Zielland die Hochschule auch anerkennt, haben Absolventen die Möglichkeit eines Doppeldiploms. In Vietnam etwa, wird nur ein deutsches Diplom vergeben. Alle zusammen verbindet dennoch das Label „Deutsche Hochschule“, weil sie deutsche Curricula vorweisen. „Damit garantieren wir deutsche Qualifikationsstandards am jeweiligen Standort“, sagt Greifes. Das gilt auch für die Deutsch-Kasachische Universität in Almaty, an der aktuell knapp 600 Studierende an 14 Studiengängen studieren.