Die Welt der Kryptowährungen ist ständig in Bewegung – auch in Zentralasien. Aktuell steht Kasachstan im Fokus. Was würde ein E-Tenge dem Land bringen?

Als 2009 die Immobilienblase platzt und Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren, nimmt weltweit der Unmut gegen Banken zu. Getragen wird der Protest von Bewegungen wie „Occupy“ oder den Cypherpunks – Informatik-Freaks, deren Hass auf die Geldhäuser nicht größer sein könnte. Der Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Institutionen führt letztlich zur Programmierung einer Währung, die Banken ihre Arbeit abnehmen soll: die Geburtsstunde des Bitcoins.

Heute ist bekannt, dass die große „Wirtschaftsrevolution“ ausblieb. Geblieben ist dagegen die Technologie, die in Informatikerkreisen bereits als nächster Quantensprung nach der Erfindung des Internets gepriesen wird. Eben diese technische Errungenschaft wird inzwischen nicht mehr als anarchisches Instrument gesehen, sondern als Modernisierung des Finanzsystems.

Neuer Anlauf für landesweite Kryptowährung

Auch in Zentralasien hat man die neuen Entwicklungen genau beobachtet. Im Gegensatz zu Staaten wie Deutschland, dem Land mit dem umfangreichsten Bargeldverkehr, hat Kasachstan seit 2011 bis heute bereits 27 elektronische Zahlungsmethoden im nationalen Finanzsystem etabliert. Hier treibt die Regierung selbst die Einführung eines Tokens* voran. Eine zivile Initiative zur Einführung eines „Halykcoins“ als erste landesweite Kryptowährung war vor wenigen Jahren noch gescheitert.

Nun gibt es einen neuen Versuch auf staatlicher Ebene, den Alik Schpekbajew, Vorsitzender der nationalen Antikorruptionsbehörde, jüngst erläuterte:  „Mit dem System können Sie die Bewegung jeder Transaktion verfolgen (…), also die Identität des Absenders und Empfängers identifizieren. Geldwäsche in einem solchen System wird sehr problematisch, wenn nicht unmöglich.“ Damit betont er den Vorteil von Kryptowährungen, dass sich Geldsysteme nicht manipulieren lassen und unsichtbare Geldtransaktion, also Bestechungen, nicht möglich sind.

Welche Probleme bringen Bitcoin und Co.?

Bitcoin hat jedoch auch eine Schattenseite: den extremen Stromverbrauch. Eine Bitcoin-Transaktion nimmt 648 kWh in Anspruch. Das ist so viel wie wenn man 429.000 Visa-Transaktionen durchführt oder 3.240 km mit einem Elektroauto fährt. Außerdem kann der Prozess bei Bitcoin bis zu sechs Stunden dauern. Da kommt Zentralasien seine günstige geologische Situation zugute. Kasachstan besitzt die acht größten Kohlevorkommen der Welt und die drittgrößten unter den GUS-Staaten. Mit 47 Kohlerevieren, die äußerst flach und leicht zugänglich in der Steppe liegen, bietet das Land einen der günstigsten Strompreise der Welt an.

Das spiegelt sich auch in der erwähnten Rechenleistung für Bitcoin wider. In Kasachstan werden aktuell 6,2 Prozent der Hash-Rate* berechnet. Damit konkurriert es mit Russland (6,9 Prozent) und den Vereinigten Staaten (7,2 Prozent). Unangefochtener Platzhirsch ist nach wie vor China mit 65 Prozent. Deutschland bestätigt derweil seine konservative Haltung gegenüber Kryptowährungen, mit nur 0,5 Prozent ist die Rechenleistung praktisch vernachlässigbar.

Der Trend entwickelt sich zugunsten Kasachstans. Binance, die weltweit größte Krypto-Börse*, ist gerade dabei, ihre eigene Hash-Rate in Russland und vor allem in Zentralasien umfangreich aufzustocken. Aber auch China hat gemerkt, dass in Kasachstan der Strom noch günstiger produziert werden kann. Experten gehen davon aus, dass chinesische Firmen weitere 5 Prozent Rechenleistung im Ausland besitzen. Dies vor allem in Zentralasien, da dort die politischen Beziehungen gut sind.

Kann Bitcoin „Öko“ sein?

Gerade mit weltweiten aufsteigenden Bewegungen wie „Fridays for Future“ zeichnet sich eine Trendwende hin zu erneuerbaren Energien ab. Kasachstan hat dabei schon länger das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet. Die enorme Luftverschmutzung durch den günstigen Kohle-Strom, welcher für die Bitcoin essenziell ist, ist schwer mit dem Abkommen vereinbar. Die Lösung bietet ein neues französisches Unternehmen, das BigBlock Datacenter. In Kooperation mit der Regierung errichtete es einen enormen Staudamm in der Nähe von Almaty. Nun wirbt das junge Start-Up mit dem grünen Bitcoin und zieht eine neue umweltbewusste Zielgruppe an.

Im gegebenen Fall funktioniert das, da die Errichtung des Staudamms ökologisch nachhaltiger ist als der ständige Betrieb der in Almaty ansässigen Kohlekraftwerke. Anders dagegen in Kirgisistan: Dort ist der Toktugul-Stausee in Betrieb, welcher im Sommer so viel Wasser speichert, dass es in Kasachstan nicht für die angrenzende landwirtschaftliche Nutzung der Region reicht. Auch Kirgisistans Politik ist sehr freundlich gegenüber der Kryptowelt, doch ob sich dieser Bitcoin wirklich als „nachhaltig“ oder „ökologisch“ einstufen lässt, bleibt äußerst fragwürdig.

Usbekistans Rolle rückwärts

Bei der Marktöffnung für digitale Währungen blieb auch Usbekistans Regierung in den letzten Jahren nicht untätig. Nach einer zunächst fast schrankenlosen Liberalisierung des Krypto-Marktes musste die Regierung zuletzt zurückrudern. Denn Miner* aus aller Welt missbrauchten den einmalig günstigen Strom, trieben den Verbrauch und damit den Preis so in die Höhe, dass die Bevölkerung die eigene Stromrechnung kaum noch zahlen konnte. Mittlerweile wird ausschließlich für ausländische Krypto-Investoren der dreifache Strompreis berechnet.

Damit ist Usbekistan aus dem Bitcoin-Geschäft fast gänzlich ausgetreten. Dennoch waren durch die Liberalisierung andere Vertreter der Krypto-Branche auf das Land aufmerksam geworden. So zum Beispiel Cardano, das mit einer Marktkapitalisierung von rund 4 Mrd. US-Dollar die sechststärkste Krypto-Währung ist. Anfang dieses Jahres gaben beide Parteien ein umfassendes Digitalisierungs-Paket bekannt, welches sowohl die Blockchain-Technologie näher an die Bevölkerung bringen soll als auch ausländischen Investoren einen sichereren und leichteren Weg an die nationale Börse zeigen soll. Nebenbei bemerkt braucht eine Cardano-Transaktion weniger Strom als eine Visa-Transaktion und ist auch noch schneller.

Denn was viele nicht wissen: Die Blockchain ist nicht nur für Spekulation von Währungen gedacht, sondern hält auch viele praktische Funktionen für den Alltag bereit. Sie kann auch als äußerst effizientes Verwaltungssystem genutzt werden. Die Deutsche Bahn hat zum Beispiel sämtliche Zugbuchungen, vom Familien-Ticket bis zum Transport von mehreren Tausend Autos, auf einer Blockchain abgespeichert. Das spart Zeit, Personal und vor allem auch Geld.

Ist der E-Tenge die Zukunft für eine transparente Finanzpolitik?

Alik Schpekbajew plant währenddessen die Einführung des E-Tenges. Mit dem Direktor des Zentrums für Analyse und Untersuchung von Cyber-Angriffen Arman Abdrasilow möchte er von Anfang an das Risiko eines möglichen Scheiterns minimieren. Denn bei der Programmierung von Krypto-Währungen muss beachtet werden, für welche Zwecke sie gemacht sind. Sie können intransparent wie Bitcoin sein und für Geldwäsche bzw. Schwarzmarkt geschaffen werden. Oder sie sind völlig transparent und sogar nachhaltig, wie etwa Cardano.

Damit die Einführung des E-Tenges besser gelingt als der Halyk-Coin, setzt  Abdrasilow auf eine ähnliche Strategie wie China. Dort hat die Regierung in einzelnen Regionen des Landes angefangen, den E-Yuan einzuführen, hat Evaluationen gesammelt, ihn dann schrittweise verbessert und in immer mehr Regionen eingeführt.  Abdrasilow betont die „große Arbeitsebene“ , die ein solches Vorgehen erfordert. „Die digitale Infrastruktur muss dafür erst noch geschaffen werden.“ Deshalb glaubt er nicht an eine zeitnahe Ablösung des Bargeldes. Jeder Mensch müsste mit einem Smartphone ausgestattet werden. Außerdem müsste es überall im Flächenland Kasachstan eine stabile Internetverbindung geben.

Es ist dennoch klar, dass Bitcoin und Co. keine kleinen anarchischen Spielereien mehr sind, sondern gigantische Investitionsmöglichkeiten innerhalb des globalen Finanzsystems. Deswegen wird die innovative Technologie auch in Zukunft Einfluss auf geopolitische Themen nicht nur in Zentralasien haben. Bei staatlichen Digitalwährungen darf aber auch der Aspekt der Überwachung nicht unterschätzt werden. Eine Kryptowährung kann bisher nur eine der beiden Funktionen haben: Entweder es wird der gesamte Zahlungsverkehr überwacht, oder es findet alles ausnahmslos anonym statt. Bei der Einführung einer staatlich organisierten transparenten Währung außerhalb von Verwaltungsbehörden sollte dies berücksichtigt werden.

Von Lukas Kunzmann

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Infobox

*Token ist das Fachwort in der Informatik für Coin, also die Digitalwährung.
Die Hash-Rate gibt an, wer wann wie viel Rechenleistung in die jeweilige Digitalwährung investiert, und ist online auf der Blockchain transparent für jeden einsehbar. Je mehr Rechenleistung zur Verfügung gestellt wird, umso größer ist die Belohnung in Bitcoin, die man erhält.

Die *Hash-Rate gibt an, wer wann wie viel Rechenleistung in die jeweilige Digitalwährung investiert, und ist online auf der Blockchain transparent für jeden einsehbar. Je mehr Rechenleistung zur Verfügung gestellt wird, umso größer ist die Belohnung in Bitcoin, die man erhält.

Eine  *Krypto-Börse ist fast wie jede andere Börse auf der Welt, es besteht nur ein Fokus auf Digitalwährungen. Oft haben sie keinen physischen Standort und sind nur im Internet zu finden.

Als *Miner werden jene bezeichnet, die die Rechenleistung zur Verfügung stellen. Dies können ganze Staaten sein, große Tech-Unternehmen wie zum Beispiel Samsung, oder auch einfache Privatpersonen, die sich einen leistungsstarken Computer in den Keller stellen.

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