Das ist gar nicht so lächerlich – die Sache mit dem Lächeln. Und auch gar nicht so einfach. Wo aus kulturellen Gründen nicht von Kindesbeinen an gelächelt wird, was das Zeug hält, tut man sich mit dieser Tradition eher schwer. Und aus lauter Neid, weil man es selbst nicht so gut kann, unterstellt man anderen Völkern, die gern die Zähne zeigen, allzu schnell Oberflächlichkeit, zumindest sei das nie so gemeint, wie es aussehe.
Ja, aber trotzdem! Das Leben und notgedrungene gesellschaftliche Miteinander fühlt sich gleich anders an, wenn es einem von allen Seiten entgegenlächelt. Vielleicht ist es ja doch so gemeint! Und im Grunde unseres Herzens wollen wir eigentlich auch alle so schön lächeln können wie andere. Mit Neid und Scham schauen wir auf die Inder und Afrikaner, die immer freudig dreinschauen, obwohl es ihnen so schlecht geht. Den Asiaten und Amerikanern gönnen wir es nicht so recht, diese Nationen haben es aber auch sowieso schwer bei uns, da mischt sich in den Neid noch die Angst. Jedenfalls, so ganz geheuer sind uns beide Völker nicht. Für mich jedenfalls war es fast lebensrettend, dass in Wladiwostok so viele freundlich lächelnde Koreaner, Japaner und Chinesen leben, denn wer schon mal zwei Jahre lang der osteuropäischen Griesgrämigkeit im Geschäfts- und Lebensalltag ausgesetzt war, weiß, wie sehr das aufs Gemüt schlagen kann.
Ein lächelnder Ort wirkt gleich ganz anders. Als ich letztes Jahr in Washington war, musste ich feststellen: Alle waren immer freundlich und hilfsbereit und geduldig und haben gelächelt. Selbst, wenn ich etwas falsch gemacht habe, und sogar die Autofahrer haben freundlich lächelnd gebremst, wenn ich mit meinem Fahrrad quer über die Straße gebrettert bin. Und das ging die ganze Zeit lang so, die ich dort war, und auch bei Regenwetter, von morgens bis abends, und fast alle fast immer. Das kann doch nur echt sein! In Amsterdam erging es mir ganz genauso – gut nämlich. Wenn es einem so deutlich auffällt, scheint es daheim zu fehlen, sonst wäre es ja nicht so bemerkenswert.
Na, doch, wir können schon auch lächeln, wir Deutschen. Und in Köln ist einem eh der Frohsinn in die Wiege gelegt. Aber selbstverständlich und jedem ins Gesicht geschrieben ist es ganz sicher noch nicht. Dass lächelnde Verkäuferinnen nicht nur hübsch anzuschauen sind, sondern es insgesamt besser für das Geschäftsklima und den Absatz ist, haben die größeren Unternehmen schon länger raus. Seither gehört das Lächeln zum Pflichtprogramm der Mitarbeiter, auch am Telefon. Denn dass man das Lächeln am anderen Ende der Leitung hört, haben Fachleute bestätigt. Am liebsten wollen wir Kunden jedoch, dass es nicht aufgesetzt ist, sondern von Herzen kommt. Aber so weit sind wir hier noch nicht. Schließlich geht am Ende immer schief, was man anderen zuliebe tut. Hat man aber selbst Freude mit sich und an dem, was man tut, wirkt sich das auch positiv auf andere aus. Und drum lernen wir nun in Seminaren, wie man lacht. Nicht etwa aus purer Freude am Spaß, sondern um der Gesundheit willen – das zieht hier immer. Dass sich gut fühlt und gesund ist, wer viel lacht, wissen die Esoterikratgeber und Ärzte zu berichten. Lachseminare wirken zwar lächerlich, aber wem es nicht so schon aus der Brust quillt, der lache besser angeleitet als gar nicht. Übung macht den Meister. Und wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, mag am Ende gar nicht mehr aufhören. Wer weiß, wo das noch hinführt, schon manch einer hat sich totgelacht. Keine Sorge, das wird uns Deutschen nicht passieren. Aber insgesamt hält hier nach und nach die Freundlichkeit Einzug. Manche Verbotsschilder werden nun freundlicher gestaltet. Die klassischen Verbotsschilder blaffen einen geradezu an, man hört den militärischen Tonfall, der einem per se schlechte Absichten unterstellt. Dies wird nun zum Teil aufgeweicht durch gar lustige Comics oder die „Bitte“, etwas nicht zu tun. Die Strafandrohung wird mit einem „leider“ ausgesprochen. Und letztens sah ich in der Anzeigetafel eines Omnibusses neben dem Wort „Pause“ eine Kaffeetasse abgebildet, was so viel aussagt wie: „Bitte gönnen Sie doch dem Busfahrer seine wohlverdiente Kaffeepause“. Na bitte, das klingt doch schon ganz anders! Und wer jetzt immer noch nicht genügend Argumente zum Lachen gefunden hat, der lasse sich (zumindest die Männer) von Jerry Lewis sagen: „Mit Humor kann man Frauen am leichtesten verführen, denn die meisten Frauen lachen gerne, bevor sie anfangen zu küssen.“ Also, wenn das nicht zieht, dann weiß ich auch nicht weiter.
Julia Siebert
17/10/07