Im April dieses Jahres plant das Deutsche Theater eine Tournee durch Deutschland mit seinem Stück „Das Mädchen und der Tod“. Vor Berlin, Münster und München bekam Almaty die Vorstellung noch einmal zu sehen.

/Bild: Marlies Ootes. ‚Das frischverliebte Mädchen erzählt dem Tod von der Sehnsucht nach den Küssen seines Geliebten. ‚/

Maxim Gorki schrieb das Märchen „Das Mädchen und der Tod“ als er mit Anfang zwanzig durch Russland und den Kaukasus reiste, nicht lange nach einem Selbstmordversuch. Von Studenten in Tiflis ermutigt, hatte er damals angefangen zu schreiben; über seine Erfahrungen aus Streifzügen durch Russland, aber auch romantische Gedichte, wie „Das Mädchen und der Tod“, das vom Vermögen der wahren Liebe handelt. Erst 1917 veröffentliche Gorki das Märchen in Gedichtform, 1931 las er es Josef Stalin vor. Dem Diktator gefiel die Liebesgeschichte außergewöhnlich gut; er meinte, sie sei sogar „stärker als Goethes Faust“.
Der Zar hört auf der Heimkehr aus einem verloren Krieg im Gebüsch das Lachen eines überglücklichen Mädchens, das gerade die erste Nacht mit seinem Geliebten verbracht hat. Ohne Scheu tritt es auf seinen Herrn zu, und verweigert sich, sein Leid und das der gefallenen Ritter zu beklagen. Daraufhin befiehlt der Zar das Mädchen zu töten. Der Tod erscheint in der Form einer alten Frau, die sich über die Angst der Menschen vor ihr ärgert. Als das Mädchen diese Angst nicht zeigt und ihr stattdessen von seinem großen Glück erzählt, verspricht die Alte ihm noch eine letzte Nacht mit seinem Freund. Nachts träumt der Tod von Judas und Kain, von Schuld und Vergebung. Als das Mädchen am nächsten Morgen nicht erscheint, wird der Tod zornig.

Europäisch inszeniert

Die Regisseurin Irina Simonowa lockert  die dramatischen Vorgaben auf mit Tanz, Liedern und Humor. Der verbitterte Tod (Lydia Hann), der sich an seine eigenen Tage voll Schönheit und Liebe erinnert, schreit verärgert „Gut, geh küssen!“ als das Mädchen eine letzte Nacht mit ihrem Freund gestattet bekommt. Und auch als die beiden Eskorten des Todes ihn, als wäre er Madonna, anflehen noch einmal ein Lied zu singen, kann man sich das Lachen schwer verkneifen. In Simonowas Inszenierung gibt das Märchenhafte den Ton an, mit einem Tod, eher der frustrierten Stiefmutter Schneewittchens ähnelnd. Der dramatische Aspekt der romantischen Geschichte wird deswegen allerdings in den Hintergrund gedrängt. Hier war auch das Publikum keine Hilfe. Die anwesenden Schulklassen konnten offenbar ohne Vorbereitung wenig mit dem Stück anfangen. Abgelenkt von der Magie der Übersetzungsgeräte lachten sie über jede leicht entblößte Brust oder andere Hinweise auf das Liebesspiel der Frischverliebten. Der liberale Umgang mit Sexualität, so typisch für europäisches Theater, hat hier in Almaty offensichtlich noch keinen Fuß gefasst.

Hoffnung auf frisches Blut

Als europäische Insel in Almaty will die Schauspielgruppe an die deutsche Theatertradition anknüpfen. 1980 wurde das Theater im Norden Kasachstans, in Temirtau gegründet, wo damals viele Deutsche wohnten. Es fungierte als Volksbühne, die auch experimentelle Inszenierungen, oft von Gastregisseuren aus Europa, umsetzte.

In den neunziger Jahren wanderten jedoch die meisten Russlanddeutschen nach Deutschland aus. Die junge Regisseurin des Deutschen Theaters Julia Schiguljowa erklärt: „Das Publikum hat sich in den letzten Jahren  sehr geändert. Heutzutage verstehen wahrscheinlich nur fünf Prozent unseres Publikums Deutsch.“ Von einer Umstellung auf Russisch will sie dennoch nichts wissen. „Deutsches Theater kann man einfach nicht auf Russisch veranstalten, dann würden unverzichtbare Nuancen verloren gehen.“ Leider erweist sich gerade die dabei notwendige Simultanübersetzung für die wenigen Deutschsprecher als störend, für die kasachische Schuljugend als ablenkend. Auch die Schauspieler selbst beherrschen die deutsche Sprache nicht immer ausreichend, weswegen es einem manchmal schwer fällt, die Texte zu verstehen.

Hier scheint aber Hoffnung auf. Der Direktor des Theaters, Konstantin Druschinin, erzählt stolz, dass es im nächsten Jahr an der Kunstakademie Almaty wieder eine deutsche Gruppe geben werde. Schiguljowa ergänzt: „Nach vier Jahren werden sie fertig sein. Ich hoffe, dass sie danach zu uns kommen werden. Frisches Blut brauchen wir dringend.“

Aber auch mit der alten Garde bringt das Deutsche Theater eine interessante Interpretation Maxim Gorkis auf die Bühne. Die Wahl, das Mädchen von zwei Aktricen spielen zu lassen, wobei eine (Larissa Fatejewa) das gestorbene und die andere (Julia Schiguljowa) das lebendige spielt, fällt gut aus. Die einfachen, aber zierlichen Kostüme in Schwarz und Weiß ermöglichen es dem Zuschauer, die verschiedenen Rollen zu unterscheiden. Ein schlichtes Dekor aus cremefarbenen Tüchern mit dem hölzernen „Boot“ in der Mitte, in dem das Mädchen hin und herfährt zwischen Tod und Leben, wirkt himmlisch und märchenhaft zugleich.

Entscheidung über Gebäude in Sicht

Dieses Märchen wird sich auf der Tournee durch Deutschland, ohne die quietschenden Stühle des ARO-Theaters, sicherlich noch besser vermitteln lassen. In der Zwischenzeit kann Almaty nur auf einen schnellen Beschluss über den Neubau des Deutschen Theaters hoffen, der dem Direktor zufolge, in den nächsten Wochen vom Kulturministerium gefasst werden wird.

Von Marlies Ootes

27/02/09

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