Gerade war es dem britisch-amerikanischen Ölkonzern BP nach jahrelanger Kleinarbeit gelungen, in der Öffentlichkeit als ein Konzern wahrgenommen zu werden, der dem Umweltschutzgedanken zumindest nicht mehr total ablehnend gegenübersteht, und nun diese Katastrophe. Zehntausende Tonnen Erdöl strömen unkontrolliert nach der Explosion einer Erdölplattform vor der US-Küste ins Meer, bedrohen die Existenz ganzer Regionen und vernichten das Leben hunderttausender Tiere, die sich gerade jetzt dort zu ihrer Brutzeit aufhalten.

Es ist also vorbei mit dem grünen Anstrich des Konzerns, er steht nun wie kein anderer am Pranger der kritischen Weltöffentlichkeit. Doch BP ist keinesfalls allein, die Katastrophe ist bei weitem nicht die erste, für BP schon die dritte innerhalb von nur fünf Jahren. Es ist davon auszugehen, dass sich solche Katastrophen öfter wiederholen werden. Schließlich wächst der Hunger der Welt nach Energie aller Art ständig weiter. Etwa 40 Prozent des Weltverbrauchs an Primärenergie deckt dabei immer noch das Erdöl ab. Das ist zwar gegenüber dem Höhepunkt des Ölanteils in den 1970er Jahren (etwa 70 Prozent) deutlich weniger, absolut aber fast das Dreifache der damals verbrauchten Mengen.

Dabei sind die sicher und preisgünstig nutzbaren Erdölvorkommen entweder schon ausgebeutet oder ihre Ressourcen neigen sich dem Ende zu. Also wagen sich die Ölkonzerne an Lagerstätten, von denen vor wenigen Jahren kaum jemand gedacht hätte, dass sie überhaupt erreichbar wären. Sie bohren immer tiefer, ins Gestein und auch ins Wasser. Gewaltige Investitionen sind dafür notwendig, die sich jedoch nur lohnen, wenn die Weltmarktpreise für Rohöl ausreichend hoch sind.

Öl ist Gift undWohltat zugleich. Es lagert vielleicht nicht umsonst in so großer Tiefe. Möglicherweise sollen wir bewusst nicht so leicht herankommen, um Schaden von uns abzuwenden. Wir Menschen aber haben uns in eine fatale Abhängigkeit vom Öl begeben, wir sind auf es angewiesen und setzen alles daran, soviel wie möglich davon wieder nach oben zu holen. Dabei beginnt das Öl uns langsam umzubringen, und wir wissen das auch. Um Öl werden direkt und indirekt Kriege geführt, es ist ein erstrangiger Konfliktfaktor. Den überwiegenden Teil des mit großem Aufwand geförderten Öls verbrennen wir ziemlich phantasielos und belasten die Umwelt mit einer Vielzahl von gesundheits- und umweltschädlichen Verbrennungsrückständen.

Das aktuelle „schwarze Desaster“ ist nicht das erste und wird mit Sicherheit nicht das letzte dieser Art sein. Bis zu 11.000 Meter tief konnte die verunglückte „Deepwater Horizon“ bohren. Doch je tiefer die Bohrung, um so größer auch das Risiko und die technischen Anforderungen. Schließlich steigen mit jedem Meter Bohrtiefe der Druck und die Temperatur des Gemisches aus Öl, Salzwasser und Gestein und verschiedenen Verunreinigungen. Niemand kann mit letzter Sicherheit bestimmen, welche Zusammensetzung dieses Gemisch dort unten in der großen Tiefe hat, so dass mögliche Gefahren nur schwer abschätzbar sind.

Trotz aller Beteuerungen der Ölkonzerne: die Tiefseeförderung von Erdöl wird technisch nicht beherrscht. Wahrscheinlich wird man die Ursache der Explosion der Plattform nie vollständig aufklären, so wie die Ursachen für ähnliche Störfalle in der Vergangenheit auch meist nie restlos aufgeklärt wurden. Doch eines steht fest: die Risiken für die Arbeiter und die Umwelt erhöhen sich mit jedem Schritt, der in neue Fördergebiete getan wird.

Die lange Serie von Unglücken mit auslaufendem Öl sollte nun endlich den Anstoß für ein konsequentes Umdenken in der Energiepolitik geben. Aus Sicherheitsgründen, aber auch aus Gründen der Begrenztheit wirtschaftlich zugänglicher Ressourcen sollte mit größerer Konsequenz als bisher der Wandel der Energieverbrauchsstruktur betrieben werden. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, und jede Art der Energieversorgung hat ihre eigenen Risiken. Zumindest sollten die Energietechnologien zurückgefahren werden, die das größte technische, ökologische und soziale Risiko bergen. Öl und Kernenergie gehören auf jeden Fall dazu. Gerade auf diese aber setzt man auch in Kasachstan.

Bodo Lochmann

14/05/10

Teilen mit: