Die Kurstafel einer kasachischen Wechselstube ist Spiegelbild internationaler Finanzmarktrends. Die hohe Preisspanne im An- und Verkauf abseits von Kursänderungen des Dollars, Euros und Tenges hat ihre Berechtigung. Eine landesspezifische Eigenheit mit Chancen und Risiken: Der Euro ist die spekulativere Währung.

Wechselkursen kann man in Kasachstan an jeder Straßenecke begegnen. In Almaty und anderen Städten des Landes findet man überall Wechselstuben, die eifrig Euro, Dollar und Tenge tauschen. Die Kurse im An- und Verkauf können von einem Tag zum nächsten steigen oder fallen. Auf lange Sicht lassen sich an den Tafeln der Wechselstuben enorme Preisänderungen ablesen. Die Wechselkurse des Tenge zum Euro und Dollar bewegen sich also in Kasachstan. Dies, obwohl die Kasachische Nationalbank möglichst stabile Wechselkurse anstrebt und im Rahmen eines so genannten „managed floating” selbst Devisen kauft.

Finanzmarktrends für den kleinen Mann

Durch die Euro-, Dollar- und Tengenotierungen überall in Kasachstan kann jedermann Trends auf den internationalen Finanzmärkten spüren. Denn die Kurse der Wechselstube um die Ecke folgen denen in den Finanzzentren London, New York oder Frankfurt. Dort war der Euro zu Jahresanfang fast 1,35 US-Dollar wert – ein Allzeithoch. Aktuell wird der Euro international für 1,17 US-Dollar gehandelt. Sprich, der Euro hat über die letzten Monate an Wert eingebüßt. Dies ist nicht nur in New York oder London so, sondern auch auf der Kurstafel der kasachischen Wechselstube. Zu Jahresbeginn war ein Euro hier etwa 170 Tenge wert. Heute bringt er nur noch 156 Tenge. Das sind fast zehn Prozent weniger. Ein US-Dollar brachte im Januar 130 Tenge. Jetzt ist ein Dollar rund 134 Tenge wert. Gegen solche Markttrends kann und will sich die kasachische Nationalbank nicht stellen. Und damit stellt sich die Frage: In welche Richtung werden sich die Kurse von Euro und Dollar zum Tenge in den nächsten Monaten bewegen? Das hängt vom Wechselkurs Euro zu US-Dollar ab. Den bestimmen Angebot und Nachfrage auf dem internationalen Devisenmarkt. Angebot und Nachfrage werden wiederum maßgeblich von zwei Größen beeinflusst. Einerseits von der Wirtschaftskraft hinter einer Währung, also den gesamtwirtschaftlichen Rahmendaten wie Wirtschaftswachstum oder Arbeitslosigkeit in den USA und Euroland und andererseits von der Zinsdifferenz der Währungen selber. Sprich, dem Leitzins in den USA und in Euroland.
Die volkswirtschaftlichen Rahmendaten in den USA sind in diesem Jahr stabiler als die europäischen. Investieren ist attraktiver dort, und so steigt die Nachfrage nach US-Dollar. Damit sich die Konjunktur in den USA nicht überhitzt und die Inflation in Grenzen bleibt, hat die amerikanische Notenbank in Washington seit Jahresanfang ihren Leitzins beständig erhöht. Von zwei Prozent im Januar in einem langen Zinszyklus und sieben Trippelschritten auf nun vier Prozent. Dollaranlagen sind so attraktiv für internationale Investoren. Der Euroraum mit schwachen Rahmendaten und einem fast das ganze Jahr bei zwei Prozent verharrenden Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) erscheint wenig attraktiv. Die Nachfrage nach Euros hält sich in Grenzen, der Dollar ist gefragt und somit entwickelte sich der Wechselkurs Euro/US-Dollar im letzten Halbjahr eindeutig zu Gunsten des Greenbacks.
Etwas bessere gesamtwirtschaftliche Eckdaten und Inflationsrisiken haben die Währungshüter der EZB in Frankfurt nun veranlasst, den Leitzins in Euroland mit Vorsicht von 2 auf 2,25 Prozent anzuheben. Das Zinsdifferenzial zwischen Euro und Dollar ist so geringfügig zurückgegangen, und viele Devisenhändler spekulieren auf weitere Zinserhöhungen der EZB. Durch die im Vergleich zu den USA aber immer noch schwächeren volkswirtschaftlichen Rahmendaten Europas und den noch beträchtlichen Zinsabstand zwischen Euro und Dollar sollte der Euro in den kommenden Monaten am Devisenmarkt nicht wirklich zulegen können. Damit auch nicht im Sortenan- und Verkauf an der kasachischen Wechselstube.

Der Dollar ist die sicherere Währung in Kasachstan – der Euro im Gegenzug die spekulativere. Beim Dollar gelang es der kasachischen Nationalbank in den letzten fünf Jahren, den Wechselkurs gegenüber dem Tenge stabiler zu halten als beim Euro. Dies lässt sich an statistischen Größen wie der Standardabweichung, Varianz und Volatilität beider Wechselkurse ablesen. Der Wechselkurs Tenge/Dollar bewegte sich also in den letzten fünf Jahren in der Spanne 130 bis 155 Tenge für einen Dollar. Der Eurowechselkurs zwischen 125 bis 188 Tenge. Die Präferenz der Notenbank für die Stabilität des Tenge zum Dollar ist durch die außenwirtschaftlichen Verflechtungen Kasachstans, also die Abhängigkeit vom in Dollar ausgedrückten Ölexport, zu erklären. Ebenso durch die Verschuldung vieler kasachischer Firmen und Haushalte in US-Dollar.

Erhebliche Wechselkursschwankungen wären hier ein Existenzrisiko. Eine große Transaktion wie ein Autokauf wird in Kasachstan eben lieber in Dollar als in Euro abgerechnet. Trotz steigender internationaler Bedeutung hat der Euro dem US-Dollar im Alltag den Rang als Transaktions- und Reservewährung noch nicht abgelaufen.

Ob steigende und fallende Kurse, die große Spanne zwischen An- und Verkaufskurs an der Wechselstube bleibt. Denn jede Wechselstube ist eine kleine Bank. Jeden Tag tauscht sie Dollar und Euro in Tenge oder umgekehrt. Dies in unterschiedlichster Stückelung. Die An- und Verkaufsbeträge gleichen sich durchaus nicht aus, und so trägt die Wechselstube das Risiko von Kursschwankungen. Dies muss vergütet werden. Natürlich will auch das Personal für seine Arbeit am Geld entlohnt werden. Nicht zu vergessen, dass es in Kasachstan riskant ist, Bargeld in großen Mengen zu lagern und zu transportieren. Dieses Risiko kann entweder legal oder weniger legal durch Kontakte versichert werden. Oder starke Männer vor der Wechselstube sorgen für Abhilfe. Abgegolten werden muss dies alles ebenso über die Differenz von An- und Verkaufspreis in der Wechselstube.

09/12/05

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