Sie kommen als Austauschstudenten, Freiwillige, Sprachassistenten oder Praktikanten. Was zieht junge Deutsche nach Kasachstan? In einer losen Reihe stellen wir einige von ihnen vor, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Julia Schulz (29) hat Slawistik und Osteuropastudien in Berlin studiert. Als Sprachassistentin des Goethe-Instituts war sie neun Monate lang am Sprachlernzentrum (SLZ) in Pawlodar. Im Interview spricht sie über ihre Arbeit, das Leben in Pawlodar und was einem den letzten Nerv in Kasachstan rauben kann.

Du bist jetzt seit neun Monaten in Kasachstan. Wie war dein erster Eindruck vom Land und von der Stadt Pawlodar? Wie hat sich dieser Eindruck inzwischen verändert?

Julia: Als ich an einem Sonntagmorgen – es war höchstens 8:00 Uhr – im September in Pawlodar ankam und gemeinsam mit meiner Vermieterin durch die menschenleeren Straßen zu meiner Unterkunft lief, hatte ich das Gefühl, dass der Hund hier begraben liegt. Obwohl eigentlich ein paar streunende Hunde die einzigen waren, die schon wach zu sein schienen. Ich war überzeugt, dass es wohl ziemlich langweilig in Pawlodar werden würde. Aber zum Glück hat sich mein Eindruck im Laufe der Zeit sehr verändert.

Ich habe die Stadt besser kennengelernt und gemerkt, dass man hier eigentlich eine ganze Menge unternehmen kann. Außerdem habe ich viele tolle Menschen kennengelernt, die meinen Aufenthalt in Pawlodar zu einem wunderbaren Erlebnis gemacht haben. Kasachstan insgesamt habe ich als ein sehr abwechslungsreiches und überraschendes Land wahrgenommen.

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Dein Einsatz als Sprachassistentin ist gerade eben zu Ende gegangen. Wie sah deine Arbeit am Sprachlernzentrum in Pawlodar aus? Hast du Spaß an der Arbeit gehabt? Wie war der Kontakt zur deutschen Minderheit und welche Projekte habt ihr gemeinsam umgesetzt?

Die Arbeit am SLZ hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich unterrichtete einen eigenen Kurs (B1-B2) und besuchte die Kurse meiner Kolleginnen für landeskundliche Einheiten. Außerdem zeigte ich regelmäßig deutsche Filme. Darüber hinaus bestand meine Arbeit auch darin, die „Wiedergeburt“ in Pawlodar zu besuchen. Mit den Teilnehmern der Sprachkurse sprach ich beispielsweise über deutsche Festtage, Bräuche und Traditionen oder berichtete über das Bildungssystem in Deutschland.

Der Kontakt zu so vielen ganz unterschiedlichen Menschen ist das wahrscheinlich Spannendste an der Arbeit als Sprachassistentin. Als gemeinsames Projekt mit den anderen Sprachassistentinnen aus Kasachstan und Kirgistan organisierten wir in verschiedenen Orten der beiden Länder Workshops zum Thema deutsche Popmusik. Im Mai fand das Projekt seinen Abschluss in Form eines zweitägigen Workshops für Jugendliche aus allen Teilen Kasachstans und Kirgisistans. Für mich war der Workshop auf jeden Fall ein Highlight in der Projektarbeit.

Welche Pläne hast du nach deiner Zeit am SLZ in Pawlodar?

Ich mache momentan eine Online-Fortbildung in „Deutsch als Fremdsprache“ und könnte mir vorstellen, auch in Zukunft in diesem Bereich zu arbeiten. Im Sommer werde ich in Deutschland zwei Sprachakademien für Jugendliche aus Russland und der Ukraine als Deutschlehrerin begleiten.

Willst du irgendwann nach Kasachstan zurückkehren, für Reisen oder vielleicht sogar aus beruflichen Gründen?

Auf jeden Fall! Kasachstan gefällt mir wirklich sehr. Ich bin begeistert von der Natur des Landes und von der Herzlichkeit der Menschen. Während meiner Zeit hier konnte ich zwar schon einige Orte des Landes besuchen, aber bei Weitem noch nicht alles, was mich interessiert. Im Westen des Landes war ich beispielsweise gar nicht. Ich hoffe also, dass ich in Zukunft die Möglichkeit haben werde, Kasachstan erneut zu besuchen, sei es privat oder beruflich.

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Was war dein schrecklichstes und dein schönstes Erlebnis während deiner Zeit in Kasachstan?

Ein wirklich schreckliches Erlebnis hatte ich eigentlich nicht, es sind eher die kleinen Dinge des Alltags, die einem manchmal die Nerven rauben, zum Beispiel, wenn man bei eisiger Kälte ewig auf die Marschrutka warten muss oder es mal wieder tagelang nur kaltes Wasser gibt. Und auch auf ein schönstes Erlebnis möchte ich mich nicht festlegen. Aber ich werde sicher nicht vergessen, wie freundlich ich hier überall aufgenommen wurde. Auch die langen Zugfahrten und den Blick auf die scheinbar unendliche Steppe, sowie die Gespräche mit den Mitreisenden werden mir noch lange im Gedächtnis bleiben.

Wie ist dein Fazit? Kasachstan: Daumen hoch oder runter?

Daumen hoch! Natürlich gab es in den letzten neun Monaten auch den ein oder anderen Moment, in dem ich von bestimmten Dingen genervt oder erschöpft war. Aber meine Entscheidung, nach Kasachstan zu kommen, habe ich nie bereut. Ich habe so viele wunderbare Menschen kennengelernt, neue Freunde gefunden und auch an mir selbst einige neue Seiten entdeckt.

Das Interview führte Philipp Dippl.

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