Unseren Kolumnisten hat die Liebe nach Kasachstan verschlagen. Nun lebt er als deutscher Expat in Almaty. Jede Woche schreibt er über seine Erlebnisse und Beobachtungen in der Apfelstadt. Kürzlich war er in der in der Bierfabrik Nr. 1 in Almaty, in der angeblich Deutschlands bestes Bier gebraut wird.

Deutschland gilt als das Land des Bieres. Und das, obwohl bei unseren Nachbarn in Tschechien in Wahrheit viel mehr Bier getrunken wird und das belgische Bier inzwischen gar zum Weltkulturerbe zählt. Ich trinke trotzdem gerne Bier, in diesem Punkt erfülle ich das deutsche Klischee vollkommen.

Bier ist in der Tat ein großer Teil deutscher Kultur. Ich als leidenschaftlicher Biertrinker und Kenner der Bierkultur dies- und jenseits des Weißwurstäquators kann es nicht verstehen, wenn mir ein Lagerbier im Hefeweizenglas gebracht wird, so wie es hier in Kasachstan häufig passiert. Dass die armen Damen ihr Bier generell mit Strohhalm bekommen, treibt mir ebenso die Tränen in die Augen. Auf Bier mit Strohhalm verzichte ich lieber. Aber dies sind die kleinen Feinheiten des gehobenen und gekonnten Biertrinkens, auf die es ankommt.

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Obwohl ich gelegentlich deutsches Bier vermisse, habe ich mich an die verschiedenen kasachischen Biersorten inzwischen gewöhnt. Egal, wo ich gerade bin, bevorzuge ich immer das örtliche Bier. Auch eine Form des Reisens und des Kulturaustausches. Um etwas mehr über kasachisches Bier zu erfahren, habe ich in der vergangenen Woche an einer Brauereiführung teilgenommen. Unsere Exkursion führte uns in die „Bierfabrik Nummer 1“ in Almaty.

Die Almatyner Bierfabrik Nr. 1 hat eine lange Geschichte, die bis in die Zeit zurückreicht, als die Stadt noch Werny hieß und unter dem Protektorat des russischen Zarenreichs stand. Die Bierfabrik war der erste Industriebetrieb des noch jungen Städtchens. Das hier nach ukrainischer Rezeptur gebraute Bier gewann schnell an Popularität, hatte es doch durch das frische, klare Bergwasser aus dem Alataugebirge eine ausgezeichnete Qualität. Die Fabrik erlebte nach den Jahren der Revolution und während der Sowjetunion eine höchst wechselvolle Geschichte, bis die historischen Brauhallen in den 1990er Jahren einer breiten Autobahntrasse weichen mussten. Ausländische Investoren verhalfen zum Neustart und seitdem befindet sich die Bierfabrik Nr. 1 in einem brandneuen, futuristischen Gebäude etwas außerhalb der Stadt.

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Wie ich während der Führung erfuhr, werden hier neben ein paar kasachischen Biersorten auch diverse ausländische Marken in Lizenz gebraut und auf dem gesamten zentralasiatischen Markt sowie in Teilen Zentral- und Ostrusslands vermarktet. Dazu gehört auch, man mag es kaum glauben, „Germany´s Beer Number 1“, wie es hier beworben wird, das bekannte Billigbier Oettinger. In der Tat handelt es sich aber lediglich um eine Markenlizenz und man kann davon ausgehen, das zwischen dem deutschen und dem kasachischem Oettinger geschmackliche Welten liegen. Schon das Brauwasser aus den Bergen, welches großen Einfluss auf den Geschmack hat, macht hier den Unterschied. Oettinger hat es hier in Kasachstan gar als Schankbier in einige Kneipen und Bars geschafft. In Deutschland wäre das undenkbar.

Die eigentliche Überraschung wartet allerdings in den heiligen Brauhallen selbst. Die komplette, brandneue Brauanlage, jeder Schlauch und jede Schraube, stammt aus deutscher Produktion. Unser Exkursionsführer erwähnt dabei unablässig und mit gewissem Stolz, wie zuverlässig und effizient die blankgeputzten und blitzenden deutschen Maschinen doch arbeiten. Von der Qualität des hier gebrauten Bieres möchte er uns alle direkt im Anschluss der Besichtigung bei einer Bierverkostung überzeugen.

Wer hätte das gedacht? Tatsächlich steckt in jedem kasachischen Bier deutsche Brautradition und Brauereitechnik! Ich werde daran denken, wenn ich das nächste Mal einen Krug Bier zur Erfrischung in der heißen Steppensonne bestelle. So schmeckt selbst das kasachische Bier doch gleich doppelt gut und ich bin mir gewiss, dass in jedem Schluck ein kleines Stück deutsche Heimat steckt! Prost!

Philipp Dippl

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