Wie viele große Städte kämpft auch Kasachstans größte Metropole, Almaty, mit einer starken Luftverschmutzung. Vor allem in den Wintermonaten liegt eine graue Glocke über der Stadt. In den Sommermonaten dagegen ist es wochenlang unerträglich heiß. Doch es gibt eine Möglichkeit, zumindest am Wochenende dieser Luft zu entfliehen: die Tienschan-Berge, zu deren Füßen die Millionenstadt liegt.

In diesem Artikel werden fünf Wanderwege vorgestellt, die inklusive Hin- und Rückfahrt aus Almaty an einem Tag zu schaffen sind. Sie sind der Schwierigkeit nach geordnet und beginnen mit der leichtesten Route.

Route 1: Lesnaya Skazka/Oi QaragayRoute 1: Lesnaya Skazka/Oi Qaragay

Strecke: 9km, Schwierigkeit: leicht, Dauer: 3-4 Stunden, Aufstieg: 530m

Der russische Name „Lesnaya Skazka“ bedeutet Waldmärchen, und er ist keinesfalls übertrieben. Von den hier beschriebenen Wanderungen muss für Lesnaya Skazka die längste Hin- und Rückfahrt mit dem Bus 210 eingeplant werden, der am Sportpalast in der Nähe der U-Bahnstation „Baiqonur“ abfährt und eine bis anderthalb Stunden braucht.

Von der Endhaltestelle läuft man, weiter der Straße folgend, nach Süden in die Berge hinein. Die meiste Zeit wird man von dichten Tannen geschützt, bis es etwas bergauf geht und sich die Bäume lichten. Hier eröffnen sich weite Blicke auf die Umgebung. Almaty liegt relativ weit entfernt, sodass man nur einen kleinen Teil der Stadt sehen kann. Vom höchsten Punkt auf etwa 2.160m geht es zurück nach Norden über einen Bergkamm. Die Bäume werden wieder dichter, bis man schließlich auf eine Hängematte trifft. Ab dort fahren die Lifte des Skiresorts „Oi Qaragay“. Um zurück zum Bus 210 zu kommen, sollte man den Lift „Jer-Su“ nehmen (fährt von 10-19 Uhr, abwärts kostenlos).

Lesnaya Skazka ist geeignet für diejenigen, die eine ruhige, etwas leichtere und dennoch landschaftlich schöne Route mit Ausblicken suchen.

Route 2: Großer Almatiner See/Ülken Almaty Köli

Route 2: Großer Almatiner See/Ülken Almaty Köli

Strecke: 10km, Schwierigkeit: mittel, Dauer: 5-6 Stunden, Aufstieg: 700m

Unter russischsprachigen Almatinern als „BAO“ bekannt, ist dieser Stausee ein Juwel des Ile-Alatau-Nationalparks. Ursprünglich durch ein Erdbeben entstanden, dient er heute der Trinkwasserversorgung. Der Startpunkt der Route ist etwas schwieriger zu erreichen: Vom Park des Ersten Präsidenten fährt der Bus Nr. 28 bis zur Siedlung Alma-Arasan. Von dort muss man links der Straße durch das Tal des Großen Almatiner Flusses folgen, der aus dem BAO entspringt. Taxis bis zur Straßensperre sind selbst im Winter verfügbar, allerdings variieren die Preise je nach Wetter und Verhandlungsgeschick. Mehr als 4.000 Tenge (ca. 8 €) pro Auto sollte man jedoch selbst bei vereisten Straßen nicht zahlen.

An der Sperre angekommen, folgt man der Straße zu Fuß für einige hundert Meter, bis man sich entscheiden muss: für den steilen, kürzeren Weg neben der überdimensionalen Wasserleitung oder den langen Weg über die Straße. Im Winter kann der steile Weg beschwerlich und rutschig sein. Durch die ständige Nähe der Straße oder der Leitung kommt zwar kein richtiges Wildnisgefühl auf, doch der Hauptgrund für die Empfehlung dieser Route ist das Ziel: der türkisgrüne BAO, wunderschön gelegen zwischen den Gipfeln der Räte (4.317m), Ozyorny (4.110m) und Tourist (3.954m).

Folgt man der Straße nach rechts Richtung Observatorium, gibt es die schönsten Ausblicke über den See und auch eine kleine Hütte zum Picknicken. Von der Hütte führt ein Pfad hinunter ans Ufer des Sees, wo man schöne Fotos für die Daheimgebliebenen machen kann. Dann geht es zurück auf demselben Weg, oder man variiert den letzten Teil und nimmt statt dem Rohr die Straße oder umgekehrt.

Der BAO ist für alle Seenliebhaber empfehlenswert. BAO ist etwas schwieriger als Route 1 und am See sind auch etwas mehr Menschen als in Lesnaya Skazka. Der Ausblick über den See ist jedoch die Mühen wirklich wert.

Route 3: Butakowski-Wasserfall

Route 3: Butakowski-Wasserfall

Strecke: 13km, Schwierigkeit: mittel, Dauer: 6-7 Stunden, Aufstieg: 890m

Den Butakowski-Wasserfall kann man auf mehreren Wegen erreichen. Der einfachere Weg ist, mit dem Bus 29P bis zum Ekopost zu fahren und dann der Straße flussaufwärts zu folgen. Hier soll es aber um die schönere Route gehen, die an der Eislaufbahn Medeo beginnt. Medeo erreicht man am besten mit dem Bus Nr. 12. Da es ein beliebtes Ausflugsziel ist, ist dieser Bus besonders morgens sehr voll. Von der Endhaltestelle läuft man die Straße ein bisschen zurück bergab, biegt dann rechts ab, kurz darauf wieder links und folgt dann der Straße, die durch die Kimasar-Schlucht führt.

Für den Eintritt in den Nationalpark sind an einer Wachthütte 500-600 KZT zu zahlen. Kurze Zeit später kommt man an eine kleine Ansammlung von Häusern, an denen man links dem Schild Richtung Butakowski-Wasserfall folgt. Von hier aus geht es relativ steil bergauf. Die Landschaft ist hier wunderschön, der Höhepunkt ist ein Buchenhain. Unter dem Gipfel des Serkebay erreicht man eine Wegkreuzung, folgt jedoch geradeaus dem Weg und steigt nun in ein anderes Tal hinab.

Der Abstieg ist noch steiler als der Aufstieg. Das sich bietende Panorama lädt immer wieder zum Verweilen ein. Es gibt auch mehrere kleine Möglichkeiten, um Schutz zu suchen oder zu picknicken. Weiter unten erreicht man dann die Butakowski-Schlucht an der Stelle, wo die Straße durch die Schlucht endet. Das heißt: Hier kann es richtig voll werden, denn viele Almatiner fahren mit dem Auto bis hier hoch, um zu schaukeln, zu zelten und die Bergluft zu genießen. Ein Vorteil ist, dass es hier kleine Geschäfte gibt, die Getränke und Essen verkaufen.

Geht man jedoch das Tal hinauf, so werden die Menschen wieder weniger und weniger. Das letzte Stück zum Wasserfall ist nicht sehr gut ausgeschildert, man muss links durch eine kleine Senke und dann steil hinauf bis zum Wasserfall. Zum Zeitpunkt unserer Wanderung im Juni war das letzte Stück mit Schnee und Eis bedeckt – wahrscheinlich von einer Lawine –, und man musste darüber klettern. Der Wasserfall ist ca. 20m hoch und im Winter gefroren. Im Hochsommer, wenn die Schneeschmelze auf ihrem Höhepunkt ist, trägt er am meisten Wasser talabwärts.

Für den Rückweg gibt es ebenfalls mehrere Varianten: Variante 1 geht zurück zum Parkplatz und dann geradeaus weiter die Straße flussabwärts bis zur Haltestelle der 29P. Das ist der einfachste Weg. Variante 2 wäre, den Hinweg wieder zurückzugehen. Diese Variante ist anstrengender, aber schöner als Nummer 1. Variante 3 ist, den Hinweg wieder zurückzugehen, aber dann an der Wegkreuzung unter dem Gipfel des Serkebay (2.170m) nicht geradeaus, sondern rechts, weiter bergauf zu gehen.

Kurz vor dem Gipfel steht ein riesiger, stehen gelassener Panzer. Hier trifft man des Öfteren auf Pferde, die teilweise leider mit Ketten die Beine zusammengebunden bekommen haben. Variante 3 ist die schönste, weil sich vom Serkebay und dem Abstieg zurück Richtung Medeo wunderschöne Ausblicke auf den Gipfel des Kumbel eröffnen. Man folgt einem Grat, rechts gibt es Bäume und dichte Vegetation, sodass Almaty nicht sichtbar ist, während das Bergpanorama auf der linken Seite keine Wünsche offenlässt. Variante 3 hat etwas über 100m mehr Aufstieg und 1,5 km mehr Strecke als die unter der Unterschrift angegebenen Daten.

Diese Route eignet sich für etwas fortgeschrittenere Wanderinnen und Wanderer, die Wasserfälle und Birken mögen. Die vielen Möglichkeiten zur Verkürzung oder Verlängerung lassen zu, dass man die Route spontan den Gegebenheiten anpassen kann.

Route 4: Kimasar-Schlucht und Furmanov-Gipfel

Route 4: Kimasar-Schlucht und Furmanov-Gipfel

Strecke: 14,6km, Schwierigkeit: schwierig, Dauer: 7-8 Stunden, Aufstieg: 1.340m

Wer sich gefragt hat, wann die richtigen Bergwanderungen kommen, der soll jetzt auf seine Kosten kommen. Der Furmanov-Gipfel ist ein waschechter Dreitausender und ihn zu bezwingen erfordert schon ein bisschen Ausdauer und Willenskraft. Die Anfahrt ist die gleiche wie für Route 3. Auch der Weg folgt zunächst der Kimasar-Schlucht, allerdings geht man bei der kleinen Ansammlung an Häusern nicht links, sondern geradeaus und folgt dem Bach immer weiter, bis man auf einem weiten Feld auf eine Wegkreuzung stößt, an der man links steil nach oben geht. Oben ist eine weitere Kreuzung, an der man sich wieder rechts hält, sodass man immer weiter Richtung Furmanov-Gipfel geht, der bereits früh sichtbar ist und majestätisch über der Schlucht thront.

Ab hier wird es teilweise sehr steil und anspruchsvoll. Rechterhand ist die Kimasar-Schlucht, dahinter sieht man die Berge des Tienschan in die Ebene abfallen. Auch Almaty ist gut sichtbar, wenn keine zu dichte graue Wolke aus Smog über dem Kessel hängt. Etwas 500 Höhenmeter über dem Gipfel erreicht man eine Schaukel, die sich bestens zum Ausblick genießen und zum Fotos machen eignet.

Der Furmanov ist jetzt in greifbarer Nähe und dennoch steht noch ein steiler Aufstieg bevor. Wer den Gipfel (3.053m) erreicht hat, sieht geradeaus, dass es noch einen höheren Gipfel gibt: den Panorama (3.260m). Und wer den Panorama erreicht hat, sieht den Baschuta (3.355m). Und vom Baschuta sieht man den Shymbulak (3.450m). Spaß beiseite, diese Gipfel befinden sich zwar alle in enger Nachbarschaft aufgereiht wie auf einer Perlenschnur, aber schon den Furmanov zu erreichen braucht seine Zeit und Mühen.

Den Shymbulak kann man auch gut beim Skifahren bewundern, wenn man von Medeo aus alle drei Lifte bis zur höchsten Station auf 3200m nimmt. Diesen Lift könnte man natürlich auch für den Weg hinunter benutzen. Die oben angegebenen Daten gelten für den Aufstieg zum Furmanov und dann den gleichen Weg zurück.

Die Umgebung des Furmanov und des Shymbulak ist wahres Hochgebirge mit schneebedeckten Gipfeln. Hier steht kein Baum mehr, es ist karg und unwirtlich. Sollte es zu Unwettern kommen, ist man hier den Naturgewalten ausgesetzt. Es empfiehlt sich also, den Wetterbericht anzuschauen, gutes Schuhwerk zu tragen und ausreichend Essen und Trinken mitzubringen.

Diese Route ist für Bergliebhaber, die Herausforderungen lieben. Für echte Bergsteiger ist der Furmanov zwar einfach, für durchschnittliche Wanderer aber nicht. Route 4 ist für diejenigen, die hoch hinaus wollen und die Hochgebirgserfahrung suchen.

Route 5: Kok Zhailau, die drei Brüder und der gute Kumbel

Route 5: Kok Zhailau, die drei Brüder und der gute Kumbel

Strecke: 19,6km, Schwierigkeit: schwierig, Dauer: 7-9 Stunden, Aufstieg: 1.710m

Der Kumbel ist ein echtes Abenteuer und mein persönlicher Liebling bisher. Auch den Startpunkt dieser Route erreicht man am besten mit dem Bus Nr. 12 bis Akbulak (zwei Stationen vor der Medeo Eislaufbahn). Von der Haltestelle muss man die Straße wenige Meter zurück gehen, dann links in eine kleinere Straße abbiegen und nochmal links bergauf abbiegen.

Ab dann hält man sich rechts, bis man an ein Schild kommt, das verrät: 4km bis Kok Zhailau, 6km bis zu den drei Brüdern und 8km bis auf den Kumbel. Kurz hinter dem Schild hat man die Wahl, links die steile Treppe oder rechts einen etwas sanfteren Weg zu nehmen. Die meisten der Gruppen gehen die Treppe. Dieser Abschnitt ist steil, erreicht man jedoch das Ende der Treppe, wird es langsam ebener und einfacher und die ersten fantastischen Ausblicke auf Almaty eröffnen sich.

Kok Zhailau, die grüne Weide, erreicht man nach etwa anderthalb Stunden. Hier gibt es dreieckige Schutzhütten, Pferde, ein paar schattenspendende Tannen, aber die Höhepunkte sind die grüne Weide an sich, die zum Verweilen einlädt und der kleine Wasserfall, der in 200m Entfernung zur Abkühlung dienen kann. Denn ab hier folgt der steilste Teil dieses Wanderwegs: der Aufstieg zu den drei Brüdern (Üsh agayindi), drei schroffen Felsen, die man kurz vor Erreichen erblickt und erleichtert aufatmen kann.

Ab hier ist man auch wirklich angekommen auf dem Dach der Welt: Sogar im Hochsommer gibt es hier Schneefelder, die Bäume haben sich zurückgezogen, und abgesehen von Gras und Steinen gibt es nicht viel außer den Ausblicken in die wunderschöne Ferne: Schneeriesen mit über 4000m Höhe, schroffe Grate, weite Täler und, immer sichtbar, die Metropole Almaty im Rücken. Sogar der 372m hohe Fernsehturm Koktöbe, der von Almaty aus gesehen in den Himmel ragt, sieht vom Kumbel aus wie ein Miniaturgebäude.

Der letzte Aufstieg ist vergleichsweise einfach und das Bergpanorama einfach atemberaubend. Der Gipfel an sich ist nicht spektakulärer als der Weg davor oder danach. Ab hier gibt es mehrere Optionen: Die etwas kürzere ist der direkte Weg zurück. Von Kok Zhailau könnte man auch erst rechts, dann direkt links abbiegen und würde im Almatiner Stadtteil Observatoria landen, in dem der Bus Nr. 5 fährt.

Die schönste und hier berechnete Variante führt jedoch weiter in Richtung Berge bis zum Trapez-Pass, wo es scharf nach links und in das Tal des Kuygensay geht. Das Tal ist zunächst geprägt durch den Bergfluss und grüne Wiesen an den Bergflanken. An den Gorelnik-Wasserfällen geht es steil hinunter. Langsam gibt es wieder die hier typischen Tannen. Weiter unten folgen auch große Blumenwiesen und -felder.

Ab und an muss man den Fluss überqueren und aufpassen, sich die Füße nicht zu nass zu machen. Dann geht man immer wieder an knorrigen Wurzeln vorbei, die dem Tal etwas Mystisches verleihen. Irgendwann wird es lauter und man sieht den Skiort Shymbulak auf der rechten Seite, die Straße wird sichtbar und wieder geht es steil nach unten. Zurück in der Zivilisation muss man jetzt den Wegen talabwärts Richtung Medeo folgen. Die steile Treppe oberhalb der Eislaufbahn bietet zwar einen letzten schönen Blick, fordert aber auch die letzten Reserven dieser strapaziösen Route.

Diese Route ist nur etwas für Menschen mit Ausdauer und Durchhaltevermögen. Besonders der Aufstieg zu den drei Brüdern hat es in sich. Auch hier ist es wichtig, genügend Wasservorräte mitzunehmen, auch wenn man an mehreren Stellen Wasser auffüllen kann, zum Beispiel am Wasserfall bei Kok Zhailau und auch im Kuygensay-Tal.

Das waren die Top 5 der Wanderwege rund um Almaty. Eigentlich ist es überall wunderschön, wenn man die Straßen hinter sich lässt und tief in die Natur vordringt.

Lukas Grebenstein

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1 Kommentar

  1. Danke für diesen Artikel Herr Grevenstein!
    Sie haben ein gutes Gespür was den Menschen gefällt und treffen immer den Zahn der Zeit.
    Ihre Veröffentlichungen haben zumeist Biss und sind gerade ob der fantastischen Fotos eine Augenweide.
    Bisher habe ich auch noch keinen haarsträubende Fehler gesehen und habe auch nicht das Gefühl, das Sie ihre Leserschaft an der Nase herumführen möchten.
    Zudem ist das Pamphlet weder engstirnig noch hochnäsig.
    Meine Mundwinkel sind nun definitiv leicht nach oben gewandert, nicht nur aufgrund der an den Haaren herbeigezogenen Gesichtsvergleiche meinerseits sondern auch aufgrund der schöpferischen Kraft Ihrer Hände in Kombination mit Ihrem Geiste.
    In diesem Sinne: Weiter so!
    Ich vergebe 7 von 8 Kamelmilchkaffees.

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