Kasachstan durchlebt zurzeit keine einfache Phase. Dies trifft auch auf andere erdölexportierende Staaten zu. Doch kommen hier noch andere, hausgemachte Faktoren hinzu: Nicht nur die niedrigen Ölpreise an den internationalen Rohstoffbörsen, die am 22. Juni 2015 von der EU verlängerten Wirtschafts– und insbesondere Finanzsanktionen gegen den wichtigen wirtschaftspolitischen Partner Russland sowie ein ökonomisch schwächer gewordenes China.
Der kasachische Bankensektor wurde nicht restrukturiert, die Diversifikation der Wirtschaft sowie das kleine und mittlere Unternehmertum (KMU) wurden offensichtlich nicht ausreichend vorangetrieben sowie die Schuldenfrage mit der Bundesrepublik nicht geklärt, was sich negativ auf die Euler Hermes Kreditversicherung* auswirkt. Das kasachische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs 2014 um 4,3 Prozent, für 2015 rechnet man mit 1,5 Prozent. Die Erschließung des Kaschagan-Ölfeldes wurde mehrfach verschoben. Es ist fraglich, ob der für 2016 terminierte Förderbeginn eingehalten wird. Rentabel ist dies zurzeit wohl nicht.
Auch die Rohstoff– und Modernisierungspartnerschaft zwischen der Bundesrepublik und Kasachstan hat sich eingetrübt. 2014 beliefen sich die deutschen Exporte nach Kasachstan auf 1,7 Milliarden Euro, der kasachische Export nach Deutschland lag bei 4,4 Milliarden Euro. 2014 lieferte Kasachstan 6,8 Millionen Tonnen Erdöl in die Bundesrepublik und lag damit an fünfter Stelle der Lieferanten. Astana war schon mal die Nummer drei. Es bleibt abzuwarten, ob die EXPO-2017 neue Akzente setzen und Investitionen im Land generieren kann.
Der Konjunktureinbruch soll durch das auf Infrastrukturinvestitionen zielende und durch den Nationalfonds finanzierte Wirtschaftsprogramm (Nurly Zhol) verhindert werden. Zentralbank, Wirtschaftsministerium und Nationalfonds wollen in Währungs– und Wirtschaftsfragen noch enger zusammenarbeiten und ihre Schritte wie z.B. die Wechselkursfreigabe des Tenge koordinieren. Die Landeswährung schwächelt. Ob und wann der Ölpreis sich wieder erholt, ist ebenso ungewiss wie die Situation in der Ukraine oder im lang unterschätzten Syrienkonflikt. Sollten die westlichen Sanktionen gegen Teheran aufgehoben werden und iranisches Erdöl auf die Märkte gelangen, würde dies die Lage verschärfen. Kasachstan kann hier nur reagieren, auf Zeit spielen, Ausgaben kürzen, den Haushalt umschichten sowie laufende Projekte herunterfahren oder einfrieren.
* Weltgrößte Kreditversicherungsanstalt, spezialisiert auf Exportkredite (Anm. d. Red.)
Konstantin Dallibor schreibt als freier Mitarbeiter für die Deutsche Allgemeine Zeitung, die Moskauer Deutsche Zeitung, Russland Aktuell und Kazakhstan Monitor. In Frankfurt war er mehrfach für das Frankfurter IHK Wirtschaftsforum tätig.
Kasachisch-deutsche Fachkompetenz erlangte er als jahrelanger Fachbesucher des Astana Economic Forums sowie zahlreicher Veranstaltungen rund um Kasachstan, Russland und Ukraine. Derzeit arbeitet er in Frankfurt am Main als Consultant für ein Wirtschaftsförderungsunternehmen.