Jetzt ist sie vorbei – die Fußball Weltmeisterschaft. Und wir fallen in ein Loch. Wochenlang Tamtam und Aufregung. Tränen, Jubel, Ärger, Freundschaft, Grillwürste und Bier. Wir hatten alle etwas zu tun. Und etwas, das unsere Aufmerksamkeit und Gefühle gefesselt hat.

Und etwas, worüber wir reden konnten. Und zwar jeder mit jedem. Überall. Und es war richtig schön. Es gab kaum Ausschreitungen und Konflikte. Fair sollte es zugehen. Und das tat es auch. Meine italienischen Nachbarn freuten sich mit mir über den dritten Platz des deutschen Teams. Und ich freue mich mit ihnen über ihren Weltmeistertitel. Gegenseitig klopfen wir uns auf die Schulter und sagen: Habt ihr verdient! Gut gemacht! Ist das nicht schön?

Dies kommt uns dieser Tage alles sehr wichtig vor. Denn vor lauter Fußball sind all die Sorgen und Nöte des Alltags und der Welt in Vergessenheit geraten. Was auch mal gut getan hat. Aber man kann nicht sein ganzes Leben lang feiern und jetzt wird es auch wieder höchste Zeit, sich um das Weltgeschehen zu kümmern. Aber erst morgen. Oder übermorgen. Heute sitzen wir noch in dem großen Loch des „danach“. Und weil wir uns zwar bald wieder mit dem „richtigen“ Leben auseinandersetzen, aber nicht ganz auf den Fußball verzichten wollen, hat meine Freundin beschlossen, sie wird jetzt Fußball-Fan. Erst war sie ja gar nicht so fußballversessen. Dann schaute sie hin und wieder mal ein Spiel an und immer öfter saß sie vor dem Fernseher. Bis zur nächsten WM so ganz ohne Fußball, das kann sie nicht aushalten. Nun sucht sie sich eine Fußballmannschaft, mit der sie mitfiebern kann. Da sie eine Frau ist, wählt sie einen Verein mit schönen Trikots. Und natürlich muss es die erste Liga sein. Borussia Dortmund hat die Wahl gewonnen. Das darf man natürlich keinem Mann erzählen. Im Fußball gab es nur eine Trennung – zwischen den Geschlechtern. Die Nationen waren sich hingegen einig. Wir Frauen verstehen nicht, was Abseits ist. Ist aber auch egal, Hauptsache, die Spieler sind nett und fair und sehen auch noch gut aus. Wenn jemand verletzt wird, leiden wir mit. Darin sind wir uns einig, wir Frauen – ob aus Afrika, Asien oder Europa. Alle Männer ereifern sich, wenn jemand nach einem Foul zu lange am Boden lieben bleibt. Ganz schlimm finden sie, wenn sich jemand mit der Bahre vom Platz tragen lässt. Darin sind sich die Männer einig – ob aus Afrika, Asien oder Europa. Und da zeigt uns der Fußball wieder: Es geht nicht. Frauen und Männer können sich einfach nicht verstehen. Aber es geht. Unterschiedliche Kulturen können sich einig werden. Und was kommt jetzt nach der WM? Wie lange hält sich die Stimmung? Ich fürchte, nicht allzu lange. Da muss sich doch noch etwas anderes finden lassen, das uns einigt. Naturkatastrophen schaffen das. Aber es muss auch noch etwas zwischen Fußball und Naturkatas-trophen geben. Auch etwas, das nicht nur alle vier Jahre und nur an ausgewählten Orten stattfindet. Da fällt mir ehrlich gesagt wenig ein. Wir brauchen einfach mehr Fußballturniere – kleine, große, mittlere. Das ganze Jahr über. Und an möglichst vielen Orten. Und wenn wir am Ende alle nicht nur zuschauen, sondern mitspielen, dann steht dem Weltfrieden eigentlich nichts mehr im Wege.

Von Julia Siebert

14/07/06

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