Die Kommentatoren der Tagespresse beschäftigen sich mit der Einigung zwischen dem ukrainischen Präsidenten Juschtschenko und seinem langjährigen Widersacher Janukowitsch.

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

„Es stößt (…) bitter auf, wenn der Wahlfälscher von 2004 als Ministerpräsident der Ukraine rehabilitiert wird. Aber nach vier Monaten politischer Krise und Stillstand ging es nicht mehr um Revolutionsromantik oder um demokratische Hygiene – für das große osteuropäische Land stand mehr auf dem Spiel. Die Verbindung, die Präsident Juschtschenko mit seinem ehemaligen Rivalen Janukowitsch eingeht – eine Art große Koalition – , ist vermutlich die einzige, mit der die Lähmung (…) der Ukraine überwunden werden kann.”

TAZ (Berlin)

„Für viele Ukrainer dürfte die jüngste Entscheidung ihres Präsidenten einem Horrorszenario gleichkommen. Dennoch gibt es eine Anzahl von Gründen, für die Zukunft des Landes nicht nur schwarz anstatt orange zu sehen. (…) Die Pressefreiheit ist für die Ukrainer eine wichtige Erfahrung und im Vergleich zu den anderen ehemaligen Sowjetrepubliken keineswegs selbstverständlich. Das Gleiche gilt für die Koalitionsverhandlungen – ein Phänomen, das beispielsweise in Russland und Weißrussland bislang unbekannt ist.”

TAGESSPIEGEL(Berlin)

„Es ist eine bittere Ironie, daß nun ausgerechnet Janukowitsch dazu verdammt sein wird, den Weg der Revolution fortzuführen. (…) Doch an den Zielen der Revolution wird er in Grundzügen festhalten müssen, dazu hat er sich verpflichtet, daran ist er gebunden. Im Wahlkampf hat er gezeigt, daß er durchsetzungsfähig ist, anders als der Zauderer Juschtschenko.”

NORDKURIER (Neubrandenburg)

„Beide, Juschtschenko als Präsident und Janukowitsch als neuer Regierungschef, stehen nicht für eine homogene Politik, siehe die strittige Frage eines NATO-Beitritts. Weiter getrennt, würden sie sich jedoch blockieren. Indem sie nun den Versuch einer Art friedlicher Koexistenz an der Staatsspitze unternehmen, geben sie Kiew die Chance, die Lähmung der Gesellschaft und der Reformpolitik zu überwinden.”

MAIN-ECHO (Aschaffenburg)

„Natürlich reden ukrainische Politiker jetzt von den Zwängen der Demokratie. Ebenso natürlich ist Politik nicht nur in Kiew kein durchweg schönes Geschäft. Dennoch wurden die Hoffnungen von zahllosen Menschen auch im Ausland selten so verhöhnt.”

CORRIERE DELLA SERA (Rom)

„Die Ukraine wird sich weiter der EU annähern (auch wenn in Europa niemand von einem Beitritt in naher Zukunft spricht) und auch in Richtung NATO blicken. … Und es wird eine starke Wiederannäherung an Moskau geben, und dies besonders hinsichtlich wirtschaftlicher Zusammenarbeit.”

DERNIERES NOUVELLES D’ALSACE

„Europa hat in der Tat bis auf ein paar begeisterte Äußerungen nicht viel dazu getan, um sie endgültig im Westen zu verankern. Vielleicht ist Europa selbst über diesen Ausgang erleichtert, der eine Bewerbung auf EU-Mitgliedschaft in weite Ferne rückt, die keine grossen Emotionen birgt. Neue Unruhen sind nicht auszuschließen. Eine Kompromissregierung zwischen zwei diametral entgegengesetzten Politikern erzeugt in erster Linie Unzufriedene.”

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