Frauenrechte und Gleichstellung der Geschlechter – das sind nicht nur in den sozialen Netzwerken beliebte Themen. Es sind ernsthafte globale Probleme, die in vielen Ländern der Welt existieren. Im Gespräch mit der DAZ widmet sich die Politikerin Elisabeth Dusdal – Leiterin der Organisation „Frauen Union Oberberg“ in NRW – der Lage von Frauen in Deutschland und Zentralasien.

Frau Dusdal, wie stehen Sie zum Prinzip der drei „k“: „Kinder, Küche, Kirche“? Sind Sie eine Feministin?

Die Aussage „Kinder, Küche und Kirche“ ist ja schon eine sehr „traditionelle“ Aussage. Ich würde sogar sagen, eher „altbacken“. Wobei ich zurzeit beobachte, dass sie tatsächlich auf eine kleine Gruppe von jungen Frauen einen gewissen Reiz ausübt. Für mich ist das dagegen einfach unvorstellbar. So gerne ich meine Familie um mich habe und sie in vollen Zügen genieße, so gerne liebe ich auch meine Unabhängigkeit: ein erfülltes Berufsleben, Hobbys und Ehrenamt. Ob ich dadurch eine Feministin bin, ist Interpretationssache. Im Jahr 2023 genieße ich es, als Frau meine Freiheiten zu haben, aber auch Grundrechte. Ich darf wählen und gewählt werden, übe meinen Beruf aus und darf mich kleiden, wie ich will. Ich kann alle Entscheidungen für mich unabhängig von meinem Mann treffen. Auch in Deutschland war das nicht immer so, und viele Frauen haben in der Vergangenheit dafür gekämpft. Ich bin dankbar, in einem demokratischen Land zu leben. Und ja, ich kämpfe mit Leidenschaft für mehr Gleichberechtigung und Teilhabe der Frau. Wenn das eine Feministin beschreibt, bin ich gerne eine.

Heute gibt es viele Beispiele dafür, wie Frauen den Lauf der Geschichte, Politik und Wirtschaft verändern. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für die weltweit wachsende Popularität von Politikerinnen?

Die Geschichte und die Gegenwart zeigt uns, dass Frauen sehr gut sind in ihrer Leitungsfunktion, und auch sehr gut Länder durch Krisen führen. Nehmen wir doch Beispiele wie Angela Merkel oder die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin. Ich habe bei Angela Merkel persönlich erlebt, mit welch einer Gelassenheit sie stressige Situationen gemeistert hat, aber sich auch vor Entscheidungen nicht weggeduckt hat. Der Film „Die Unbeugsamen“ zeigt unter anderem auf, was für ein hohes Durchsetzungsvermögen wir Frauen haben. Frauen haben einen anderen Führungsstil, und in vielen Bereichen ist genau dieser Führungsstil gefragt. Wenn Teams gemischt sind, sind sie erfolgreicher. Das ist mittlerweile erprobt.

Wo steht Deutschland heute bei der Gleichstellung der Geschlechter?

Gleiche Teilhabe von Frau und Mann ist noch nicht vollständig in Deutschland angekommen – auch wenn in der Vergangenheit viele Frauen für diese Teilhabe gekämpft haben. Sehr deutlich wird es in den Führungsebenen in Unternehmen; da sind Frauen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Aber auch in der Politik, wenn man sich die Besetzungen von Kreistagen, Landtagen oder den Bundestag anschaut. Die Bevölkerung ist zur Hälfte weiblich, aber in den genannten Bereichen haben wir teilweise um die 30 Prozent Frauenanteil oder weniger. Und das sollten Frauen nicht so hinnehmen. Frauen sind genauso qualifiziert und haben Führungsqualitäten. Und das sollte ausschlaggebend sein. Nicht das Geschlecht, sondern die Eignung sollten zählen! Bei dem Fachkräftemangel, der zurzeit in Deutschland herrscht, kann auf eine gut ausgebildete bzw. qualifizierte Person nicht verzichtet werden. Es ist schlicht und einfach nicht wirtschaftlich.

Kann man argumentieren, dass das „Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ wirklich funktioniert?

Die Frau und ihre Rechte sind in den letzten Jahren schon immens gestärkt worden. Gesetze und Initiativen sind auf den Weg gebracht worden, wie zum Beispiel die Aktionen „NEIN heißt NEIN“ oder die „anonyme Spurensicherung“ nach einer Vergewaltigung – damit der Frau immer noch eine Anzeige ermöglicht wird im Nachhinein. Und die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe ist jetzt sichergestellt. Das sind wichtige Punkte für die Sicherheit einer Frau! Wenn man aber auf die Seite des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben schaut, liest man, dass jede dritte Frau in Deutschland von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen ist. Es gibt ein Hilfetelefon „GEWALT GEGEN FRAUEN 08000116116“ – leider nutzen jedoch nur ungefähr 20 Prozent der betroffenen Frauen ein solches Angebot. Und die Ursachen sind vielschichtig, sie reichen etwa von Scham bis hin zu Angst. Das Thema darf nicht tabuisiert werden und sollte regelmäßig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren.

Wie gleich sind Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland? Warum werden Männer in Europa immer noch besser bezahlt als Frauen?

Ich beobachte mit großem Interesse, dass Frauen in vielen Berufen erfolgreich sind, die früher eher Männern zugeordnet wurden. Und in Schulen werden die MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. Red.) Jungs und Mädchen nähergebracht. Da wird tatsächlich kein Unterschied gemacht. Genauso ist das im Öffentlichem Dienst, wo nach Qualifizierung und Eingruppierung bzw. Bewertung der Stelle bezahlt wird – unabhängig davon, wer gerade die Stelle besetzt. Aber in den Bereichen, wo Frauen ihre Gehälter selber verhandeln, werden sie oft schlechter bezahlt. In diesen Bereichen müssen wir Frauen besser werden, ganz nach dem Motto „Wer nichts verlangt, bekommt auch nichts“. Frauen muss bewusst werden, dass ein gewisser Machtanspruch nichts Negatives ist. Macht kann positiv genutzt und gelenkt werden. Ein anderer Punkt ist, dass Deutschland gar nicht auf die gut ausgebildeten und qualifizierten Frauen verzichten kann. Also muss dringend in vielen Richtungen ein Umdenken stattfinden.

Was sind die Initiativen Ihrer Organisation? Wie müssen Frauenrechte in Deutschland geschützt werden?

Die Frauen Union Oberberg ist eine politische Vereinigung der CDU-Oberberg. Wir vertreten alle Belange und politischen Anliegen in der Partei und gegenüber politischen Entscheidungsgremien. Genauso fördern wir die politische Bildung von Frauen über unterschiedliche Kanäle wie Veranstaltungen, Workshops, Reisen und Soziale Medien. Außerdem beziehen wir Stellung zu politischen Fragen und Entscheidungen. Und wir fordern die Beteiligung von Frauen bei den Wahlen als Kandidatinnen innerhalb der Partei. Die CDU ist auf einem guten Weg, aber diese Transformation muss beschleunigt werden. Wir brauchen viel mehr Frauen mit wichtigen Mandaten, damit die Volkspartei auch das Volk mit seinen individuellen Interessen vertreten kann. Und damit die Frauen gestärkt werden.

Kennen Sie die Statistiken über die Verletzung von Frauenrechten in den Ländern Zentralasiens?

In Zentralasien sind noch einige Länder sehr traditionell geprägt. Eine unabhängige Frau, die sich etwa figurbetont (westlich) kleidet, scheint nicht in das traditionelle Bild zu passen. Dabei ist es spannend zu beobachten, wer regiert, welche Werte das Land lebt und ob es eine tatsächliche Demokratie gibt. Frauenrechte sind leider immer noch nicht in allen Länder auf der Welt eine Selbstverständlichkeit. Aktuell sehen wir auch im Iran oder in Afghanistan, dass einige Länder praktisch keine haben. Oder dass die Länder gar Rückschritte machen bei diesem Thema. Das zeigt, wie wichtig es ist, auch in anderen Ländern für Frauenrechte zu kämpfen.

Planen Sie eine Zusammenarbeit mit kasachischen Organisationen zur Bekämpfung der Geschlechterdiskriminierung?

Diskriminierung oder Benachteiligungen aufgrund eines Geschlechts dürfen einfach im Jahr 2023 nicht mehr passieren. Und das gilt für alle Länder dieser Erde. Mir ist bewusst, dass es vielen Ländern noch viel Arbeit und Aufklärung braucht. Deswegen finde ich das Thema Frauenrechte so wichtig. Einerseits sollten wir Vorbilder sein und aufklären sowie in einer Weise auf die Wichtigkeit dieses Themas hinweisen, dass die folgenden Generationen davon profitieren. Das sind wir unseren Kindern schuldig. Andererseits müssen wir auch den Mut haben, diese Interessen zu vertreten, selbst wenn es unbequem ist. Daher bin ich offen für neue Projekte! Frauen sollten sich viel mehr trauen, einen Machtwillen haben und somit mehr einfordern. Sie sind Individuen und möchten auch so behandelt werden. Karriere und Familie widersprechen sich nicht! Gewalt gegen Frauen muss nahtlos verfolgt und verurteilt werden! Davon profitiert die gesamte Gesellschaft, und das muss der Bevölkerung in allen Ländern bewusst sein.

Vielen Dank für ein sehr wichtiges und interessantes Gespräch.

Interview: Marina Angaldt

Teilen mit: