Zwei Tage lang bildeten sich Deutschlehrer und Kulturmittler aus Kasachstan und anderen angrenzenden Republiken fort. Die jährliche Tagung ist eine beliebte feierliche Tradition, die mittlerweile leider auch mit Zukunftsängsten verbunden ist.

Selten sieht man in Kasachstan so viele Frauen als Besucherinnen von Fachtagungen. Ähnlich wie in Deutschland, ist der Lehrerberuf in Kasachstan immer noch vorzüglich Frauensache. Zumindest was das Fach Deutsch angeht, kann man das mit Sicherheit behaupten. Am vergangenen Wochenende konnte man nämlich einen Großteil dieser Lehrkräfte aus der ganzen Republik in der Aula des Gymnasiums Nr. 18 beim 16. Nationalen Deutschlehrertag Kasachstans in Almaty erblicken.

Gerufen und organisiert haben die Mittlerorganisationen (u.a. Goethe-Institut, DAAD, ZfA) zusammen mit dem Nationalen Deutschlehrerverband Kasachstans und mit Unterstützung des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Almaty; erschienen sind nahezu 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem ganzen Land, vorrangig Pädagogen und Vertreter kulturmittelnder Institutionen. Die insgesamt 35 angebotenen Wahlseminare wurden aktiv besucht und boten Stoff für Diskussionen, Reflexionen und Erfahrungsaustausch. Einen weiteren Programmpunkt bot auch der vom Konsulat ausgerichtete festliche Empfang sowie ein Kulturprogramm von den Kindern der Schule № 18 und der Musikgruppe der Deutsch-Kasachischen Universität.

Schule, Studium, Beruf, Freizeit – Deutschlernen ist breit gefächert. Und damit auch die Funktionalität der Sprache. Es war auch die Generalkonsulin Frau Dr. Renate Schimkoreit, die in Ihrer Begrüßungsrede philosophisch darauf hinwies, dass jegliche Sprache immer als Perspektiverweiterung im Leben fungiert. Das gilt auch für Deutsch: „Längst sind wir darüber hinaus, die deutsche Sprache zu erlernen, um anschließend beispielsweise die deutschen Schriftsteller im Original lesen zu können.“ Sie verweist in ihrem Begrüßungsschreiben im 22. Rundbrief zur Deutschen Sprache in Kasachstan auf die globale Position des Deutschen, als Verkehrssprache und damit auf seine Bedeutung.

„In der Auflistung sogenannter Weltsprachen – insgesamt zwölf – steht Deutsch mit 105 Millionen Muttersprachlern und 185 Millionen Sprechern an 10. Stelle.

Unsere deutsche Sprache gehört zwar nicht zu den offiziellen Amtssprachen der Vereinten Nationen, doch hat sie trotzdem einiges zu bieten:

– Deutsch ist die meistgesprochen Sprache der EU
– Etwa 10% aller weltweit veröffentlichten Bücher sind auf Deutsch
– In den USA steht Deutsch an fünfter Stelle bei den Sprachen, die zu Hause gesprochen werden – hinter Englisch, Spanisch, Chinesisch und Französisch

Seit 2010 steht die aktive Deutschförderung im Zentrum der „Auswärtigen Kultur– und Bildungspolitik“ des deutschen Auswärtigen Amtes. Damit sollen der Zugang zu unseren Bildungs– und Wissenschaftseinrichtungen ermöglicht und internationale Fachkräfte gewonnen werden. Wir wollen ein aktuelles positives Deutschlandbild vermitteln – und sehen diesen Prozess nicht als Einbahnstraße – als „Information“ – sondern vielmehr als Dialog – oder „Kommunikation“ – an.“

Auszug aus dem Vorwort der Generalkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Almaty Dr. Renate Schimkoreit zum Rundbrief Nr. 22 „Deutsch in Kasachstan“

Änderungen der kasachischen Sprachpolitik

DeutschlehrerInnen und Gäste bei Gruppenarbeit und Gedankenaustausch. | Bild: Eldar Zekrist

Schule, Studium, Beruf, Freizeit – Deutschlernen ist breit gefächert. Und damit auch die Funktionalität der Sprache. Die Leiterin des Goethe-Instituts, Barbara Freifrau von Münchhausen sprach bei der Eröffnung dieser Tagung von Fortbildung, Inspiration und Festlichkeit, die zu Anregungen und Aha-Erlebnissen führen sollen. Sie sprach aber auch ganz richtig sinnbildlich davon, dass die meisten in dieser Aula anwesenden Menschen „die Liebe zur Deutschen Sprache“ eint und dass viele von dieser Sprache leben. Sehr eingängige Worte, die man regelrecht wortwörtlich nehmen kann, wenn man bedenkt, dass hinter all den Schullehrern auch immer Existenzen stehen; Existenzen, die durch einige der jüngsten Änderungen der kasachischen Sprachpolitik immer mehr bedroht zu sein scheinen.

Die vom Präsidenten Kasachstans angestrebte „sprachliche Dreieinigkeit“, sieht die Idee eines kasachstanischen Bürgers vor, der die kasachische, die russische und die englische Sprache beherrscht. Bei diesem Plan rückt nach dem Englischen die deutsche Sprache auf den zweiten Ehrenplatz unter den zweiten Fremdsprachen. In Kasachstan werden demzufolge Deutschstunden gekürzt, zum Teil jedoch auch aufgrund geringerer Nachfrage. Demzufolge sind Deutschlehrer unterbeschäftigt und werden partiell auch umgeschult. Schulen mit vertieftem Deutschunterricht werden bereits seit vielen Jahren von der BRD unterstützt, und die Deutschklassen sind seit längerem international zusammengesetzt und bestehen nicht wie ehemals vorrangig aus ethnischen Deutschen.

Auch wenn es weniger Kasachstandeutsche als noch vor Jahren gibt und der Bedarf des schulischen Deutschunterrichts sinkt, ist eine Beliebtheit dieser Sprache spürbar. Nicht zuletzt wegen des guten Rufs deutscher Hochschulbildung und deren Zugänglichkeit im internationalen Vergleich. Wenn es früher vor allem die ethnischen Deutschen in Deutschkurse gezogen hat, so sind das heute vorrangig Schüler und Studenten.

Die Arbeit des Goethe-Insituts zum Deutschunterricht beinhaltet Methodik, Didaktik, Landeskunde, und auch Kulturprogramme. Diese Kulturarbeit umfasst auch Fortbildungen für Verleger und Übersetzer. So wurden moderne deutsche Werke bereits in die kasachische Sprache übersetzt und bei Autorenlesungen kasachstanweit vorgestellt. Barbara von Münchhausen verkündete nun feierlich die Arbeit an einem neuen Projekt, die Übersetzung von kasachischer Dichtung ins Deutsche. Man sei sehr glücklich, dafür Gerd Heidenreich gewonnen zu haben, welcher momentan enthusiastisch das Buch mit Übertragungen in Ilja Trojanows Verlag „Büchergilde“ vorbereitet und auch das dazugehörige Hörbuch einsprechen wird. Die geplante Präsentation soll im kommenden Jahr auf der Leipziger Buchmesse stattfinden.
Barbara von Münchhausen, Leiterin Goethe-Institut Kasachstan

Lehrerbedarf ändert sich

Neben feierlichen Begrüßungen und Lobreden kamen auch – erfrischend direkt – viele Probleme zur Sprache. Michael Jaumann, Leiter des DAAD in Almaty forderte ein Rahmencurriculum für studienbegleitenden Deutschunterricht. Denn bei den Lehrinstitutionen und den Studierenden selbst sei die neue Orientierung spürbar. Der Trend geht immer weniger in Richtung Philologen und Germanisten, sondern, dass Deutsch studienbegleitend gelernt und angeboten wird. „Wir können nicht nur Philologen mit Deutsch im Hauptfach ausbilden. Es ist nicht mehr realistisch, mit großen Studierendenzahlen zu rechnen. Studenten wollen weiterhin Deutsch lernen, jedoch studienbegleitend, verknüpft mit einem anderen Hauptfach.“ Nachdrücklich macht er deutlich, dass damit auch eine Umpositionierung im Unterricht hin zur Berufsorientierung als Zukunftsoption notwendig sei.

Auch die Tagung stellte sich auf diese Zukunftsaussichten ein. Constanze Krüger, Leiterin der Spracharbeit des Goethe-Instituts Kasachstan stellte zu Beginn das Motto vor:

„Selbstständiges und kooperatives Lernen im Deutschunterricht“. Wie lernt man und wie lehrt man? Die Lernansätze und –motivationen können von Schülern bis hin zu beruflich Fachlernenden nicht unterschiedlicher sein. So müssen auch die Lehransätze sich den Bedürfnissen der Lernenden anpassen, je nach Institution und Bedarf der Lernenden. Danach sollte sich auch das Workshop-Angebot der Tagung richten, angefangen bei theoretischer Auseinandersetzung bis hin zu konkreten praktischen Herangehensweisen und Projektansätzen. Kurzseminare und Workshops sollen methodische Grundlagen, Materialien, Ideen und Praxisbeispiele heranziehen und zur Anwendung im Unterricht mit Anfängern bis hin zu fortgeschrittenen Lernenden dienen.

Im Seminarprogramm spiegeln sich demnach zwei Entwicklungen wider. Zum einen befassen sich viele mit dem studienbegleitenden Unterricht bzw. dem Curriculum dazu. Zum anderen mit einer wesentlichen Änderung im deutschen Hochschulzugangsprozess für kasachische Schulabsolventen.

Neueinstufung des kasachischen Schulabschlusses

Die deutsche Sprache zu erlernen, bedeutet auch den Schlüssel zum deutschen Bildungssystem in der Hand zu halten. Nicht unwesentlich ist hier auch eine Veränderung, die unter anderem dank den Bemühungen des DAAD seit 2015 in Kraft getreten ist. Es ist über eine Neueinstufung des kasachischen Schulabschlusses entschieden worden. Damit ist gleichzeitig eine Änderung zum deutschen Hochschulzugang in Kraft getreten, die nun einen nahezu direkten Zugang zum Studium in Deutschland ermöglicht, ohne die zwei zuvor benötigten Vorbereitungsjahre. Man muss nunmehr eine kurze studienvorbereitende Maßnahme besuchen.

Ja mehr als das: abgesehen von schulischen und studentischen Austauschprogrammen gibt es viele andere, wie zum Beispiel Fortbildungen für Ärzte und andere Fachberufe. Es ist hierzulande immer wieder ein Problem, Fachpersonal zu bekommen, das in der Lage wäre komplexe Geräte und Maschinen aus deutscher Produktion zu verstehen und zu bedienen. Genau dafür sind ebenfalls Fortbildungen notwendig und damit Menschen, die des Deutschen mächtig sind.

Da die wirtschaftliche Zusammenarbeit Kasachstans mit Deutschland tendenziell im Wachstum begriffen ist, wäre es klug, auch in die in Kasachstan lang verankerte Tradition der deutschen Sprache zu investieren und diese wichtige Weltsprache im eigenen Land nicht fallen zu lassen.

Michael Jaumann

Michael Jaumann, Leiter des DAAD-Informationszentrums in Almaty und DAAD-Lektor an der KNPU Almaty

Der kasachische Schulabschluss wurde von der Kultusministerkonferenz der deutschen Bundesländer lange Zeit nicht anerkannt. Kasachische Schulabsolventen mussten früher zunächst zwei Jahre im Heimatland studieren, bevor sie im ersten Studienjahr im Bachelor ein Studium an einer deutschen Universität anfangen konnten. So verkündete Michael Jaumann, Leiter des DAAD Büros in Almaty nicht ohne Stolz: „Mit viel Hilfe – unter anderem durch das Auswärtige Amt – ist es gelungen, 2015 von der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Deutschland eine Neueinstufung des kasachischen Schulabschlusses zu erreichen.“ Die beiden sogenannten „Strafjahre“ entfallen, und es ist nun grundsätzlich möglich, relativ direkt ein Studium in Deutschland aufzunehmen. Studieninteressierte müssen jetzt nur noch ein Studienkolleg besuchen oder eine andere studienvorbereitende Maßnahme der deutschen Universitäten. Auch das hat sich auf das Programm des diesjährigen Deutschlehrertags niedergeschlagen in Form von Seminaren
„Studienbrücke“ und „Studienstart international“. So heißen zwei dieser studienvorbereitenden Programme zum Übergang zwischen Schule und Hochschule, welche nun den Lehrenden in Seminaren näher gebracht wurden. 

Signalkraft durch Lobby für Deutsche Sprache

Um für den Erhalt und die Konsolidierung der Deutschen Sprache an den kasachstanischen Bildungseinrichtungen einzutreten, ist eine starke Interessengemeinschaft notwendig. Diese sollte nicht nur von außen kommen, wie durch deutsche Kulturinstitutionen. Signalkraft birgt vor allem eine eigene landesweite Lobby in Kasachstan. Diese ist auch bereits in Theorie existent, es hapert jedoch an der praktischen Umsetzung und an dem Interesse der nationalen Lehrergemeinschaft. Besonders die deutschen Kulturmittlerprogramme in Kasachstan wünschen sich mehr Eigenaktivität seitens der Kasachen, und so wird der Deutschlehrertag ganz nebenbei noch zu einem Politikum: „Ohne das Engagement und auch das finanzielle Engagement der deutschen Kulturmittlerorganisationen gäbe es den Deutschlehrertag nicht“, führt Michael Jaumann vom DAAD aus, „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Eigenaktivität und Beiträge von kasachischer Seite gäbe. Der erste Schritt dazu wäre, einen schlagkräftigen Verband der Deutschlehrer Kasachstans wiederzubeleben.“
Daraufhin rief Galina Slonowa (die ehemalige Präsidentin des Nationalen Deutschlehrerverbandes Kasachstans) alle Anwesenden eindringlich dazu auf, sich an den Neuwahlen zu beteiligen, die auf der Sitzung des KDLVs im Anschluss an den Deutschlehrertag stattfand. Es wurde eine neue Präsidentin des Kasachischen Deutschlehrerverbandes gewählt, und es bleibt zu hoffen, dass mit den eingängigen Appellen der Redner und den Neuwahlen ein Ruck durch den Lehrerzusammenschluss geht und frischer tatkräftiger Wind weht.

Am Ende der Eröffnungsreden wurde das Publikum des Deutschlehrertages mit einem speziellen Vortrag zum Lernen in Gruppen von Fachreferentin Judith Szklenar überrascht. Ein Aha-Erlebnis ließ da auch nicht lange auf sich warten. Im Grunde hat die Referentin eine Abneigung gegen Vorträge und gestaltete ihren Beitrag eher als eine Art Spiel mit dem Publikum, was so manchen überrumpelte, aber vielleicht auch aufrüttelte. Das Ziel war unter anderem die Lehrer in die Position ihrer Schüler zu befördern und Gruppenarbeit ein wenig neu zu gestalten. Die Leitmotive: Ziel – Aufgabe – Rollenverteilung, Schaffung einer positiven Abhängigkeit in der Gruppe und das Sich Identifizieren mit der Rolle. Nun bleibt die Frage, ob auch die anwesenden Deutschlehrerinnen und –lehrer ihre Lektion gelernt und sich die Tipps zum Teambuilding zu Herzen genommen haben, um sie in ihrem bisher recht lethargischen Verband zur Anwendung zu bringen.

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