Bodo Lochmann ist im Rahmen einer Langzeitdozentur des DAAD in Almaty. Der in Moskau ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler (Dr.oec.habil) ist Rektor der DKU.
Momentan herrscht relative Ruhe im Wechselkursverhältnis zwischen den beiden bedeutendsten Weltwährungen – dem Dollar und dem Euro. Mit nur geringen Ausschlägen pendelt die Parität um 1,20 Dollar für einen Euro. Nach den großen Schwankungen Anfang des Jahrzehnts (0,85 Dollar pro Euro) und dem anderen Extrem Anfang 2005 (1,36 Dollar je Euro) wird die relative Stabilität von den meisten Marktteilnehmern als beruhigend befunden. Doch mit großer Sicherheit trügt der Schein. In das Wechselkursverhältnis wird wieder Bewegung kommen – früher oder später, in diesem Jahr oder im nächsten. Schließlich sind die wirtschaftlichen Ursachen für die Abwertung des Dollars in den letzten Jahren nach wie vor unverändert geblieben. Es ist das schon jetzt gewaltige, aber immer weiter wachsende Außenhandelsdefizit der USA (der Import ist wesentlich größer als der Export). Dadurch steigt die Nachfrage nach ausländischem Geld (Devisen), was unter Marktbedingungen eine Erhöhung des Preises in Form des Wechselkurses bewirken muss. Der andere Faktor ist das ebenfalls enorme Defizit des Staatshaushaltes der USA (die Ausgaben sind wesentlich größer als die Einnahmen), was durch Schuldenmachen in Form des Verkaufs von Staatsanleihen realisiert wird.
Insbesondere asiatische Gläubiger kaufen in großem Stil US-Staatspapiere. Sie finanzieren damit nicht nur das Defizit, sondern stützen durch ihre Nachfrage nach Dollar auch den Wechselkurs. Hinzu kam bis Ende 2005 noch die große Zinsdifferenz von 1,5 bis 2 Prozent zugunsten amerikanischer im Vergleich zu europäischen Anlagen. Bei solchen Zinsdifferenzen wird ein Teil der Geldanlagen in Europa verkauft, wodurch sich das Euroangebot erhöht und dessen Kurs fällt, und die Nachfrage nach Dollar steigt, wodurch sich dessen Preis in Euro erhöht, folglich der Kurs steigt.
Doch nun scheint die Zinswende eingeleitet.
Die Europäische Zentralbank hat sich nach längerem Zögern entschlossen, schrittweise die Zinsen zu erhöhen, um das Geldmengen-Wachstum zu bremsen. Die US-Notenbank hat damit schon vor etwa einem Jahr begonnen. Die US-Zinsen sind mittlerweile schon soweit nach oben geschraubt, dass kaum noch weitere Erhöhungen anstehen dürften. Wenn aber die Zinsdifferenzen geringer werden, lohnt es sich immer weniger für Anleger, aus einer Währung in die andere zu wechseln. Umso stärker rücken dann wieder die fundamentalen Probleme in den Mittelpunkt. Diese sprechen im Moment eindeutig gegen den Dollar. Seine Abwertung wird eigentlich von allen Beobachtern dieser Märkte vorausgesagt. Das Finanzministerium Kasachstans hat den Staatshaushalt für das laufende Jahr auch schon unter Beachtung dieses Szenarios erarbeitet.
Es wurde ein Kurs von 127 Tenge für einen Dollar, und damit eine weitere Aufwertung des Tenge zum Dollar, eingearbeitet. Es kann natürlich auch völlig anders kommen, allerdings in beide Richtungen. Genau wissen das auch die besten Wechselkursexperten erst zu Silvester 2006. Auch deshalb ist Ökonomie etwas sehr Spannendes.
Bodo Lochmann
03/02/06