Vergangene Woche fand in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung die Veranstaltung „Frauenrechte und feministische Kämpfe in Zentralasien“ statt. Mit über 30 Teilnehmenden wurden aktuelle Debatten über Feminismus im zentralasiatischen Raum aufgegriffen und diskutiert, in wie fern diese sich von Kämpfen in der ehemaligen Sowjetunion unterscheiden.

Zur Podiumsdiskussion eingeladen waren vier Frauen aus Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan: Swetlana Shakirowa arbeitet als Professorin an der Kasachischen Universität für Frauen; Jyldyz Kuwatowa forscht im Bereich Journalistik und Kommunikation an der Amerikanischen Universität in Bischkek; Sofia Kasymowa ist ehemalige DAAD-Stipendiatin und Professorin an der tadschikischen Nationaluniversität für Soziologie und Genderstudien. Außerdem anwesend war Zhanar Sekerbayewa, LGBTQ-Aktivistin und Mitgründerin der feministischen Initiative Feminita in Kasachstan.

Um einen ersten Überblick über die Geschichte und die aktuelle Lage der Rechte von Frauen in den postsowjetischen Staaten Zentralasiens zu bekommen, stellten die eingeladenen Expertinnen zunächst ihre Projekte und Forschungen vor. Ein historischer Abriss der letzten 100 Jahre half dabei, die heutige Situation von zentralasiatischen Frauen besser zu verstehen. Besonders im Fokus stand dabei die Frage, welche Auswirkungen das sowjetische Modernisierungsprojekt „Befreiung der Frauen des Ostens“ auf die aktuelle Situation von Frauen in der Region hatte und ob es sich dabei um sowjetische Kolonialisierung oder sozio-politische Emanzipation handelte.

Die Sowjetmacht habe die Vorstellung gehabt, Frauen aus Zentralasien seien unterwürfig und rückständig, und habe auf diese Weise ihr zivilisatorisches Projekt begründet, so Shakirowa. Andererseits war das sowjetische Frauenbild davon geprägt, selbstständige, politisch aktive und kritische Frauen heranzubilden. Klar ist, dass dieser Widerspruch – Befreiung oder Indoktrinierung – parallel stattfand.

Wie sieht die moderne zentralasiatische Frau aus?

Swetlana Shakirowa und Sofia Kasymowa fokussierten sich als Repräsentantinnen der ersten Generation des zentralasiatischen Feminismus auf Themen wie sozio-ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Frau und Mann, Geschlechterordnungen in der Nomadengesellschaft und in der Sowjetunion, aber auch auf die soziale Rolle der Mutter und wie sich diese Geschlechtervorstellung einerseits politisch festigt und andererseits immer stärker von Frauen hinterfragt wird.

Diese Punkte führten zu folgender Debatte: Wie sieht die moderne zentralasiatische Frau heute aus? Wofür kämpft sie, welche Interessen hat sie und welche Themen sind ihr wichtig? Während Jyldyz Kuwatowa auf den Einfluss sozialer Medien aufmerksam machte und die stärkere Mobilität von Frauen ansprach, konzentrierte sich Zhanar Sekerbayewa mehr auf die Vielfalt der Geschlechter und postkoloniale Identitätsfindung. Besonders gesellschaftliche Prozesse wie Technologisierung und Demokratisierung unterstützten feministische Bewegungen heute und führten dazu, dass immer mehr Frauen auf die Straße gehen um ihre Rechte einzufordern, so Kuwatowa. Gleichzeitig seien aber auch Themen wie die Auflösung von Geschlechterkategorien oder die Kritik an patriarchalen Gesellschaftsstrukturen zentral für feministische Organisation in Zentralasien, so Sekerbayewa.

Brücken zwischen den Generationen schlagen

Obwohl viele unterschiedliche Probleme diskutiert und verschiedene Strömungen des Feminismus in Zentralasien deutlich wurden, konnte darin doch eine Stärke gefunden werden: Die Initiatorinnen und Expertinnen stellten fest, dass in der Unterschiedlichkeit ihrer Anliegen eine kollektive Kraft geschöpft werden kann. Grundlegende Prinzipien wie Respekt, Kritikfähigkeit und Wissensdurst können Brücken zwischen den Generationen schlagen und man könne immer voneinander lernen, so Marlies Linke, die Geschäftsführerin des Zentralasienbüros der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Seit 2019 arbeitet das Zentralasienbüro der Rosa-Luxemburg Stiftung in Almaty daran, zivilgesellschaftliche Projekte in Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan zu fördern. Dabei soll der Dialog in der Region unterstützt und sich Themen wie soziale Gerechtigkeit, Geschichts- und Informationspolitik sowie Identitätsprozesse und politische Teilhabe gewidmet werden.

Antonia Skiba

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