Vissarion A. Schmidt verließ Kasachstan, um in Deutschland Fuß zu fassen. Sein Unidiplom wurde dort jedoch nicht anerkannt, deswegen ist er heute Friseur im bekannten Salon „NeoBerlin“ Ecke Prenzlauer Berg. Und er bereut es kein bisschen. Wie es dazu kam und wie es im Heute geht: die DAZ hat nachgefragt!

/Bild: privat. ‚Vissarion A. Schmidt im Salon NeoBerlin.’/

Wie ist Ihr Befinden?

Mir geht es gut, und ich fühle mich in Berlin sehr wohl.

Sie kommen aus Kasachstan, woher genau?

Ich komme aus Kasachstan, und zwar aus Dschambul.

Wann sind Sie ausgewandert?

Ich bin im September 1995 ausgewandert. Ich war mit einer Frau deutscher Abstammung verheiratet und durfte als „Ehegatte der Spätaussiedlerin” mit nach Deutschland. Ich lebe jetzt seit über 15 Jahren in Deutschland.

Wann haben Sie Deutsch gelernt?

Ich habe Deutsch als Fremdsprache in der Schule gelernt und danach als Hauptfach an der Uni studiert. Ich habe auch einige Jahre als Deutschlehrer in der Schule und auch als Dozent für Deutsch an der Uni gearbeitet. Leider wurde mein Diplom in Deutschland nicht anerkannt, deswegen bin ich jetzt Friseur. Und bereue das auch nicht.

Sie arbeiten in einem sehr bekannten deutschen Friseursalon in Berlin! Haben Sie ihr Handwerk in Kasachstan gelernt?

Ja, das stimmt. Unser Salon hat in Berlin einen sehr guten Ruf und ist über die Stadt hinaus bekannt. Wir haben einen sehr internationalen Kundenstamm. Ich habe mein Handwerk in Kirgisistan, in Bischkek gelernt, wo ich nach dem Uniabschluss gewohnt und gearbeitet habe.

Verstehen Sie Ihren Beruf als Kunst oder Handwerk? In den Service miteinbegriffen ist auch eine Kopfmassage mit ätherischen Ölen. Gab es diesen Service auch damals oder heute in Kasachstan, oder stellt Deutschland andere Ansprüche an seine Friseure?

Sowohl Kunst als auch Handwerk. Nein, damals in Kasachstan haben wir den Service mit Kopfmassagen nicht angeboten. Ich glaube, die Ansprüche an Friseure sind überall gleich. Nur mittlerweile spielen der Wellnessgedanke und das Ambiente beim Friseurbesuch eine große Rolle. Die Dienstleistung wird immer umfassender und kundenorientierter.

Welche Frisuren liegen gerade im Trend?

Meiner Meinung nach liegen Frisuren im Trend, die typgerecht geschnitten sind. Viele von unseren Kundinnen lassen sich verschiedene Variationen von Bobs schneiden. Die Herren mögen kurze Haarschnitte im Stil der 60-er Jahre.

Was fällt ihnen als erstes zu Kasachstan ein?

Meine Familie, die immer noch da lebt. Es gibt viele schöne Erinnerungen wie die blühende Steppe oder das Volksfest „Naurys”, aber auch negative. Besonders schrecklich war der Zerfall der Wirtschaft und Untergang des Wohlstandes nach der „Zersplitterung” der damaligen Sowjetunion.

Verfolgen Sie die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Kasachstan? Welche Stimmen hören Sie heute aus Kasachstan?

Tja. Kasachstan gehört jetzt zu den reichsten Ländern der Welt. Und man sagt, „Geld regiert die Welt”. Damit ist alles gesagt.

Was würden Sie einem Landsmann raten, der nach Deutschland fährt um zu reisen, studieren oder zu arbeiten?

Das Wichtigste ist die Sprache des Landes, wohin man reist oder auswandert. Deswegen würde ich jedem empfehlen, zuerst die Sprache zu lernen.

Worauf legen die Deutschen besonders Wert, worauf die Kasachen?

Die Deutschen legen besonderen Wert auf Arbeit. Ohne Job steht man automatisch am Rande der Gesellschaft, ist Außenseiter. Für Kasachen ist die Gemeinschaft am wichtigsten.

Wie ist das Essen, kochen Sie deutsch? Currywurst mit Pommes oder Bortschsch und Samsam?

Was das Essen angeht, sind die Möglichkeiten unbegrenzt. Ich koche und esse das, worauf ich zurzeit Lust habe: kasachisch, russisch, thailändisch, koreanisch, italienisch usw….

Gibt es kasachische Vereine, denen sie beiwohnen?

Nein, leider nicht. Aber zu meinem Freundeskreis gehören sehr viele Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion: Russen, Kasachen, Ukrainer, Weißrussen, Estländer, Litauer und Russlanddeutsche.

Haben Sie die Asiade verfolgt?

Nein, leider nicht. Ich arbeite sehr viel und habe kaum Zeit, um fernzugucken. Außerdem habe ich hier absichtlich kein russisches Fernsehen. Wenn ich fernsehe, dann nur auf Deutsch. Auf diese Art und Weise verbessere ich meine Sprachkenntnisse.

Sind Sie in Deutschland verwurzelt, oder zieht es Sie zurück nach Kasachstan?

Ja. Ich sehe heute Deutschland als meine zweite Heimat. Kasachstan ist und bleibt meine erste Heimat, aber verwurzelt bin ich jetzt in Deutschland. Hier bin ich zu Hause. Klar, es zieht mich nach Kasachstan, aber nur zu Besuch.

Was werden Sie heute noch machen? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Heute habe ich noch einen arbeitsreichen Tag vor mir. In der nahen Zukunft möchte ich gern noch Englisch lernen, im Geschäft haben wir von Tag zu Tag mehr englischsprachige Kunden – es ärgert mich, dass ich mich nicht richtig unterhalten kann, und natürlich will ich weiter in meinem Beruf erfolgreich bleiben!

Interview: Marion von Zieglauer

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