Kürzlich organisierten wir einen Workshop. Stimmung und Arbeitsatmosphäre waren gut, alle zeigten sich eifrig und motiviert. Nach der allgemeinen Einführung sollte es in Gruppenarbeit weitergehen. Prima. Als die Veranstaltungsleiterin die Gruppeneinteilung verkündete, kippte die Stimmung jedoch plötzlich, es gab Aufruhr. Nein, so wolle man nicht zugeteilt werden.
Wieso man denn ausgerechnet in dieser Gruppe mitarbeiten müsse. Man wolle viel lieber in die andere Gruppe. Also durfte sich jeder selbst einordnen und siehe da! Am Ende war jeder wieder in der ihm ursprünglich zugeteilten Gruppe. Der Unterschied war nur, dass jetzt jeder freiwillig hineingegangen war.
Was lernen wir daraus? Die Sache mit der Gruppenbildung ist ein schwieriges Ding, von dem man besser die Finger lassen sollte, will man sie sich nicht verbrennen. Denn mit der Gruppe an sich haben viele in der Kindheit schlechte Erfahrungen gemacht. Jeder schleppt sein eigenes Gruppentrauma vor sich her. Da haben wir zum Beispiel diejenigen, die im Schulsport nie in irgendeine Mannschaft gewählt wurden, weil sie nicht sportlich genug waren. Einer nach dem anderen wurde in die Mannschaften gewählt, nur man selbst blieb immer im Häufchen Elend der Unsportlichen zurück, bis man schließlich ganz allein dastand, mitten in der großen Halle und alle sahen: Das ist der Unsportlichste von uns, Bühne frei! Und noch immer wollte niemand diesen Gesellen wählen, bis endlich der Lehrer eingriff und den armen Knilch in irgendeine Mannschaft schob, egal wohin, weil er ja eh nutzlos war. Stante pede landete der Unglücksrabe dann auf der Ersatzbank, von der ihn die ganze Schulstunde lang niemand mehr runterholte. Und das Woche für Woche, Jahr für Jahr… Das will man nicht erlebt haben! Da muss man mitfühlen und Verständnis aufbringen. Das hinterlässt Spuren und Komplexe. So etwas kann man nur verdrängen – bis eines Tages jemand daherkommt und die alten Wunden aufbricht: „Ich nehme jetzt die Gruppeneinteilung vor…“ Bei dem Wort Gruppeneinteilung erwacht mit einem Mal dieses alte Trauma. Schweißausbruch. Panik. Abwehrreaktion. Verständlich.
Dann gibt es diejenigen, die immer wieder als Neue in bestehende Gruppen kamen, weil die Eltern oft umgezogen sind. Sie mussten sich den neugierigen Fragen und spöttischen Blicken stellen, mussten sich erst qualvoll beweisen, fiese Mutproben bestehen, bevor sie Teil der Gruppe sein durften. Das ist erniedrigend. Das verzeiht man nie, nicht den Eltern, den Lehrern und Mitschülern nicht, und auch nicht der Gesellschaft.
Und dann diejenigen, die zunächst zwar problemlos und unauffällig in Gruppen geschlüpft sind, sich aber von da an immer dem Gruppenzwang stellen mussten, um auch darin zu bleiben. Weil sie nicht clever waren und keine Persönlichkeit darstellten, haben sie es nie zum Meinungsführer geschafft. Und weil sie nicht mutig genug waren, haben sie auch nicht ihre eigene Meinung vertreten. Das ist peinlich. Das bricht den Stolz. Daran möchte man nicht erinnert werden. Und zum Schluss gab es noch die Sporttalente, die das Pech hatten, in schlechten Sportmannschaften zu verharren. Immer wieder mussten sie die Blamage ertragen, als Verlierer dazustehen, nur weil die anderen zu schlecht waren. Und da man in Sportmannschaften Teamgeist vorgaukeln muss, durften sie nicht sagen: „Nur die anderen sind schuld“ und damit ihrem Ärger Luft machen.
Julia Siebert
20/02/09