Migration ist ein altbekanntes Phänomen. Menschen, die die Hoffnung auf ein gutes Leben in der Heimat aufgegeben haben, wollen es woanders schaffen. Man verlässt das Land, in dem einst der Opa der Oma schöne Blumen geschenkt hatte und sie heiratete.

/Bild: privat. ‚Multinationalität – es ist kaum zu sagen wer Usbeke, Tadschike, Ukrainer oder Koreaner ist. ‚/

Hat man die Heimat erst einmal verlassen, sucht man Asyl in einem fremden Land, um sich dort ein besseres Leben aufbauen zu können. Die Menschen fliehen in ein fremdes Land, manchmal sogar illegal. Es ist vergleichbar mit der Situation, wenn man eine Straße überqueren will: oft kann man nicht wissen, ob man es schafft oder nicht. So ist es auch bei der illegalen Migration. Jedoch haben manche Menschen den Punkt in ihrem Leben erreicht, an dem sie keine Angst mehr haben, etwas zu verlieren, nur um der gegenwärtigen Misere zu entgehen. Der Mensch ist auf Stabilität bedacht und er will diese um jeden Preis erreichen. Migration ist dann manchmal der einzige Ausweg.

Das schwarze Schaf

Um gutes Geld verdienen zu können, ist der Mensch bereit sein Leben völlig zu verändern und sich einer fremden Kultur anzupassen. Migration führt aber zu Identitätsproblemen. Es gibt immer wieder ungeschriebene Gesetze, die man in keinen Büchern findet. Zum Beispiel verschiedene Sitten und Bräuche, die von Generation zu Generation weitergetragen worden sind. Man fühlt sich in dem fremden Land oft als „schwarzes Schaf“, weil man eine andere Sprache spricht, eine andere Kultur oder gar eine andere Hautfarbe hat.

Es gibt natürlich Gesetze über die Gleichberechtigung. Wenn es aber um Menschen mit Migrationshintergrund geht, können manche „tolerante“ Menschen sagen: Alle Menschen sind gleich und manche sind besonders gleich. Ein fremdes Land ist kein Land, in dem man alles darf, aber das bedeutet auch nicht, dass man nach jedermanns Pfeife tanzen muss. Wenn man ganz flexibel und gegenüber allem Neuen aufgeschlossen ist, ist es leichter, diese anfängliche Krise zu überwinden. Man integriert sich in die neue Gesellschaft. Das bedeutet aber nicht, dass man seine eigenen Wurzeln vergessen soll und die Gedanken an Uropa und Uroma in Vergessenheit geraten. Man trägt sie immer im Herzen, vergisst sie nie und gleichzeitig lernt man viel Neues. Das ist der Schlüssel zum Erfolg bei der Integration in einem fremden Land.

Zwischen Rap und Ramadan

Nehmen wir als Beispiel die Türken in Deutschland. Sie sind Muslime, aber manche von ihnen sind schon vollständig integriert. Sie besuchen Diskos, gehen auf Parties bis tief in die Nacht, sie mögen Hip-Hop, leben so zu sagen zwischen Rap und Ramadan. Sie sitzen gleichzeitig auf zwei Stühlen. Den einen haben sie aus der Türkei mitgebracht. Und das ist schon eine andere Qualität, ein ganz anderes Denken, eine ganz andere Weltanschauung, ein ganz anderes Lebensprinzip. Es ist sehr spannend zu sehen wie man „Hallo“ zum Freund Hasan sagt und „Inschalah“ zu Olaf.

Was mich persönlich betrifft, bin ich mir ganz sicher, dass ich ein gutes Ergebnis der Migration bin. Geboren bin ich in Usbekistan, meine Muttersprache ist Russisch, ich lerne Deutsch als Fremdsprache, wohne in Samarkand, wo Tadschiken schon seit Jahrtausenden leben, und selbst bin ich Koreaner. Meine Großeltern kamen gegen Mitte des 20. Jahrhunderts hierher. Aus politischen Gründen mußten sie ihre Heimat verlassen und am Ende erhielten sie Asyl in Usbekistan. Ich fühle mich hier ganz heimisch. Nie hatte ich das Gefühl, irgendwie von der Gesellschaft abgesondert zu sein. Usbekistan ist ein multinationales Land, in dem Toleranz eine wichtige Rolle spielt. Das ist vor allem wichtig, denn ohne Toleranz, ohne Integrationspolitik und ohne Flexibilität ist Migration nicht möglich.

Mit dem Text bewarb sich der Autor für die IV. Zentralasiatische Medienwerkstatt.

Von Yuriy Hegay

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