Der südlichste Staat Zentralasien, Turkmenistan, nimmt als rohstoffreiches, mit seiner strategischen Lage in Zentralasien, sowohl aus geopolitischer als auch auf geoökonomischer Sicht eine Schlüsselrolle ein. Seine enormen Erdgasvorkommen, die mit zu den größten der Welt zählen, die Nähe zu den bedeutenden Märkten und die geografische Position entlang wichtiger Transport- und Handelsrouten, machen es zu einem zentralen Akteur in der Region.

Beim Herbstempfang des Deutsch-Turkmenischen Forums in Berlin in der James Simon Galerie gab als Keynote Speaker Michael Bierhoff, der von 2022 bis 2024 Botschafter in Turkmenistan der Bundesrepublik Deutschland war, tiefere Einblicke in das zentralasiatische Land.

Im 20. Jahrhundert galt Turkmenistan als die ärmste Republik der Sowjetunion. Durch reiche Vorkommen an Erdgas und Erdöl unterliegt das heutige Turkmenistan einem Wandel, der sich besonders in der raschen Veränderung der Städte und der Infrastruktur äußert – ein unbekanntes Land zwischen Tradition und Moderne.

Turkmenistan mit eigener Kultur und Geschichte

Einleitend gab der Botschafter einen kleinen Einblick in die zeitnahe Geschichte von Turkmenistan, verbunden mit einigen Zahlen. Das pro Kopf Inlandsprodukt in Turkmenistan lag 2023 bei 12.000 US-Dollar. Anders als alle anderen Nachbarländer erhält Turkmenistan keine Entwicklungshilfe, sondern musste seine Expertise für seine Entwicklung selbst zahlen. Abhängig von ausländischer Technologie und Beratung aber nicht vom Goodwill von Geberstaaten. Dies macht Turkmenistan zu einem besonderen Partner.

Turkmenistan möchte nicht nur als Teil von Zentralasien gesehen werden, sondern als ein Land mit eigener Kultur und mit einer eigenen Geschichte. Bezeichnend dafür war, dass in diesem Jahr das 300-jährige Jubiläum des großen turkmenischen Dichters, Makhtumkuli Fragi, begangen wurde. Turkmenistan war der erste Staat nach der Unabhängigkeit der Sowjetunion, der die russische Sprache in Frage stellte und die turkmenische Sprache zur verbindlichen Staatssprache erhob. Die Identität als Turkstaat ist den Turkmenen von großer Bedeutung.

Z5+1 Format wichtig

Weiterhin analysierte der Botschafter die Beziehungen zu Deutschland, der EU und den Nachbarstaaten. Die deutsche Initiative zum ersten deutsch zentralasiatischen Gipfel, dem sogenannten „Z5+1“ – Format in Berlin am 29. September 2023, wurde von Turkmenistan sehr positiv aufgenommen. Dieser erste Gipfel, wie auch der Folgegipfel in Astana im September 2024, zeigt aber auch einige politische Differenzen auf. In Astana sprach der kasachische Gastgeber und Präsident Kassym-Schomart Tokajew, stellvertretend für alle anderen Präsidenten Zentralasiens, als er dem Bundeskanzler mitteilte, er rufe nun alle Seiten zur sofortigen Beendigung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine auf. Kasachstan, falls gewünscht, würde sich als Mediator einbringen.

In jedem Fall ist das „Z5 plus 1“ – Format ein enorm wichtiges Signal an die Regionen Zentralasiens, dass Deutschland hier einen außenpolitischen Schwerpunkt setzen will. Dialoge auf Augenhöhe spielen hier eine entscheidende Rolle.

Deutschland hat nach der Unabhängigkeit Turkmenistans sehr schnell die Initiative ergriffen, Präsens in dem jungen Land gezeigt und sich in Turkmenistan engagiert. So u. a. die Green Central Asia Initiative des Auswärtigen Amtes aber auch das Thema Wassermanagement, was in der gesamten Region eine wichtige Rolle spielt.

Ein anerkannter Player in der Welt

Turkmenistan möchte außenpolitisch als solider Player in der Welt und als verlässlicher Partner anerkannt werden. Die Regierung bringt regelmäßig Initiativen und Resolutionsentwürfe in der Generalversammlung bei den Vereinten Nationen ein. Turkmenistan tritt selbstbewusst und kooperativ auf. Es definiert seine Rolle auf dem internationalen Parkett anhand verschiedener Merkmale.

Seine unverwechselbare kulturelle und ethnische Identität, sein enormes wirtschaftliches Potential, was in großen Teilen noch unerschlossen ist, und seine verfassungsmäßige und international anerkannten politischen Neutralität, machen Turkmenistan zu einem interessanten Partner. Geopolitisch in einer schweren Nachbarschaft zu dem von den Taliban beherrschten Afghanistan, und der von den USA und EU mit Sanktionen belegten Iran. China und die Türkei dominieren vor allen Dingen wirtschaftlich und infrastrukturell und hofieren die zentralasiatischen Staaten sehr geschickt.

Deutsch-turkmenische Beziehungen ausbaufähig

Die zentrale Säule der deutsch-turkmenischen Beziehungen ist die Wirtschaft. In über 30 Jahren war und ist die deutsche Wirtschaft in Turkmenistan aktiv und haben in verschiedensten Sektoren geliefert und sich entsprechend Vertrauen erworben. Hervorzuheben ist der Finanzsektor, das Gesundheitswesen, Infrastrukturprojekte und nicht zuletzt die Modernisierung der Trinkwasser- und Abwasserentsorgung für die Hauptstadt Aschkabat.

Die turkmenische Regierung hat in darauffolgenden Delegationsreisen immer wiederholt für die Mitwirkung deutscher Unternehmen am Aufbau geworben. Die Aktivitäten deutscher Unternehmen könnten, nach Meinung des Botschafters, breiter aufgestellt sein.

Laut Aussage des Botschafters ist das turkmenische Bildungssystem eine schwierige Baustelle. Turkmenistan leidet in vielen Sektoren unter einem eklatanten Mangel an Fachkräften, beispielsweise auch an Lehrern. Eine regemäßige und qualifizierte Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer könnte helfen. Das Interesse an deutscher Kultur und Sprache ist sehr stark ausgeprägt. Es werden in der Hauptstadt Aschkabat mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes, dem Goethe-Institut und der deutschen Botschaft Deutschkurse für alle Altersgruppen angeboten.

Fazit für drei Handlungsempfehlungen seitens des Botschafters aus der aktiven Zeit in Turkmenistan:

1. Die deutsche Außenpolitik, die sich in Zentralasien bisher, aus guten Gründen auf Usbekistan und Kasachstan konzentriert hat, täte, aus Sicht des Botschafters gut daran, dass durchaus attraktive aber eher bisher unbekannte Turkmenistan stärker wahrzunehmen.

2. Die deutschen Wirtschaftsaktivitäten sind bisher überwiegend auf Einzelinititative von Unternehmen oder Konsortien basiert. Ein wichtiger Mehrwert könnte durch die erneute Wiederaufnahme der deutsch turkmenischen bilateralen Regierungs- und Wirtschaftszusammenarbeit geschaffen werden, um weitere deutsche Unternehmen zu ermutigen sich in Turkmenistan zu engagieren.

Die Bereitschaft sich in Turkmenistan zu engagieren ist verbunden nach der Forderung mit entsprechenden verlässlichen Rahmenbedingungen, so dass verbindliche und transparente Prozesse festgelegt werden können.

3. Gewährung von mehr Freizügigkeit der turkmenischen Regierung für Auslandsreisende ist ein wichtiges Element dieser Entwicklung. Denn insbesondere die Kultur, Bildung und Wissenschaft, deren Intensivierung die turkmenische Regierung ausdrücklich wünscht, basiert im Wesentlichen auf menschliche Begegnungen. Und dazu werden Reisegenehmigungen benötigt.

Die Ausführungen vom Botschafter wurden vom fachkundigen Auditorium mit großem Interesse aufgenommen. In einem anschließenden Empfang hatten die Gäste die Möglichkeit zum Netzwerken.

Christian Grosse

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