Bodo Lochmann ist im Rahmen einer Langzeitdozentur des DAAD in Almaty. Der in Moskau ausgebildete Wirtschaftswissenschaftler (Dr.oec.habil) ist Rektor der DKU.

Alle Welt redet von Innovationen. Diese seien der einzige Weg zur langfristigen Sicherung bzw. Herstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit. Das ist sicher auch richtig.
Das Feld für Neuerungen ist dabei sehr breit. Es geht hierbei nicht nur um neue Produkte, sondern ebenso um neue Technologien, neue Organisationsformen, neue Management- und Marketingmethoden, um die Art, wie neues Wissen generiert und vermittelt werden kann und vieles mehr. In der Regel müssen alle genannten Momente sogar gleichzeitig im Auge behalten und angepackt werden, weil sie sich gegenseitig bedingen. Aber zweifelsohne steht im Zentrum des ganzen doch die Technik. Ganze Heerscharen von Nichttechnikern, darunter auch meine Zunft der Ökonomen, begleiten den technischen Fortschritt mehr oder weniger hilfreich, oftmals auch lediglich interpretierend oder kritisierend. Als Personen sind es wiederum die Ingenieure, die die Technik voranbringen. Nicht nur hier-zulande, sondern auch in Deutschland und einer ganzen Reihe von Ländern sind aber diese Träger des Fortschritts mittlerweile zur Mangelware avanciert. In Deutschland wird in jüngster Zeit gar das Schreckgespenst des Verlustes wesentlicher Teile der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft infolge Mangels an Ingenieuren an die Wand gemalt. Das dürfte auch kaum übertrieben sein, denn dort (wie auch in Kasachstan) drängt die Mehrzahl der jungen Leute in der Frage der Hochschulausbildung in die nichttechnischen Disziplinen. Das Überangebot an Ökonomen und Juristen ist augenfällig, obwohl allerdings nicht gerade das Angebot an erstklassigen Spezialisten dieser genannten Berufe. Dem Ingenieurmangel steht in Deutschland allerdings das Paradox mehrerer zehntausend arbeitsloser Ingenieure gegenüber. Die meisten davon sind über 50 Jahre „alt”. Doch ein biologisches Problem ist dieses Ungleichgewicht nur auf den ersten Blick. Die Ursache ist vielmehr in den Wissensstrukturen zu suchen. Vom modernen Ingenieur werden natürlich exellente technische Detailkenntnisse erwartet. Das war so und muss auch so bleiben. Doch das allein reicht schon lange nicht aus. Der perfekte Umgang mit entsprechenden Computerprogrammen (Stichwort CAD/CAM) wird ebenfalls als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt. Doch auch damit nicht genug. Der moderne Ingenieur braucht auch fundierte ökonomische Kenntnisse. Schließlich kann nur er im Team mit anderen Spezialisten die meisten ökonomischen und anderen gesellschaftlichen Konsequenzen technischer Lösungen abschätzen. Der reine Ökonom kann ihm dabei letztlich nur helfen.

Die heutigen Wettbewerbsbedingungen auf den internationalen Märkten verlangen nicht nur ausgereifte technische Lösungen, sondern auch konsequent einzuhaltende Kosten- und Zeitobergrenzen. Diese drei Parametergruppen bilden eine Einheit, die Kunden sind nicht bereit, vergleichbare Technik zu überteuerten Preisen zu kaufen. Das müssen derzeit eine ganze Reihe bekannter internationaler Autokonzerne, darunter auch VW, schmerzlich erfahren.

Den modernen Ingenieur zeichnet weiterhin die Fähigkeit aus, das vorhandene Wissen aus den Bereichen des Projekt-, Innovations- und Qualitätsmanagements nicht nur zu kennen, sondern praktisch einsetzen zu können. Dabei ist die Fähigkeit zur interdisziplinären Arbeit, darunter verstärkt auch in international zusammengesetzten Teams, eher die Normalität und damit auch Fremsprachenkenntnisse. Der einsame Tüftler, der im stillen Kämmerlein nach langem Suchen die einmalig geniale Idee hat, ist passe. Neue Ideen als Grundlage für Innnovationen werden heute in Teams generiert, die weitgehend hierarchiefrei, auf jeden Fall aber in einem offenen Klima selbständig agieren können und sollen.

All diese und sicher noch wesentlich mehr Dinge gilt es zu beachten, wenn Innovationen erfolgreich sein sollen. Eine einseitige Orientierung allein auf die Technik ist ebenso wenig erfolgversprechend, wie die unzureichende Förderung der technischen Ausbildung. Soll deshalb die Innovationsstrategie Kasachstans erfolgreich sein, müssen die technischen Berufe hierzulande eine drastische Aufwertung erfahren.

Bodo Lochmann

27/01/06

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