Kleider machen Leute, so heißt es. Doch in jedem Land haben Kleidung und Mode einen anderen Stellenwert. 32 Studierende aus Deutschland, Kasachstan und Tschetschenien nutzten diese Unterschiede, um sich in Almaty zu bunten Stilmixen inspirieren zu lassen.
Es dürfte nicht oft vorkommen, dass deutsche Rocksongs über die Flure der Abai-Universität in Almaty hallen. Doch dieser letzte Mittwoch im Mai steht für den Abschluss arbeitsintensiver anderthalb Wochen. 32 Studierende aus Deutschland, Kasachstan und Tschetschenien präsentieren an diesem Tag das Ergebnis eines Seminars zum Thema Jugendmode. In drei Ausstellungsräumen und bei einer selbstorganisierten Modenschau zeigten sie, wie unterschiedlich Modestile in verschiedenen Ländern sein können, aber auch wie man diese mischen kann.
Stylische Kasachinnen
Dabei wird eins klar: Während im deutschen (Berufs-)Alltag häufig die Bequemlichkeit bei der Kleiderwahl an erster Stelle steht, wird in Kasachstan schon auf dem Weg in die Universität darauf geachtet, dass das Outfit schick ist und die Haare perfekt liegen. Oder wie Anne-Marie Grundmeier, Professorin an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, es zusammenfasst: „In Kasachstan wird viel mehr Wert auf Aussehen gelegt. Die Deutschen sind praktisch bei ihrer Modeauswahl, bei den Tschetscheninnen spielt Religion eine Rolle. Kasachstanerinnen sind hingegen oft viel gestylter und inszenieren ihre Weiblichkeit.“
Für die Projektarbeit teilten sich die 32 Studierenden in acht Gruppen auf. Sie wollten aufzeigen, wie verschieden die Stile in unterschiedlichen Lebenssituationen sein können. Konkret ging es darum, wie man sich für die Universität kleidet, für ein Treffen mit Freunden oder einen festlichen Anlass. So tragen tschetschenische Studentinnen meist eine weiße Bluse, einen langen schwarzen Rock und ein Kopftuch. In Deutschland sind an den Universitäten häufig nur Jeans und T-Shirt angesagt.
Neben Vorlesungen, zum Beispiel über Instagram-Influencer aus Kasachstan, konnten sich die Studierenden kreativ austoben. „An den Universitäten in Kasachstan und Tschetschenien werden die klassischen Kunsttechniken wie Zeichnen gelehrt. Als wir nun die Idee hatten, Collagen zu erstellen, war das für die Studierenden etwas Neues, bei dem sie auf einmal in ihrer künstlerischen Arbeit richtiggehend explodierten“, schwärmt Ulrike Weiss. Sie hat das Seminar „Jugendmode – global codiert und (textil-)künstlerisch reflektiert“, welches im Rahmen des DAAD-Projektes „Ost-West-Dialog“ gefördert wurde, zusammen mit ihren Kolleginnen der PH Freiburg, der Pädagogischen Universität Grosny und der Abai-Universität Almaty organisiert.
Am Ende haben sich alle lieb
Obwohl auch Kasachstan ein islamisches Land ist, seien die Tschetschenen muslimischer als die Kasachen, so Weiss. „Am Anfang gab es zwischen den drei Nationen erst einmal einen Kulturclash. Doch jetzt am Ende öffnen sich alle und verstehen sich gut“, bilanziert sie. „Ich weiß aus meiner bisherigen Erfahrung, dass in diesen Ländern praktische Arbeit viel wichtiger ist als irgendwelche Papiere auszuarbeiten. Mode ist ein guter Anknüpfungspunkt.“
Für die acht Studentinnen aus Freiburg war es der erste Aufenthalt in Kasachstan. Die größte Herausforderung war anfangs die Kommunikation. „Wir sprechen kein Russisch und nicht alle tschetschenischen und kasachstanischen Studierenden sprechen Englisch“, erzählt Catalin Quass, „doch mit Händen und Füßen geht es irgendwie trotzdem.“
Die 24-Jährige studiert Sekundärstufenlehramt mit den Schwerpunkten Englisch sowie „Alltagskultur und Gesundheit“. Ihr ist nicht nur der Unterschied in Sachen Mode aufgefallen, sondern auch der Umgang mit sozialen Medien. „Die Studierenden aus Kasachstan waren sehr überrascht, als sie hörten, dass die wenigsten von uns Instagram nutzen. Sie stellen ja häufig ihr ganzes Leben online“, erzählt Quass. Von Kasachstan selbst ist sie mehr als begeistert: „Die Landschaft ist atemberaubend schön. Man hat die Berge, Wüste, den Canyon… Kasachstan sollte viel bekannter werden.“
Nicht nur modisch ein Gewinn
Dem schließen sich auch Renate Boldt und Lea Kern an: „Es war eine sehr schöne, aber auch anstrengende Zeit.“ Sie haben von den anderen Teilnehmerinnen auch Inspirationen für ihre eigenen Outfits erhalten. „In Freiburg zeigt man sich nicht so. Selbst mit einem schwarzen Kleid und Lippenstift fällt man dort auf. Aber warum eigentlich“, fragen sie sich nun. Nach Kasachstan haben sie viel mehr Lust, selbst kreativ zu werden, selbst Kleider zu nähen und auch mal etwas mehr Farbe im Alltag zu tragen. Begeistert beschreiben die beiden, wie die sonst eher konservativ gekleideten Tschetscheninnen bei einem Kleidertausch völlig aufblühten und immer neue Sachen anprobieren wollten.
Das Ergebnis des Kleidertauschs war dann bei der abschließenden Modenschau zu sehen. Neben einem bunten Stilmix an Alltagskleidung zeigten die Studentinnen aus den drei Ländern ebenso wie drei männliche Studenten aus Kasachstan und Tschetschenien religiöse und festliche Kleidung. Trotz der Anstrengungen der vergangenen Tage, überwiegt die Freude, als alle gemeinsam über den Catwalk laufen und das Lied „Tage wie diese“ von den Toten Hosen erklingt. Und nicht nur modisch haben sich für die Teilnehmenden neue Horizonte eröffnet. „Ich nehme von jeder Einzelnen etwas nach Hause mit – sei es ein Stück Humor oder eine bestimmte Essgewohnheit“, so Lea Kern zum Abschied.