Da hatte sich nun ein Skandal entwickelt, der auch aufgedeckt wurde, aber fast keiner hat es gemerkt. Die Rede ist von der hochkarätigen Untersuchungskommission, die in den letzten Monaten die Unregelmäßigkeiten auf dem Immobilienmarkt Almatys untersucht hat. Wobei das Wort „Markt“ hier nur sehr bedingt Anwendung finden kann, da es ja um das intransparente und überwiegend auch illegale Verkaufen von Grundstücken in bester Lage durch einige hochgestellte Beamte der Stadt- und Regionalverwaltung ging.

Bereits Ende September 2007 hatte ich an dieser Stelle über die Arbeit der Kommission berichtet. Meine damals geäußerte kritische Meinung hat sich bisher auch bestätigt.

Zumindest belegen das die – allerdings recht wenigen – veröffentlichten Fakten um diese Vorgänge. Klar ist, dass sich einige städtische und regionale Angestellte auf der Ebene der Akime in nur schwer vorstellbaren Dimensionen durch das illegale Verkaufen von Grundstücken an Meistbietende bereichert haben. Es wird berichtet, dass allein eine Person auf diesem Wege mehr als 100 Milliarden Tenge angehäuft hat – den Immobilienbesitz nicht miteingerechnet. Ob diese Zahl stimmt, ist für uns wohl kaum nachzuprüfen, aber das es um sehr große Summen gegangen ist, unterliegt keinem Zweifel. Nun hat die ranghöchste Kommission in der Geschichte Kasachstans in dieses Wespennetz gestochen und einen gewaltigen Sumpf aufgedeckt. Eine Handvoll Schuldige, darunter immerhin ein sich bis dahin im Amt befindender Minister und ein stellvertretender Akim wurden ihres Amtes enthoben.
Soweit, so richtig. Dennoch bleiben für mich eine Menge Fragen offen. Die wichtigste ist, ob sich am System etwas ändern wird. Schließlich ist es doch relativ leicht, einige Schuldige zu finden, an den Pranger zu stellen und dann in die Wüste zu schicken. Was aber wird getan, um Wiederholungen solcher Vorfälle zu verhindern? Sicher, im Moment sind erst einmal alle im sensiblen Bereich von mit Grundstücksoperationen Tätigen aufgeschreckt und gewarnt. Sie werden erst einmal penibel die gesetzlichen Vorschriften studieren (manche vielleicht auch zum ersten Mal gründlich) und sich auch daran halten. Doch das ist noch lange keine Garantie für dauerhafte Veränderungen. Schließlich werden auch seit etwa drei, vier Jahren bei den regelmäßigen Weiterbildungen von Angestellten im öffentlichen Dienst Antikorruptionsseminare und sogar entsprechende Rollenspiele durchgeführt. Trotz der Thematisierung dieses Themas hat sich in der Praxis aber bisher nichts Grundlegendes geändert.

Um aus dem genannten unappetitlichen Beispiel von „Größtkorruption“ nicht nur ein paar kurzfristige und eher kosmetische Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern wirklich am System etwas zu verändern, sind mindestens zwei Dinge notwendig. Zum einen muss die Öffentlichkeit umfassend über die Mechanismen der mehrere hundert Vorgänge umfassenden Manipulationen mit dem Volke gehörenden Immobilien informiert werden. Dabei geht es nicht um Sensationshascherei, sondern um Aufklärung. Es sollte in Zukunft ganz einfach nicht mehr vorkommen, dass der einfache Mann abwinkt und kapituliert, wenn zum Beispiel mit größter Selbstverständlichkeit öffentliche Wege durch private Bauzäune abgeschnitten werden. Ein streitbares Rechtsbewusstsein und eine umfassende Rechtsaktivität müssen entwickelt werden. Beides befindet sich hierzulande bestenfalls im embryonalen Stadium. Der einfache Bürger fühlt sich ganz einfach denen „da oben“ ausgeliefert und ist es wohl auch.

Ja, in den Medien ist über den Vorgang Chrapunow durchaus geschrieben und berichtet worden, das leugne ich nicht. Doch der Grundtenor zielte eher in Richtung Verfehlung einiger Personen, die Grundfrage, warum so etwas generell passieren konnte und wie es in Zukunft vermieden werden kann, klang meiner Beobachtung nach kaum durch. Vom Versuch der Aktivierung der Bürger ganz zu schweigen. Zum zweiten muss der parlamentarische Mechanismus (in diesem Fall auf der kommunalen Ebene) verändert werden. Die Macht der Akime sollte radikal eingeschränkt werden, die in den Stadt- und Regionalparlamenten sitzenden Volksvertreter müssen den Ton angeben. Sicher ist das auch keine Garantie für „superoptimale“ Entscheidungen. Wenn jedoch 36 Abgeordnete (Stadtparlament Almaty) oder zumindest die acht Mitglieder der Vergabekommission das letzte und entscheidende Wort haben, ist die Wahrscheinlichkeit von Manipulationen und subjektiven Entscheidungen drastisch geringer als beim bisherigen zentralistischen Leitungssystem. Dabei muss prinzipiell jede Sitzung des Stadtparlaments und seiner Kommission öffentlich sein, das heißt der Souverän, sprich der einfache Bürger, muss jederzeit Zutritt zu den entsprechenden Sitzungen haben können.

Mit anderen Worten, nur auf dem Wege der Demokratisierung der Gesellschaft kann Korruption in staatlichen Stellen eingeschränkt werden. Ganz zu vermeiden wird sie wohl nie sein. Das ist sicher nicht leicht. Wenn in dieser Hinsicht jedoch nichts unternommen wird, werden früher oder später neue Chrapunow-Skandale auftreten. Das ist dann unvermeidlich.

Bodo Lochmann

14/12/07

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