Traditionen, die in einem Land beliebt sind, können beim unvorbereiteten Besucher plötzlich Entsetzen hervorrufen. DAZ-Praktikantin Emilie Caissier kennt den 8. März als feministischen Frauentag und ist überrascht über die Huldigung konservativen Rollenverständnisses in Kasachstan.

„Es ist eine Schande, dass ihr so etwas nicht habt. Das macht so viel Spaß!“, sagte meine Mitbewohnerin Olga am Morgen des 8. März über die Traditionen des Frauentags in Kasachstan. Ich hatte ihr gerade erklärt, wie man und vor allem frau bei uns in Deutschland den Frauentag feiert. Denn ja, es gibt ihn, wenn er auch bei Weitem nicht so populär ist wie Mutter- oder Valentinstag. Das mag vor allem daran liegen, dass es dort ein politischer Tag ist (von vielen auch nicht „Frauentag“, sondern „Tag der Frauenrechte“ genannt), und politisch, das weiß auch Olga, macht keinen Spaß.

Ein Tag, um dem Konsum zu frönen

Derweil hat sowohl Deutschland als auch Kasachstan einen politischen Frauentag bitter nötig: Die berühmten Probleme des ungleichen Lohns und der geringen Vertretung von Frauen in Führungspositionen sind nur die Spitze des Eisbergs: Vor allem im privaten Bereich besteht nach wie vor eine tiefe Schlucht zwischen Geschlechterrollen, sei es bei Kinderspielsachen, bei als typisch angesehenen Hobbys oder beim Verhalten in Familie und Haushalt. Das schränkt nicht nur Frauen, sondern auch Männer in der Entfaltung ihrer Interessen ein.

Mein 8. März in Kasachstan begann Tage zuvor: Penetrant-rosarote (weil jeder weiß, dass Frauen und Rosa zusammengehören) Werbebanner brannten sich in die Netzhaut ein. Der Geschenkeverkauf boomte. Aber auch die Schönheitsindustrie hatte ihre Abnehmer: „Es ist ein Frühlingsfest, bei dem man das Schöne feiert“, erklärt mir Nurgul begeistert. Und einige Damen scheinen mit neuen Pelzen und Kosmetika nachhelfen zu wollen.

Von den Männern wurde an meinem Arbeitsplatz im Deutschen Haus am Vorabend des 8. März eine kleine Feier organisiert. Es gab ein Kuchenbüffet und natürlich Blumen. Keine Nelken, sondern Tulpen, aber das passt für Almaty ja auch besser. So weit, so gut. Auch in Deutschland gibt es das immer öfter: Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie, die einzige Frau ihrer Abteilung, auch Blumen bekommt. Man kann damit ausdrücken, dass man die Kollegin als einen wertvollen Teil der Firma ansieht. Da lobt man dann aber für gewöhnlich nicht die Schönheit, sondern die Kompetenz.

Kochtöpfe für die Frauen

Bei uns in Almaty wurde dann ein Sketsch aufgeführt. Sicher ist durch die Übersetzung einiges an Witz verloren gegangen, aber: Warum musste es denn unbedingt um einen Mann gehen, der seine Frau am Basar verkaufen will? Und die beste Strafe für ihn ist, dass sie ewig bei ihm bleibt? Ich sah mich um, die Damen kicherten: Es lag also an mir. Da hat es mich dann auch nicht mehr sehr gewundert, was jede als kleines Geschenk bekommen hat: Einen Kochtopf. Mir ist natürlich bewusst, dass alles nett gemeint war und dass ich als überhebliche Deutsche sehr undankbar scheinen muss. Aber liebe Männer: Was wollt ihr uns denn damit sagen?

Am eigentlichen Feiertag wurde ich etwas milder gestimmt. Ich schlenderte durch die Straßen, und es war doch schön anzusehen, wie glücklich die besonders fein herausgeputzten holden Damen mit ihren männlichen Begleitern (die sich sichtlich alle Mühe gaben, sie zu hofieren) Restaurants und Cafés füllten. Ich werde nächstes Jahr wieder demonstrieren, aber letztlich ist es wohl wichtiger, dass jede nach ihren eigenen Überzeugungen Freude am Frauentag hat.

Von Emilie Caissier

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