Im Haus des Künstlerverbandes Kasachstans in Almaty werden vom 1. bis zum 10. August zweihundert gemalte Bilder von Kindern und Jugendlichen zwischen zweieinhalb und fünfzehn Jahren gezeigt. Mit der Ausstellung will die Hilfsorganisation „Milosserdze“ Geld für die an Leukämie erkrankten Kinder Almatys sammeln.
„Schenkt den Kindern Hoffnung für Morgen“. So lautet das Motto einer Ausstellung im Hause des Künstlerverbandes der Republik Kasachstan in Almaty. Auf etwa 60 Quadratmetern Fläche werden Arbeiten gezeigt, die mit Aquarellfarben, Buntstiften oder einfach mit einem Bleistift von Kindern und Jugendlichen angefertigt wurden. Als Motive dienten den 40 jungen Künstlern beliebige Eindrücke ihres Lebens: die Schönheit der Natur, Menschen, die miteinander lachen oder spielen und ihre Helden aus Büchern oder Trickfilmen. Das jüngste Kind, ein zweieinhalb jähriges Mädchen, malte eine Uhr, ein fünfzehnjähriger Junge zeichnete einen Kranich mit einem Frosch im Maul. Das Bild trägt die Aufschrift „Gib niemals auf!“.
Die Protagonisten, deren Bilder gerahmt neben ihren Fotos hängen, leiden an Leukämie, einige von ihnen sind bereits daran gestorben. Alle Bilder wurden von Patienten auf der Station für Krebserkrankungen der städtischen Kinderklinik Almaty angefertigt und meistens als Dankeschön für die teilweise Versorgung mit Medikamenten an „Milosserdze“, was übersetzt „gütiges Herz“ bedeutet, überreicht. „Die Kinder wollen uns mit ihrer Kunst zeigen, dass sie noch Hoffnung haben und dass wir als Erwachsene verpflichtet sind, alles Erdenkliche zu unternehmen um ihnen zu helfen“, so die Direktorin von „Milosserdze“, Sain Aruschan. Die Idee zu dieser Ausstellung entstand per Zufall: Nachdem Aruschan einige Exemplare ihrer Schwester Tomiris Achmetowa, die Direktorin des Hauses der vereinten Künstler ist, zeigte, entschlossen sich beide dazu, diese Ausstellung zu organisieren. „Alle Bilder, die sie hier sehen“, so Aruschan, „wurden uns von den kleinen Patienten am Krankenbett geschenkt oder nachträglich von den Müttern im Auftrag ihrer Kinder überreicht.“
Der Erlös aus dem Verkauf der Bilder und die Spenden, die der Besucher in bereitgestellten Boxen aus Glas entrichten kann, werden vor allem für den Kauf von Medikamenten und die Finanzierung der Krebsstation in der Kinderklinik verwendet. Wie die Kunstdirektorin Tomiris Achmetowa erklärt, benötigt ein an Leukämie erkranktes Kind zur Behandlung eine tägliche Dosis von drei Präparaten, eines dieser Medikamente kostet jedoch bereits 4000 Tenge. Viele Eltern können sich diese teure Medizin nicht leisten. „In entwickelten Ländern“, sagt die junge Kasachin, „können bis zu 80 Prozent der jungen Patienten geheilt werden. In Ländern wie Kasachstan oder auch Usbekistan sind es jedoch nur 20 Prozent. Jede Woche sterben Kinder in der Klinik, die zuvor noch mit uns gemalt und gelacht haben.“
Zur Eröffnung der Ausstellung werden Reden gehalten. Als erstes spricht die Direktorin der Kinderklinik Prof. Dr. Saule Dikanbajewa. Sie berichtet über Finanzen und Budgets, die Hilfe des Staates, die zwar vorhanden, jedoch bei weitem nicht genug ist, um eine befriedigende Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Sie spricht aber auch über die Erwartungen der Kinder, dass die Erwachsenen das Problem lösen. Und das Problem liegt ihrer Meinung nach nicht nur in der Finanzierung durch den Staat sondern auch in der Ignoranz der Gesellschaft. Die Bevölkerung müsse sich besonders der bedürftigen Kinder bewusst werden und der Entwicklung des Gesundheitswesens insgesamt mehr Beachtung schenken. So verweist sie darauf, dass von dem privaten Geld, das Eltern jährlich zur Behandlung ihrer Kinder im Ausland ausgeben, ein eigenes so dringend benötigtes Leukämie-Zentrum für Krebserkrankungen in Kasachstan gebaut und den Kindern endlich nach westlichem Standard geholfen werden könnte.
Die Hektik der anwesenden Journalisten übertönte teilweise die Ansprache in dem kleinen Raum. Dann kommt ein Mitglied des Elternkomitees zu Wort. Unter Tränen erzählt Janna Abdrachmanowa über ihre vierjährige Tochter, welche an dieser tückischen Krankheit leidet, und wie es sich anfühlt, wenn so ein Unglück einen ohne Vorwarnung aufsucht. Für sie und all die anderen Eltern, welche Tag für Tag hoffen, dass ihre Kinder nicht sterben müssen, wäre ein Leukämie-Zentrum in Kasachstan die Erfüllung eines Traums. Nach den Eröffnungsreden, in denen oft die Worte Solidarität und Gemeinschaft gefallen sind, werden Buntstifte an die Gäste verteilt. Jeder der Besucher ist aufgefordert, den Kindern Genesungswünsche, Ermutigungen oder Lob für das gelungene Bild auf DinA4-Zettel zu schreiben, welche neben den Fotos der kleinen Künstler hängen. Eine Besucherin schreibt für ein junges Mädchen, während sie mit den Tränen ringt: „Du hast die schönsten Vögel gemalt, die ich jemals gesehen habe. Ich wünsche dir alles Gute und eine schnelle Genesung.“
Von Helmut Tiede
04/08/06