Ein Stuhl scheint ewig im Weltraum zu taumeln, im Keller zeichnen grelle Farben das Bild einer Vergewaltigung an die Wand, von irgendwoher tönt Led Zeppelin mit „Stairway to Heaven“: Inter-Faces, die, laut Veranstalter, erste internationale Ausstellung zeitgenössischer Videokunst in Kasachstan, hat derzeit im Soros Center for Contemporary Art in Almaty geöffnet. Noch bis zum 30. September stellen insgesamt 15 Künstler ihre Werke aus. DAZ-Autor Friedemann Schreiter sprach mit Kuratorin Christina Steinbrecher.
Was erwartet die Besucher der Ausstellung Inter-Faces?
Eine Vielzahl unterschiedlichster Begegnungen mit Videokunst. Im Keller treffen die Besucher auf das Verborgene, das Unheimliche, das Dunkle. Im Erdgeschoss sind eher intensive Konfrontationen mit dem scheinbar Stupiden, immer Gleichen und Einfachen zu erleben. Das fordert vom Publikum eine Menge Geduld, sich wirklich mal mit dieser Art der Kunst zu konfrontieren und nicht nach kurzer Zeit den Raum wieder zu verlassen. Diese Etage lässt sich sehr passend mit dem Wort Isolation beschreiben. Bei der Vernissage konnte man gut beobachten, dass viele nicht die Ruhe hatten, sich wirklich darauf einzulassen. In der ersten Etage finden die Besucher eher das Unterhaltende. Hier spielt die Musik eine zentrale Rolle. Die macht es für das Publikum einfacher, einen Zugang zu den Werken zu finden.
Was haben Sie für Ziele mit der Ausstellung?
Wir hoffen natürlich, dass viele Besucher kommen und viel diskutiert wird. Wir wollen anregen, inspirieren und jungen Menschen Mut machen, die Suche nach Neuem in der Kunst, nach neuen Techniken und neuen Formen fortzusetzen. Kreatives Schaffen anregen, das wäre toll. Ich will nicht den Missionar raushängen lassen, aber vielleicht macht ja der eine oder andere nach der Ausstellung oder den Gesprächen wirklich mal was Eigenes. Das wäre toll.
Welche Künstler sind an der Ausstellung beteiligt?
Insgesamt sind es 21 Werke von 15 Künstlern aus verschiedenen Ländern wie zum Beispiel Russland, Bosnien, Deutschland oder Mexiko. Der prominenteste Künstler ist sicher Jeremy Deller, der 2004 den bedeutendsten englischen Kunstpreis, den Turner Prize, erhielt. Das ist für mich als junge Kuratorin natürlich etwas ganz Besonderes, Werke eines solchen Künstlers ausstellen zu können.
Inter-Faces ist Ihre Debüt-Ausstellung als Kuratorin. Warum gerade in Kasachstan und nicht in einer der großen Kunstmetropolen?
Ich fühle mich mit diesem Land einfach verbunden. Schließlich bin ich hier geboren und habe ein paar Jahre meines Lebens hier verbracht. Mein Onkel ist zum Beispiel ein kasachischer Künstler. Das sind alles Faktoren, die mich dazu bewogen haben, die Ausstellung hier zu machen. Es ist hier vielleicht auch etwas spannender, als in einer Metropole, wo schon viele vor einem da waren und die Wege ausgetretener sind.
Was für ein Konzept steckt hinter der Ausstellung?
Diese Ausstellung ist die erste ihrer Art in Kasachstan. Wir wollten nicht zu den Künstlern gehen und ganz bestimmte Werke zu bestimmten Themen haben, sondern hatten den Anspruch, die Vielseitigkeit von Videokunst ganz allgemein zu zeigen. Es ging darum, der Ausstellung nicht von vornherein einen inhaltlichen Stempel aufzudrücken. Der Titel Inter-Faces bedeutet auf der einen Seite etwas verbindendes (Inter), verschiedene Künstler und damit verschiedene Gesichter (Faces) werden ausgestellt, auf der anderen Seite hat der Titel etwas Technisches. Technisch im Sinne einer Schnittstelle (Interface), über die ja auch immer ein Austausch stattfindet. Es ist also ein Wortspiel welches ganz treffend unseren Anspruch an die Ausstellung ausdrückt.
Wo findet man Kasachstan eigentlich auf der Kunst-Landkarte?
Ich habe es leider noch nicht gefunden (lacht). Es gibt aber auch in Kasachstan zeitgenössische Künstler. Wir suchen sehr danach, weil wir gerne eine Ausstellung kasachischer zeitgenössischer Kunst machen möchten. Vor allem junge Künstler arbeiten hier sehr frei und losgelöst von alten Strukturen und traditionellen Mustern. Die suchen wir – und die gibt es! Manchmal habe ich das Gefühl, dass es für junge Künstler in diesem Land nicht ganz so einfach ist. Die alten Strukturen sind teilweise doch noch sehr dicht. Ich vermisse manchmal zudem etwas die konkrete Förderung des Nachwuchses.
Sie wollen in die Universitäten gehen und mit den jungen Leuten über Kunst sprechen. Mit welchen Zielen?
Wir, also Eric, ebenfalls Kurator der Ausstellung, und ich, möchten zusammen in verschiedene Universitäten hier in Almaty gehen und uns mit den jungen Leuten über Kunst und Videokunst unterhalten. Wir werden Videos zeigen und mit den Menschen diskutieren. Im besten Fall lösen wir eine Debatte aus, die auch nach uns noch weitergeht. Das ist das Ziel. Ein wenig das Gespräch über Kunst anregen. Dazu haben wir auch eine Internetseite eingerichtet, wo die Leute sich austauschen können – www.inter-faceskazakhstan.com.
Wird die Ausstellung auch noch an anderen Orten zu sehen sein?
Wir hoffen, dass wir die Ausstellung noch in Astana zeigen können und denken darüber nach, das Inter-Faces-Konzept in den nächsten Jahren in Kasachstan zu wiederholen.
Frau Steinbrecher, vielen Dank für das Interview.
14/09/07