Wie geht es heute den Jugendlichen in Kasachstan, was bewegt sie, worüber denken sie nach, wie werden sie erzogen? Julia Popowa kommt aus Karaganda und ist Leiterin des Jugendklubs „Grashüpfer“ der Assoziation „Wiedergeburt“ in Karaganda. Sie hat einen Aufsatz über Jugendliche ihrer Generation geschrieben.
Es war einmal ein Pferd. Es war sehr jung und sich seiner selbst nicht sicher. Aber das Pferd träumte davon, einmal einfach loszufliegen. Alle Pferde, die um es herum weideten, flogen aber nie selbst. Schließlich waren es Pferde! Darum sagten sie alle zu dem jungen Pferd: Vergiss es! Du kannst nie fliegen lernen, weil noch nie jemand aus eigener Kraft den Himmel erreichte! Aber das Pferdchen war sehr hartnäckig und flog plötzlich!
Die Rede ist vom Tulpar, eines der beiden geflügelten Pferde, die zur Staatssymbolik der Republik Kasachstan gehören. Auf dem Staatswappen sitzen sie jeweils links und rechts und behüten das Schanyrak, das Dach der Jurte. Die Bedeutung dieser Symbole lernt heute jedes Kind. Schon in der ersten Klasse malen die Schüler Bilder mit Tulpar und Schanyrak und lernen dazu patriotische Lieder und Gedichte auswendig.
Das Tulpar ist für alle Kasachstaner ein Symbol für Freiheit. Seine starken Flügel erinnern an das mythologische Pferd Pegasus. Sie stehen für den Traum von einem starken und aufblühenden Staat. Ich denke, wir Jugendlichen haben einiges mit dem Tulpar gemeinsam: Wir streben nach unseren Träumen und Idealen und können sprichwörtlich sogar himmelwärts fliegen, um unsere persönlichen Ziele zu erreichen. Wir sind alle eigenartig, haben unseren individuellen Charakter und unsere besonderen Stärken. Oft aber verhalten wir uns auch wie Herdentiere. Manchmal sind wir auch naiv.
Warum ist das so? Ein Hauptproblem bei den Jugendlichen heutzutage ist ein Informationsmangel oder vielleicht sogar eigene Faulheit, über den Tellerrand zu schauen. Wir könnten zum Beispiel jederzeit eine Verfassung, ein Strafgesetzbuch oder eine politische Erklärung zur Hand nehmen und sie studieren. Aber in Wirklichkeit ist das alles doch nicht so einfach. Die Hartnäckigkeit des Tulpars färbt nicht immer auf uns Jugendliche ab.
Es gibt in unserer Gesellschaft in jüngerer Vergangenheit allerdings einige Bemühungen, diese Passivität zu verändern. So führen Nichtregierungsorganisation, wie zum Beispiel der „Jugendinformationsdienst Kasachstans“ in Kooperation mit „Freedom House Kazakhstan“ ein Projekt zum Thema Informationsbildung zum Staatswesen durch.
Dabei werden Workshops über Politologie, Journalistik, Wirtschaft angeboten. Dies sind genau die Gebiete, auf denen die Mehrheit der kasachstanischen Jugendlichen noch wenig Kenntnisse und Fertigkeiten hat. Die Workshops werden von bekannten und erfolgreichen Fachleuten unterrichtet, die außerdem regelmäßig mit Studenten im Kontakt stehen und daher wissen, welche Kompetenzen vor allem gestärkt werden müssen.
Die Teilnehmerin an „Schule der Staatenbildung“ mit der ich gesprochen habe heißt Galina Schewtschenko. Sie erzählte mir, dass sie viel Neues gelernt hat und auch die Möglichkeit hatte, neue Kontakte zu knüpfen und viele Fachleute kennen zu lernen. An diesem Projekt haben 90 Jugendliche verschiedener Nationalitäten teilgenommen. Es fand in Almaty und Karaganda statt.
Dieser Text ist im Rahmen der VIII. Zentralasiatischen Medienwerkstatt (ZAM) entstanden. Die ZAM ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Allgemeinen Zeitung, des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa), der Goethe-Institute Almaty und Taschkent , des deutsch-russischen Jugendportals To4ka-Treff sowie der Friedrich Ebert Stiftung.