Vor 100 Jahren hießen die Kinder Karl und Wilhelm, Walter und Erna. Heute eher Mia, Lena, Leon und Lukas. Die Namensgebung unterliegt Moden und Trends. Manche Namen kommen wieder, andere nicht, einige sind Dauerbrenner.
Der deutsche Verteidigungsminister heißt mit Vornamen Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester. Das sind besonders viele Vornamen, die aktuell nicht besonders angesagt sind. Nur Philipp schafft es nach der neuesten Hitliste der beliebtesten Kindernamen unter die Top 20.
Die Eltern nennen neugeborene Söhne lieber Leon, Lukas, Ben oder Finn. „Einfache und kurze Namen sind im Trend, die sich leicht aussprechen lassen“, sagt der Wirtschaftsinformatiker Knud Bielefeld aus Ahrensburg in Schleswig-Holstein, der sich seit Jahren intensiv mit Namensforschung beschäftigt. Er ermittelt regelmäßig auf der Grundlage von Stichproben die beliebtesten Babynamen in Deutschland.
Auch bei den Mädchen sind kurze Namen beliebt, gerne auch solche, die mit einem L beginnen oder ein a enthalten. Auf den Top-Plätzen landeten Mia, Hanna und Lena, unter den Top 10 sind Lea, Leonie, Lilli und Lina, bei den Jungs Luis und Luka. Eltern geben bei der Namensgebung seit längerem sogenannten Lall-Lauten den Vorzug vor einem zackigen Karl-Theodor.
Bislang ist wenig erforscht, nach welchen Gesichtspunkten Eltern den Namen für ihre Kinder auswählen. „Grundsätzlich versteckt sich hinter einem Namen ein ganzes Programm“, sagte der Namensforscher Prof. Peter Ernst kürzlich der „Frankfurter Rundschau“. „Alle Eltern wollen damit etwas Bestimmtes ausdrücken, ihren Stil, ihre Erwartungen, ihr Wertesystem.“
Namenswahl sozial strukturiert
Wenn man junge Eltern fragt, sagen sie meistens, der Name gefalle ihnen gut oder klinge schön – und denken, sie hätten eigenständig entschieden. „Die Namenswahl erscheint wie eine private, fast intime Angelegenheit; sie ist aber doch in hohem Maße sozial strukturiert“, sagte der Soziologe Jürgen Gerhards dem Online-Portal sueddeutsche.de. Das spielte auch bei Minister Freiherr zu Guttenberg eine Rolle: „Der Adel ist weiterhin recht traditionsbewusst und orientiert sich bei der Wahl von Vornamen an den Vorfahren.“
Insgesamt hat die Vielfalt an Namen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Bei 141.000 Kindern vermerkte Bielefeld rund 10.000 verschiedene Namen. Nur eines von 100 Kindern trägt statistisch den häufigsten Namen des Jahrgangs. Das war noch in den sechziger Jahren anders, als in vielen Grundschulklassen mehrere Thomas, Michaels und Stefans oder Sabines und Susannes saßen.
Agamemnon, Robinson und Pepsi-Carola
„Auch die häufigsten Namen sind gar nicht so häufig“, sagt Bielefeld. Eltern wollen ihrem Kind einen individuellen Namen geben, schrecken vor völlig exotischen Namen aber zurück. Nur die wenigsten nennen ihre Kinder Agamemnon, Robinson oder gar Pepsi-Carola, Jihad, Rolex oder Lola-Love. Alles erlaubte Namen. „Solche Namen sind wie ein Fluch. Das ist nur ein Egotrip der Eltern“, sagt Ernst.
Ein Name schafft ein Bild im Kopf. „Man bildet Hypothesen über das Alter, die Intelligenz und die Attraktivität eines Menschen“, beschreibt Soziologe Gerhards das Phänomen. Einige einst populäre Namen sind in einen schlechten Ruf geraten, zum Beispiel Kevin und Justin bei den Jungen, Chantal, Cindy und Mandy bei den Mädchen.
Für die Betroffenen kann das Nachteile mit sich bringen – bei Lehrern, Arbeitgebern und Vermietern, selbst bei der Partnersuche. Die Namen wecken negative Assoziationen, während hingegen Sophie, Charlotte, Alexander und Maximilian eher positiv besetzt sind. „Ich würde dazu raten, den Namen sehr sorgfältig zu überlegen; das Kind muss ein Leben lang damit herumlaufen“, sagt Namensforscher Ernst.
Knud Bielefeld hat seinen Sohn übrigens Erik genannt. Das ist kurz, international verständlich und relativ gängig: Platz 28 unter den beliebtesten Jungsnamen. (dpa)