Alice Herz-Sommer war die älteste Holocaust-Überlebende und eine begabte Pianistin. Der Dokumentarfilm „The Lady in Number 6“ über die lebensfrohe Dame gewann einen Oscar in der Kategorie Bester Dokumentar-Kurzfilm.

Dieses Jahr wurde der Oscar für die beste Kurzfilm-Dokumentation an den Film über das Leben von Alice Herz-Sommer verliehen. Die Pianistin machte schon einige Wochen vor der Verleihung des bekannten amerikanischen Filmpreises von sich reden. Sie ist als Überlebende des Konzentrationslagers Theresienstadt, im hohen Alter von 110 Jahren gestorben.

Der Trailer zeigt eine lebensfrohe, betagte Dame. Es ist kaum zu glauben, dass Alice Herz-Sommer, die den Holocaust miterlebt hatte, nichts an ihrer Fröhlichkeit in ihrem Leben verloren hatte.

Spaziergänge mit Kafka

Alice Herz-Sommer wuchs in Prag auf. Als sie geboren wurde, gehörte Tschechien noch zur Königreich Österreich-Ungarn. Ihre Eltern verkehrten mit Angehörigen der damals in Prag existierenden Wiener Boheme. Neben Max Brod, Gustav Mahler oder Sigmund Freud ging auch Franz Kafka in ihrem Elternhaus ein und aus. Im Interview mit der Süddeutschen Allgemeinen Zeitung zu ihrem 100. Geburtstag verriet sie, dass Kafka mit ihrem Schwager befreundet gewesen war. Ihre Schwester und er hatten sie manchmal zu einem Spaziergang oder ins Freibad mitgenommen.

Der Film über Alice Herz-Sommer wurde von der amerikanischen Filmakademie mit einem Oskar ausgezeichnet. Sommer-Herz ist die Dame aus dem Apartment Nr. 6, in dem sie alleine in einer Londoner Altersresidenz lebte. Auf der Leinwand taucht ein vom Leben gezeichnetes, aber stets fröhlich lachendes Gesicht auf. Die Kamera des Dokumentarfilmers Nicolas Reed, lässt ihr Auge durch die Tür einer Londoner Wohnung schweifen. Der Zuschauer erblickt die Pianistin Alice Herz-Sommer. Sie sitzt an ihrem Klavier und spielt. Die Musik ist ihr Leben gewesen und hat ihr Leben gerettet: Damals im Konzentrationslager Theresienstadt wurde sie ausgewählt, um im Orchester mitzuspielen.

Musiker standen nicht auf der Liste

Alice Herz-Sommer ist 1943 nach Theresienstadt deportiert worden. Dort musste sie Glimmer spalten. Im Interview erzählte sie 2006 der „Süddeutschen Zeitung“, dass man sie hätte erschießen können bei der Materialkontrolle am Abend, wenn das Gewicht nicht stimmte. Ihre Rettung war die Musik. Alle Musiker, die in Theresienstadt Konzerte gaben, tauchten nicht mehr auf den Deportationslisten auf.

Theresienstadt liegt auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik. Das Konzentrationslager Theresienstadt erfüllte verschiedene Funktionen. Es diente als Durchgangslager und Gestapogefängnis. Viele der Inhaftierten wurden weiter verschickt in die Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka oder Majdanek. Außerdem spielte es eine Rolle in der NS-Propaganda. Mit Dokumentarfilmen aus dem Konzentrationslager wurde versucht, Deportationen und die Vernichtung der Juden vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Weil das Rote Kreuz dreimal im Jahr Theresienstadt besuchte, gab es ein organsiertes Kulturleben. Viele prominente Juden wurden dort von den Nazis für Propagandazwecke eingespannt.

Musik hielt alle jung

Im Dokumentationsfilm strahlt Sommer-Herz vor Lebensfreude. Es ist ihr anzusehen, dass die Musik ihr Leben ist. Ihre Begabung und Liebe zur Musik hatte ihr damals das Leben gerettet. „Mein Leben ist die Musik. Ich bin an nichts anderem interessiert, sagt sie im Dokumentarfilm. Als Nicolas Reed und Malcom Clarke sie für ihre preisgekrönte Dokumentation besuchten, war sie 109 Jahre alt. Sie zeigen einen Film über eine betagte Dame, die über ihre Liebe zur Musik und zum Leben, aber auch über ihre Schicksalsschläge spricht. Sie war die älteste Überlebende des Holocaust. „Ich wusste, dass wir spielen durften und dachte, dass es nicht so schrecklich sein kann.“

In Theresienstadt spielte Herz-Sommer alle Etüden von Chopin aus dem Gedächtnis. „Ich fühlte, dass die Musik uns Hoffnung spendete, noch mehr als Religion.“ Innerhalb des Lagers erfüllten Kulturschaffende wie Alice Herz-Sommer mehr als nur eine Unterhaltungsfunktion. Sie gab dort mehr als 150 Konzerte und spielte Chopin, Bach, Beethoven und Schumann. „Viele alte und kranke Menschen kamen zu dem Konzert und wurden plötzlich jung“, erinnert sie sich im Dokumentarfilm. „Es ist ein Wunder, Musik geht direkt in unsere Seele.“

Von Dominik Vorhölter

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia