Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland im Hochschulbereich soll noch in diesem Jahr erweitert werden. Eine neue gemeinsame Einrichtung soll bei der Bewältigung von Fachkräftemangel helfen und deutsche Berufsbildung nach Kasachstan bringen.

In der kasachischen Botschaft in Berlin trafen sich kürzlich Universitätsprofessoren unterschiedlicher Fachbereiche aus Deutschland und Kasachstan. Anwesend waren neben dem Botschafter Kasachstans in Deutschland, S. E. Nurlan Onzhanov, unter anderem der Präsident der Jessenow-Universität Berik Achmetow, DKU-Präsident Prof. Dr. Wolrad Rommel und seine Stellvertreterin Barbara Janusz-Pawletta sowie Prof. Dr. Rainer Sawatzki von der HAW Hamburg.

Anlass des hochrangigen Treffens war die geplante Eröffnung des Deutschen Instituts für Ingenieurwesen in der westkasachischen Hafenstadt Aktau an der Jessenow-Universität. Noch in diesem Jahr soll dort die Ausbildung in den grundständigen Studiengängen „Logistik“ und „Energie- und Umwelttechnik“ beginnen.

Von links nach rechts: Nurlan Onzhanov, Botschafter der Republik Kasachstan in Deutschland; Berik Achmetow, Präsident der Jessenow-Universität; Prof. Dr. Wolrad Rommel, Präsident der Deutsch–Kasachische Universität (DKU)

Die nach Schachmardan Jessenow benannte Kaspische Universität für Technologie und Ingenieurwesen ist das wichtigste Zentrum für Bildung und Erziehung, Wissenschaft und Kultur in der Region Mangystau. Die Universität bildet Fachleute für die Öl- und Gasindustrie, den Straßenverkehr, den Maschinenbau sowie für Pädagogik, Recht, Wirtschaft, Informationssysteme, Normung, Finanzen, Geologie, Ökologie, Wärmeenergietechnik und Bauwesen aus.

Die Jessenow-Universität wird auch Fachkräfte für das Büro für Wasserstoffdiplomatie (H2Diplo) in Astana ausbilden, das Bundesaußenministerin Annalena Baerbock während ihres Kasachstanbesuchs im Oktober 2022 ankündigte. Ziel von H2Diplo ist es laut Projektwebsite, Export- und Transitändern fossiler Energieträger Optionen für eine dekarbonisierte Energieexportwirtschaft aufzuzeigen. Zugleich soll ein Beitrag zur Energie- und Versorgungssicherheit der EU und Deutschlands geleistet werden.

Forschungszusammenarbeit durch Universitätsnetzwerke

Ein wesentliches Motiv für die Gründung des neuen Instituts in Aktau war die große Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach Fachkräften in Kasachstan. Beteiligt sind neben der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) in Almaty und der Jessenow-Universität in Aktau noch weitere Bildungseinrichtungen. So engagieren sich auch die HAW Hamburg, die Technische Universität Berlin, die Hochschule Anhalt, die Technische Universität Wildau, die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die Freie Universität Berlin sowie die Technische Universität Darmstadt.

Unterstützt wird das Deutsche Institut für Ingenieurwesen vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Ministerium für Wissenschaft und Hochschulwesen der Republik Kasachstan.

Die Deutsch-Kasachische Universität in Almaty (DKU) wurde 1999 im Rahmen einer privaten Initiative gegründet, um Fachkräfte nach deutschem Standard auszubilden. Die Universität arbeitet auf der Grundlage des Regierungsabkommens zwischen Kasachstan und Deutschland über die kulturelle Zusammenarbeit, das am 3. September 2008 in Astana geschlossen und am 15. Juli 2010 ratifiziert wurde.

Prof. Wolrad Rommel, Präsident der DKU

Die DKU ist eine internationale Universität, die Fachkräfte mit Kenntnissen in zwei Fremdsprachen ausbildet, die die Vorteile der deutschen Bildung für ihre Karriere und intellektuelle Weiterentwicklung nutzen können. Durch den Transfer von Bildung und Wissenschaft leistet die DKU einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung Zentralasiens und zur Stärkung der wissenschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen Kasachstan und Deutschland. Bis heute ist sie die einzige deutsche Universität in Kasachstan und Zentralasien.

Die Erfolge deutsch-kasachischer Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich würdigte auch Botschafter Onzhanov, als er seine Eröffnungsrede zur Veranstaltung in Berlin hielt. Er erwähnte, dass bisher 94 Kooperationsdokumente zwischen den Universitäten beider Länder zusammengestellt wurden.

Das Bolashak-Stipendium

Die Kooperationen der Universitäten ermöglichen es kasachischen Studenten, im Rahmen des Bolashak-Stipendiums (Bolashak International Scholarship) zu studieren. Das Bolashak-Programm ist ein Stipendium für leistungsstarke Studenten aus Kasachstan, die im Ausland studieren wollen. Sämtliche Kosten werden vom Staat getragen – vorausgesetzt, sie kehren nach ihrem Abschluss nach Kasachstan zurück, um dort mindestens fünf Jahre lang zu arbeiten.

Seit seiner Einführung im Jahr 1993 haben mehr als 10.000 Studenten das Stipendium erhalten. Die meisten von ihnen reisen zum Studium in die Vereinigten Staaten, aber auch in andere Länder der Welt. Das Wort „Bolashak“ wird mit „Zukunft“ übersetzt. Es wurde 1993 vom damaligen Präsidenten Nursultan Nasarbajew ins Leben gerufen.

Das Stipendium erlaubt es jungen Menschen in Kasachstan, sich nach deutschen und europäischen Standards ausbilden zu lassen. Die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte, insbesondere in den Bereichen Energie, Logistik, Umweltschutz und Informationstechnologie, ist somit auch ein strategisch wichtiger Faktor für beide Länder.

Berliner Eurasischer Club

Des Weiteren verwies der Botschafter auf den 16. Mai 2023. In Astana findet dann die 37. Sitzung des „Berliner Eurasischen Clubs“ (BEK) statt, zu der unter anderem Gäste aus Ministerien sowie aus dem Hochschul- und Wissenschaftsbereich eingeladen sind. Thema: Technische Hochschulbildung und Fachausbildung.

Das Ziel des BEK ist es, interessierten Politikern und Experten aus Deutschland und der EU eine exklusive Dialogplattform mit Staaten des Eurasischen Wirtschaftsraumes, der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und zentral- asiatischen Staaten zu bieten. Unter anderem wurde die Gründung des BEK vom damaligen Bundesaußenminister, Hans-Dietrich Genscher, unterstützt.

Konferenzatmosphäre

Kasachstan ist Deutschlands führender Wirtschaftspartner in Zentralasien. So erreichte das wirtschaftliche bilaterale Handelsvolumen 2022 fast zehn Milliarden Euro. Zwischen beiden Ländern besteht großes Interesse daran, den Bereich der Bildung, der dualen Ausbildung und Hochschulausbildung noch weiter zu verstärken. Beste Voraussetzungen für Kooperationen bestehen jedenfalls zwischen Kasachstan und Deutschland.

Auf die bereits bestehenden Universitätskooperationen verwies auch Berik Achmetow, Präsident der Jessenow-Universität. Gleichzeitig zeigte er auf, dass die Region Aktau hervorragend dazu geeignet ist, den Wirtschaftsstandort zukunftsträchtig zu gestalten.

Dreieck aus Innovation, Bildung und Forschung

DKU-Präsident Prof. Dr. Wolrad Rommel geht einen ganz neuen Weg. Die aktuelle Kooperation sei ein neuer Schritt in der Wissenschaftskooperation zwischen Deutschland und Kasachstan. Aus Wissenschaftssicht habe Kasachstan in den letzten Jahren eine viel größere Bedeutung für Deutschland und Europa erlangt. Dies habe unter anderem auch mit der neuen geopolitischen Situation zu tun.

Das Projekt mit der Jessenow-Unitversität sei ein kooperatives Projekt. Dies bedeute, dass beide Seiten voneinander lernen. Es müssten die Kulturen verstanden werden, aber auch die Arbeitsweisen, die Sprache. Gemeinsame Strukturen aufzubauen und einander zu verstehen – all das müsse zusammengeführt werden, was aus Wissenschaftssicht eine große Herausforderung ist.

In seinen weiteren Ausführungen verwies Prof. Rommel auf die enge Zusammenarbeit in der Region West-Kasachstan mit Unternehmen und der Industrie. Nur in Kooperation miteinander könnten Innovationsprozesse in die Wege geleitet werden.

West-Kasachstan werde sich, so Prof. Rommel, zukünftig sehr gut entwickeln. Dazu bedürfe es einer starken regionalen Universität wie der Jessenow- Universität. Ziel sei es, ein Dreieck aus Innovation, Bildung und Forschung aufzubauen, um in völlig neuen Dimensionen der wissenschaftlichen Kooperation zusammenzuarbeiten. Dazu müssten die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Christian Grosse

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