Die Sprachlernzentren (SLZ) sind Kooperationspartner des Goethe-Instituts, die Sprachkurse nach dem Modell und den Qualitätsstandards des Goethe-Instituts anbieten. Nelli Eibers leitet das SLZ in Pawlodar. Im Interview mit der DAZ spricht sie über die aktuelle Situation der deutschen Sprache in Kasachstan, neue Arbeitsbedingungen durch Corona und Pläne für die Zeit nach der Quarantäne.

Nelli Eibers
Nelli Eibers

Frau Eibers, seit vergangenem Jahr bieten Sie in Ihrem Sprachlernzentrum Deutschkurse im Online-Format an. Wie und wann ist die Idee entstanden, digital zu unterrichten?

Die Idee entstand nicht erst mit Beginn der Quarantäne im März 2020, sondern schon viel früher. Die Sprachlernzentren in Russland unterrichten schon seit mehreren Jahren auch digital. 2019 fand eine Konferenz der Sprachlernzentren aus der Region OEZA (Osteuropa, Zentralasien, Kaukasus) in Tbilissi statt. Dort ging es um die Digitalisierung aller Prozesse von der Kurseinschreibung bis zum Unterricht. Wir haben den Erfahrungsaustausch, der später in gemeinsame Projekte mündete, mit großem Interesse wahrgenommen. Auf unsere alltägliche Arbeit hatte die Digitalisierung zunächst noch keinen großen Einfluss. Als die Pandemie kam, war es aber Zeit, die neuen Kenntnisse praktisch anzuwenden.

Zu Beginn der einschränkenden Maßnahmen im März 2020 waren wir erst unsicher und dachten, dass die Pandemie in paar Wochen wieder vorbei sein würde. Als das nicht eintraf, überlegten wir, wie wir trotzdem weiter unterrichten können. Damals haben uns die Goethe-Institute Kasachstan und Russland beim Wechsel zum Online-Unterricht unterstützt. In dieser Zeit qualifizierten sich unsere Kursleiterinnen so intensiv wie nie zuvor. Die Situation erforderte das und zugleich erschienen uns die Möglichkeiten, sich online weiterzubilden, unbegrenzt.

Ab April boten wir unseren Kursteilnehmern Kurse im Onlineformat über Zoom an. Die Kurse fanden auf allen Sprachniveaus von A1 bis B2 statt. Sowohl für uns als auch für unsere Kursteilnehmer war es eine aufregende Zeit, weil es für beide Seiten einem Experiment glich, das sich nach sechs Monaten in den Goethe-Prüfungen als erfolgreich erwies.

Was können Sie über die Schwierigkeiten sagen, die Ihre Kursleiterinnen und Kursteilnehmer bei der Organisation und Durchführung der Online-Kurse hatten oder noch haben?

Ein größeres Problem für alle war die technische Seite des Prozesses. Dazu zählen zum Beispiel Unterschiede in der Internetqualität, die Verfügbarkeit eines Computers oder unzureichende Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer. In dieser Zeit haben wir selbst auch viele technische Feinheiten gelernt.

Unsere zweite Aufgabe war, den Online-Unterricht genauso kommunikativ zu gestalten wie den Präsenzunterricht. Es mussten einige Arbeits- und Sozialformen überdacht und an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Am schwierigsten war die Kontrolle des Lernerfolgs, die stärker als im Präsenzunterricht an die Kursteilnehmer übertragen wurde. Die Kursleiterin kann ja während des Präsenzunterrichts sehen und hören, wie die Teilnehmer arbeiten und, falls nötig, helfen. Online hat sie da nicht so viele Möglichkeiten.

Auch hat sich die Vorbereitungszeit für die Sprachlehrer auf den Unterricht durch das Online-Format verlängert. Unsere Schatzkisten mit Lernkarten, methodischen Spielen und Materialien für die Gruppenarbeit mussten überarbeitet, adaptiert und digitalisiert werden. Hier haben uns verschiedene Seiten mit Online-Übungen oder Plattformen zum kommunikativen Schreiben geholfen – zum Beispiel Padlet. Wir haben Präsentationen zusammengestellt und neue Schablonen für den Unterricht ausgearbeitet. Die Arbeitszeit am Computer ist infolgedessen rasch gestiegen.

Bei der Umstellung des Kursbetriebs auf die Online-Schiene hat uns unser damaliger Sprachassistent Lucas Netter sehr unterstützt, obwohl allen Sprachassistenten empfohlen worden war, aus Kasachstan auszureisen. Er aber ist damals geblieben und hat uns nicht nur technische Hilfe geleistet, sondern auch zusammen mit den anderen Sprachassistenten eine Reihe von Zoom-Veranstaltungen zu interessanten Themen wie Studium und Praktika in Deutschland organisiert.

Welche Meinung haben die Teilnehmer zum Online-Unterricht? Haben sie Freude daran gefunden oder möchten sie lieber zurück zum Präsenzunterricht?

Die Teilnehmer bewerten den Online-Unterricht unterschiedlich. Laut unseren Umfragen schätzen sie die individuelle Betreuung seitens der Lehrer sehr. Was sie am Online-Unterricht sehr positiv finden, ist das Lernen von zuhause oder vom Arbeitsplatz aus, weil es bequem ist. Wenn wir jetzt die Möglichkeit anbieten, im Klassenraum zu lernen, überlegen es sich viele zweimal.

Im Laufe der Zeit wurde unsere Sicht bestätigt, dass der Online-Unterricht nicht besser oder schlechter ist – er ist anders. Wenn die Lernenden viel Motivation mitbringen, sind sie unabhängig von der Unterrichtsform erfolgreich. Trotzdem vermissen wir zur Zeit den Unterricht im Klassenraum, weil uns der Augenkontakt mit den Lernenden und die emotionale Ebene fehlen. Uns fehlen auch der Lärm, das Stimmengewirr und die tolle Lern- und Arbeitsatmosphäre in dem Sprachlernzentrum.

Das SLZ ist auch ein Unternehmen. Wie bewerten Sie als dessen Leiterin die veränderten Arbeitsbedingungen?

Als die Pandemie ausbrach, war für mich als Leiterin die Unterstützung meiner Mitarbeiter wichtiger als der wirtschaftliche Erfolg. Deswegen haben wir oft mit Kleingruppen gestartet. Im September war die Bereitschaft, online zu lernen, höher als zu Beginn der Pandemie. Da kamen auch Teilnehmer, die sich im März noch gegen Onlinekurse entschieden hatten.
Früher hätten wir nie gedacht, dass wir online unterrichten und arbeiten würden. Die Pandemie hat uns alle Potenziale gezeigt, die wir für unsere Entwicklung nutzen können.

Die geographische Herkunft unserer Teilnehmer hat sich um neue Städte in Kasachstan ausgeweitet. Zum Beispiel nutzen jetzt auch die Lernenden aus Ekibastus, Semej und Astana die Möglichkeit, von zu Hause aus bei uns Deutsch zu lernen. Bisher hatten wir höchstens Teilnehmer aus Aksu und aus den umliegenden Dörfern. Wenn ich über die Zukunft nachdenke, kann ich sagen, dass der Online-Unterricht ein wichtiger Bestandteil unseres Kursangebots in der Zeit nach der Pandemie bleiben wird.

2020 war ein Jubiläumsjahr für die Sprachlernzentren in Kasachstan und Kirgisistan. Können Sie sich erinnern, wie die Geschichte ihres SLZ angefangen hat?

Das SLZ in Pawlodar hat seine Gründung zwei Menschen zu verdanken: Ursula Brengel, die als Fachkraft für Deutsch seit 1994 in Pawlodar arbeitete, und Anatoli Frehsorger, der die Initiative des Goethe-Instituts unterstützte und die Bereitschaft zeigte, das SLZ an der Innovativen Eurasischen Universität unterzubringen. Als die Fachkräfte nach zwei Jahren harter Existenzgründung gehen mussten, habe ich das SLZ als Leiterin übernommen. In diesen 20 Jahren hat das SLZ verschiedene Etappen erlebt. Zu Beginn hatten wir bis zu 35 Kurse mit Deutschlernenden.

Mitte/Ende der 2000er Jahre erlebten wir unter anderem einen Zuwachs an Studierenden, die mit einem DAAD-Stipendium oder zum Praktikum nach Deutschland gehen wollten. Später lernten die Schüler beider PASCH-Schulen intensiv Deutsch, um an Schulprojekten teilzunehmen. Und immer hatten wir auch die Angehörigen der deutschen Minderheit in den Kursen, die aus verschiedenen Gründen Deutsch lernten. Die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut sicherte uns die fachliche Unterstützung, stellte aber auch gewisse Anforderungen an die Qualität, die durch das Akkreditierungsverfahren ab 2011 immer im Vierjahresrhythmus bestätigt wurden.

In diesen 20 Jahren erlebte auch die deutsche Sprache in Kasachstan ihre Höhen und Tiefen. Zurzeit sinkt leider die Zahl der Deutschlernenden an den Schulen, deshalb werden auch an den Universitäten nicht genügend Deutschlehrer ausgebildet. Wir schauen trotzdem positiv in die Zukunft und bleiben offen für Veränderungen unseres Umfelds. Schließlich hat uns die Pandemie gezeigt, dass uns die gegebenen Möglichkeiten oft nicht bewusst sind.

Das Gespräch führte Helena Garkawa

Das Titelbild ist ein Archivfoto, das vor Beginn der Corona-Pandemie aufgenommen wurde.
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