Ein nettes Erlebnis im Deutschen Haus hat uns dazu beflügelt, diesen Artikel für die Deutsche Allgemeine Zeitung zu verfassen. Da die Kamera der Journalistin beim Weihnachtskonzert des Deutschen Generalkonsulats einen Defekt aufwies, haben wir uns bereit erklärt, mit unseren Fotos auszuhelfen. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Ich heiße Amira von der Schnuckenweide und bin eine ausgeglichene und freundliche deutsche Schäferhündin mit rosa Zuchtpapieren und Auslandserfahrung. Menschen sind meine besten Freunde. Im Laufe meiner sieben Lebensjahre bin ich bereits ordentlich in der Welt herumgekommen. Sozialisiert wurde ich in Russland, wo ich in Jekaterinburg die ersten vier Jahre meines Lebens verbracht habe. Anschließend kam ich als lebendiges Frachtgut für ein paar Wochen zurück nach Deutschland (wo ich übrigens auch regelmäßig mit ins Büro ging), bevor ich dann – nach erfolgreichen tierärztlichen Tests, die eine Einreisegenehmigung nach Ghana mit sich brachten – als Zusatzgepäck ins heiße Afrika umziehen musste. Seit September bin ich nun in Almaty und weiß aus meiner Perspektive bereits einige interessante Sachverhalte darzustellen: Seltsame Menschen leben hier! Immer wenn sie mich sehen, schauen sie mich irritiert an, machen einen großen Bogen um mich oder wechseln gar die Straßenseite. Merkwürdige Leute, wo ich mich doch über jedes Gespräch, jede Zuwendung oder Streicheleinheit freue. Die wollen – bis auf wenige Ausnahmen – in der Regel nichts mit mir zu tun haben! Wieso eigentlich?

Letzte Woche habe ich Chilley kennengelernt – einen Irish Wolfhound, der mich zuerst auch anmotzte. Er war aber ein wenig irritiert, da ihn zuvor einige streunende Artgenossen „fies angemacht“ hatten. Ich habe ihm das verziehen, und wir haben uns mit seinem Frauchen zum Spazierengehen verabredet. Mal sehen, ob es klappt. Wenigstens ein vernünftiger Kumpel! Jemand anders hielt sein Auto an, kurbelte das Fester herunter und fragte nach meiner Telefonnummer, um uns zu verabreden. Bin gespannt, ob der anruft und mit seinem Deutschen Schäferhund vorbeikommt?

Ansonsten kläfft es andauernd hinter irgendwelchen großen Toren. Noch nicht einmal spazieren gehen darf man, ohne von klein oder groß angebellt zu werden. Und sie sind noch nicht einmal zu sehen, da sie sich immer hinter irgendwelchen Mauern verstecken. Feige Socken! Vielleicht sind die aber auch nur neidisch, weil ich ins Haus darf und auch noch an der Leine ausgeführt werde, um die morgendliche Zeitung zu lesen und mein Umfeld zu erkunden. (Ich muss unbedingt schnüffeln, um zu eruieren, wer außer mir noch Ansprüche auf mein Revier erhebt). Ich bin nämlich in erster Linie Kamerad – und kein (!) Kläffer. Kläffer kann ich nicht ab. Ab und zu muss ich Wiederworte geben, wenn es hinter dicken Mauern oder verschlossen Toren zu laut wird.

Perspektiven eines Schäferhundes in Almaty | Bild: DAZ

Und den Beginn des heutigen Tages hätte ich in Deutschland sicher aus dem Kalender gestrichen. Dabei wollte ich doch nur in Begleitung Fotos vorbei bringen – im Deutschen Haus! Der Herr an der Pforte hat uns freundlich reingelassen und gebeten, im Foyer zu warten, bis die Kollegen von der DAZ kommen. Geknubbelt hat er mich auch noch. Ein Fernsehteam war da – aber natürlich nicht wegen mir… Dann wurden wir von der Redaktion begrüßt. Schließlich haben wir die Fotos selbst vorbeigebracht – toller Service. Anschließend wollten wir nach Hause laufen.

Vorher gab es allerdings noch Begegnung der besonderen Art, die ich euch nicht vorenthalten kann: Irgendjemand, den niemand von uns gerufen hatte, tauchte plötzlich auf – wie Phönix aus der Asche. Manieren hatte der Typ überhaupt keine. Die Tageszeit kannte er auch nicht. Stattdessen wurde er immer lauter. „Bitte“ und „Danke“ gehörte auch nicht seinem aktiven Wortschatz. „Ungehobelter Klotz“! Rausschmeißen wollte der Kerl mich, obwohl ich ihn überhaupt nicht kannte und schon gar nicht nach seiner Meinung gefragt hatte. Weder habe ich gebellt noch die Zähne gefletscht. Vielmehr habe ich mich von meiner besten Seite gezeigt! Ich bin schließlich eine ausgebildete deutsche Schäferhündin und weiß mich zu benehmen. Blöder Kerl! „Manieren hat der wohl mit dem Schaumlöffel gefressen“ – in meiner Heimat würde man sagen „der ist auf einem Hexenbesen durch die Kinderstube gesaust.“ Ja, ja – der kleine Mann, der Macht bekommt! Diskreditiert hat er sich selbst – vor versammelter Mannschaft: Kerle eben, große Klappe – und mehr Angst als Vaterlandsliebe! Wahrscheinlich hat er nicht damit gerechnet, dass meine Freundin Russisch kann – und ihm kräftig einheizen würde. Kein Respekt – und vor Frauen schon gar nicht! Aber die hat es ihm gegeben! Und das Fernsehen hat den ganzen Auftritt auch noch mitbekommen. Jeder blamiert sich, so gut er kann! Weiter so!

Auf dem Nachhauseweg wurde es spannend – da saß ein Kleinkind im Kinderwagen – und wollte mich streicheln – 300 Meter vom Deutschen Haus entfernt! Die Mutter erzählte voller Stolz, Opa hatte einen Deutschen Schäferhund, und das Kind im Kinderwagen dürfe sich nicht ängstigen. Auf Hunde trifft man selten. Sie gehören ja nicht zum Stadtbild. An der Bushaltestelle hielt plötzlich der Bus Nummer 12 – der Fahrer war ganz enttäuscht, dass er uns nicht nach Medeu mitnehmen konnte. Wir mussten ihm versichern, dass sich bestimmt noch eine Gelegenheit ergibt. Aber heute gehen wir lieber zu Fuß. Wir müssen uns ja bewegen und auf dem Rückweg auch noch zum Bäcker, um ordentliches Brot zu kaufen (Borodinskij). Meine Leberwurst schmeckt mir nämlich sonst nicht!

Mit der älteren Dame am Straßenrand sind wir auch noch ins Gespräch gekommen. Ich fresse zwar keine „malina“, aber die Dame war mir doch sehr zugetan. Meine Freunde haben ihr auch ein Glas „malina“ abgekauft. (Ich hingegen bevorzuge Äpfel, Möhren und manchmal auch Bananen). Am nächsten Fußgängerüberweg werde ich plötzlich als „krasavica“ bezeichnet. Als die Fußgängerampel „grün“ zeigt, erhalte ich auch noch eine Sondereinladung „Komm meine Schöne, wir dürfen jetzt gehen“.

Heute hatte ich „volles Programm“: Am Nachmittag machte ich noch einen Ausflug. Oberhalb von Medeu, an der „plotina“, lernte ich Viktorija kennen, die sehr gut deutsch spricht – und ausnahmsweise mal keine Angst vor mir hat. Wir haben sie mit in die Stadt genommen. Ich saß im Kofferraum, sie auf dem Rücksitz, und meine Freundin ist gefahren. Die beiden haben die Telefonnummern ausgetauscht, um sich zum Schlittschuhlaufen zu verabreden.

Ein verdammt ereignisreicher Tag – aus Hundeperspektive. Da ich ja noch ein wenig bleiben muss, berichte ich Euch vielleicht noch einmal über meine Erfahrungen. Bis dahin bleibt gesund und macht es gut. Schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr ! Amira von der Schnuckenweide, genannt Mira!

Das Deutsche Haus Almaty bedauert den Vorfall und entschuldigt sich für den entstandenen Eindruck der Respektlosigkeit. Jeder Gast ist stets willkommen.

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