Die drastische Abwertung des japanischen Yen im September markiert einen Wandel in der Finanzkrise: der Schwerpunkt verlagert sich von den Problemen des Bankensektors hin zu den Wechselkursen. Diese beeinflussen Wohl und Wehe von Exporteuren und Importeuren sowie insgesamt von Staaten, die sich stark an den Weltmärkten orientieren – dazu gehört auch Kasachstan. Es ist neu in der Wirtschaftsgeschichte der letzten 30 Jahre, dass die Wechselkurse so massiv als Instrument im internationalen Wettbewerb eingesetzt werden. Ein Abwertungswettlauf der nationalen Währungen hat begonnen, wie es ihn seit Anfang der 1980er Jahre nicht gegeben hat.

Abwertung bedeutet, dass die eigene Währung bewusst geschwächt wird, zum Beispiel durch Veränderung des Wechselkurses von 120 auf 150 Tenge pro Dollar. Dadurch steigen die Exporterlöse in der nationalen Währung, der Export wird also stimuliert, während die Importe in nationaler Währung teurer werden und so die Nachfrage nach Importwaren sinkt. Der Welthandel, also die Summe des Weltexports und Weltimports, ist jedoch ein Nullsummenspiel, das heißt, wenn ein Land mehr exportiert, muss ein anderes Land mehr importieren. Export schafft Arbeitsplätze, während Importe diese verringern.

Die Heftigkeit, mit der sich die Politiker der USA, Europas, Japans und Chinas in den letzten Wochen Vorwürfe in Fragen der Währungspolitik gemacht haben, ist keinesfalls erfreulich. Statt sich mit schwierigen Fragen einer weiteren, sinnvollen Regulierung der Finanzmärkte zu beschäftigen, fallen die Staaten in längst überwunden geglaubtes nationalstaatliches Denken zurück, das allen letztlich nur Schaden bringt. Vom Willen zur politischen Kooperation ist unter den großen Wirtschaftsnationen der Welt kaum etwas zu spüren. Alle sind besorgt, dass nach Auslaufen der milliardenschweren Konjunkturprogramme die Wirtschaft doch nicht auf eigenen Beinen stehen kann und sich die durch hohe Arbeitslosigkeit entstandenen sozialen Probleme weiter verfestigen.

China reagiert, indem es vorsorglich den Wechselkurs des Yuan künstlich niedrig hält, wozu die Nationalbank in gewaltigen Mengen auf dem chinesischen Devisenmarkt nicht nachgefragte Dollar aufkauft. Die USA klammern sich an ihr historisch niedriges Zinsniveau und diskutieren weitere Konjunkturprogramme, die die bereits bestehende Staatsverschuldung weiter steigern würden. Die Europäische Zentralbank wurde indes von der Politik gezwungen, fragwürdige, auf den normalen Kapitalmärkten zu diesen Zinsen nicht absetzbare Staatsanleihen aufzukaufen und so die Wirtschaft mit billigem Geld zu versorgen.
Japan wiederum interveniert am Devisenmarkt, um die eigene Währung vor einer weiteren unerwünschten Aufwertung zu schützen. Die Europäer beklagen sich über den schon wieder so teuren Euro und würden ihn am liebsten auch schwächen. Sie hält allerdings ihre Erfahrung ab, dass Aktionen einer Zentralbank an den hochkomplexen Devisenmärkten keinen nachhaltigen Effekt bewirken können. Gegenseitige Vorwürfe statt durchdachten gemeinsamen Handelns sind an der Tagesordnung. Rette-sich-wer-kann ist offensichtlich das Prinzip, das zu einem wahren Chaos von Währungsmanipulationen führt.

Das Manipulieren am Wechselkurs in Richtung Abwertung setzt falsche Signale für die Marktteilnehmer. Hinter der Veränderung von Wechselkursen stecken meist strukturelle Vorteile oder eben auch Nachteile. Die heutige Weltwirtschaft ist durch das Vorhandensein kolossaler Ungleichgewichte gekennzeichnet. So exportieren manche Länder wie zum Beispiel China, Deutschland oder Kasachstan viel zu viel, während andere Länder wie zum Beispiel die USA oder Frankreich viel zu viel importieren. Diese Probleme lassen sich nur längerfristig lösen. Kurzfristig sollten alle Beteiligten im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein neues Rahmenabkommen erdenken, das die Wechselkurse in vereinbarten Bandbreiten hält. Allerdings ist dazu allseitige Kooperationsfähigkeit von nöten, die im Moment fehlt.

Bodo Lochmann

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