Mit seiner Studie „Kolonialer Wettstreit: Russland, China, Japan und die Ostchinesische Eisenbahn“ widmet sich Sören Urbansky der Geschichte der Eisenbahn, einem interessanten Themenbereich, der unter den Osteuropahistorikern in Ost- und Westeuropa in den letzten Jahren an Aktualität gewonnen hat. Ein Paradigmenwechsel in der Geschichtswissenschaft trug dazu bei, technische Entwicklungen aus der Perspektive der Kulturgeschichte zu betrachten. So wird auch die Eisenbahn zum kultur-historischen Phänomen. Aus dieser Perspektive betrachtet auch Sören Urbansky die Geschichte der Ostchinesischen Eisenbahn, die er in seiner Abhandlung vielschichtig als Verkehrs-, Kommunikations- und Kolonisationsmittel sowie als „Nachschub-“ und „Fluchtader“ charakterisiert.

Die chronologisch angelegte Untersuchung „Kolonialer Wettstreit: Russland, China, Japan und die Ostchinesische Eisenbahn“ von Sören Urbanskys nimmt „russische“, „sowjetisch-chinesische“ und „japanische“ Perioden der Eisenbahngeschichte in den Blick, einen Zeitraum, der 56 Jahre umfasste. Im Jahr 1896 begann Russland den Bau der Eisenbahn als exterritoriale Verlängerung der Transsibirischen Eisenbahn. 1952 übergab die Sowjetunion die Ostchinesische Eisenbahn an die Volksrepublik China.

Die Ostchinesische Eisenbahn, eine „logistische und technische Meisterleistung der Jahrhundertwende“, erwies sich als eine „globale Unternehmung“, in die Menschen aus der ganzen Welt involviert waren. Das Eisenbahnprojekt hatte, wie der Verfasser deutlich macht, eine wichtige geopolitische Bedeutung: in ihm trafen sich politische und wirtschaftliche Interessen Russlands bzw. der UdSSR, Chinas sowie Japans. Schließlich gelang es China, die Bahn am effektivsten für seine Zwecke zu nutzen und den kolonialen Wettstreit für sich zu entscheiden.

Geschichte der Ostchinesischen Eisenbahn

Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt jedoch nicht in der theoretischen Untersuchung des Phänomens „Kolonialismus“. Der Leser findet hier keine ausführliche Klärung des Begriffs und keinen detaillierten Vergleich der russischen, chinesischen und japanischen Kolonialpolitik. Die Lektüre des Buches, das den Titel „Kolonialer Wettstreit“ trägt, lässt den Leser im Unklaren darüber, wie sich „Kolonialpolitik“ z.B. der Sowjetzeit gegenüber der des Zarenreiches veränderte.

Die Abhandlung, die eine internationale und interdisziplinäre Forschung darstellt, ist vor allem deswegen lesenswert, weil sie mit der Geschichte der Ostchinesischen Eisenbahn ein Thema vorstellt, das in der deutschen Wissenschaft noch wenig Beachtung gefunden hat. Die Untersuchung stützt sich auf zahlreiche Quellen, die aus China, Russland und Amerika stammen. Der Verfasser analysiert persönliche Nachlässe, Memoiren, Presseartikel, Reiseberichte, Immigranten – und Frachtgutstatistiken, Fahrpläne und sekundäre Literatur in russischer, japanischer und chinesischer Sprache.

Das Buch von Sören Urbansky gehört nicht nur thematisch und methodisch zu einer Reihe transnationaler Studien, die in sich verschiedene „nationale“ Perspektiven vereinen. Es markiert einen neuen Ansatz in der Erforschung der Geschichten der Eisenbahnen Osteuropas und belegt auch, dass die Geschichten Osteuropas und Asiens eng verbunden sind.

Sören Urbansky: Kolonialer Wettstreit: Russland, China, Japan und die Ostchinesische Eisenbahn. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2008. 263 S.

Von Olga Kurilo

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