Bodo Lochmann ist im Rahmen einer Langzeitdozentur des DAAD in Almaty. Der in Moskau aus-gebildete Wirtschafts-wissenschaftler (Dr.oec.habil) ist Rektor der DKU.
Routine ist manchmal ganz nützlich, weil sie das Leben erleichtern kann. Jetzt aber habe ich mich über Routine wieder mal aufgeregt. Der Grund ist die Veröffentlichung von Fakten zum Zustand der Luft in Almaty. Ich lese Vergleichbares mit schöner Regelmäßigkeit nun schon mindestens sieben Jahre. Solange liegen prinzipiell dieselben Fakten auf dem Tisch, sie werden nur von Jahr zu Jahr schlechter. Der Ausstoß aller Schadstoffe übersteigt danach die sowieso nicht allzu strengen zulässigen Höchstgrenzen deutlich, bei Blei gar um das mittlerweile Siebenfache. Neu ist allerdings die Aussage, dass Almaty auf dem besten Weg ist, die schmutzigste Stadt der Welt im Luftbereich zu werden. Das wird spätestens in zehn Jahren der Fall sein. Im Moment werden hier etwa 200 kg Schadstoffe (auf Feststoffe umgerechnet) pro Einwohner und Jahr in die Luft geschleudert, in Moskau sind das nur 100 und in New York 51 kg. Es scheint also anderswo Wege zur Schadstoffverringerung zu geben.
Als Ursachen für die Lage werden jedes Jahr aufs Neue dieselben genannt. Zu 90 Prozent ist das der überbordende und mittlerweile die Grenzen menschlicher Vernunft längst überschreitende individuelle Autoverkehr. Besondere Sünder sind die meist in Europa ausgesonderten, hierzulande aber zu neuen Ehren kommenden Uraltkarossen sowie die Unmengen spritfressender Jeeps. Letztere braucht eigentlich kaum wirklich jemand für Transportzwecke, eher aber zur Show. Im Gegenzug nehmen die entsprechenden Erkrankungen vor allem von Kindern drastisch zu. Doch wen kümmert das schon! Auch hierzulande hört beim Auto bei vielen das Denken offensichtlich zumindest teilweise auf.
Die von den Ökologen vorgelegten Vorschläge zur Entspannung der Situation sind zwar richtig, werden aber wohl kaum Gehör finden. Dabei ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen möglich und politisch auch durchsetzbar, wie die Praxis in vielen Ländern zeigt. Deutschland z. B. setzt vorwiegend auf technische Maßnahmen zur Minderung des Schadstoffausstoßes, solche Städte wie London und Bergen erheben eine Maut beim Befahren der Innenstadt, Polen hat den Import von „Schrottautos” de facto verboten, in Athen dürfen die PKW nur jeden zweiten Tag auf der Straße rollen.
Administrative Maßnahmen könnten also schon einiges bewegen. Das allein wird jedoch nicht ausreichen, zumal in Kasachstan besonders schnell Wege zum Umgehen von Verboten und Vorschriften gefunden werden. Neben dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und seiner Zivilisierung (Fahrpläne, keine Wettrennen, Kundenorientierung) muss auch in Information der Bürger investiert werden. Dazu gehört z. B., dass mit dem unsinnigen stundenlangen Warmlaufen auch modernster Motoren Schluss gemacht wird.
Hinsichtlich der Frage, ob es gelingt, den zweifelhaften Titel eines Luftschmutzweltmeisters zu verhindern, bin ich eindeutig Pessimist. Ich würde mich riesig freuen, wenn ich mich täusche.
Bodo Lochmann
24/02/06