Am 13.03.2025 feierte das Deutsche Theater in Almaty die Premiere von Goethes „Faust“ unter der Regie von Natasha Dubs. In rund zwei Stunden wurde der erste Teil des Dramas in seiner Originalfassung auf Deutsch aufgeführt, begleitet von der eindringlichen Musik Strawinskys. Das Publikum war während der gesamten Vorstellung wie gebannt, in respektvoller Ruhe wurden die Darbietungen genossen.

Das Stück erzählt die Geschichte von Doktor Heinrich Faust, der aus tiefer Unzufriedenheit mit seinem Leben einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Er hat viel studiert, doch nie gelebt, und dies soll der Teufel ändern, indem er dem unzufriedenen Doktor bis zu dessen Tod dient und ihm ein genussvolles Leben schenkt. Dafür verlangt der Teufel aber im Gegenzug die Dienstbarkeit des Doktors nach dem Tod. Ihr Pakt beruht auf Gegenseitigkeit. Nachdem der Teufel Faust in einer Hexenstube geistig jünger gemacht hat, überkommt diesen ein unbändiges „Sturm-und-Drang-Gefühl“ oder, anders gesagt, die Lust. Er verliebt sich bald in das ungefähr 14 Jahre alte „Gretchen“. Von Mephisto verlangt Faust nun, ihm das Mädchen zu besorgen. Die Maid solle sich in Faust verlieben. Daraufhin verstecken Faust und Mephisto ein Schmuckkästchen in ihrer Kammer, welches Gretchen bei ihrer Nachbarin Marthe abliefert. Kurz darauf taucht Mephisto in der Tür auf, um ein Doppeldate zu arrangieren. Ihr Mann sei tot, erzählt der Teufel Marthe, um mit ihr auszugehen. Während dessen soll sich Heinrich Faust in einem Garten mit Gretchen treffen. Dort verliebt sich Gretchen auch tatsächlich in Faust und dann entwickelt sich alles geradezu rasant: Sie wird schwanger, vergiftet auf Fausts Anweisung hin ihre Mutter und verliert nach der Enthüllung ihrer Schwangerschaft schwer an Ansehen in ihrer Familie. Vor allem ihr Bruder, der zuvor oft mit der Jungfräulichkeit seiner Schwester prahlte, wendet sich von ihr ab. In einem Duell mit Faust und mit Mephistos Hilfe verliert der Bruder Gretchens anschließend sein Leben. Faust aber wird von Mephisto in eine Taverne geführt, um sich zu amüsieren, während Gretchen mit ihrer Schuld und Schande allein zurückbleibt. Als Faust später erkennt, dass Gretchen zum Tode verurteilt wurde, fleht er Mephisto an, sie zu retten. Doch es ist zu spät: Benutzt für ein kleines Spiel von Faust, findet sie schließlich ihr Ende.

Interpretativ und doch Original

Die Inszenierung bleibt dem Original sowohl mit Blick auf den Fokus der Geschichte als auch in der originalen deutschen Sprache treu. Gleichzeitig ist sie unheimlich interpretativ und modern. Sowohl Gott als auch Mephisto wurden von Frauen gespielt. Viele Szenen, wie der Ostermorgen oder die Verjüngung in der Hexenküche, wurden durch choreografische Tänze dargestellt. Der Beginn des Stücks greift die drei ursprünglichen Anfänge von „Faust“ auf, interpretiert sie jedoch neu. Der Monolog „Zueignung“, der Goethes Wehmut widerspiegelt, wurde von einem neu geschaffenen Charakter gesprochen, der sich später als Mephistos Knecht entpuppte. Der Dialog zwischen dem Lustigen und dem Direktor wurde als Tanz aus einer Grube inszeniert. Mehrere Menschen in weißen Gewändern bewegten sich geschmeidig aus dem Grab hinaus und rollten sich auf die Tribüne. Darauf folgte die Wette zwischen Gott und Mephisto um die Seele von Faust. Mephisto ist der Meinung, Faust wäre leicht vom rechten Weg abzubringen, denn er sieht im Menschen nur ein Tier. Gott bestreitet dies, denn Faust ist tugendhaft. Doch sollte der Teufel recht behalten, denn Faust wird von Depressionen geplagt und versucht, sich in seiner Kammer das Leben zu nehmen.

Besonders theatralisch wirkt die Szene mit dem Pudel, welchen Faust und Wagner auf ihrem Spaziergang treffen. Anstelle einer realen Requisite wurde allein mit der Vorstellungskraft gespielt: Faust erblickt mit Entsetzen etwas Böses in der Ferne. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte er auch einen schwarzen Pudel und nimmt den unsichtbaren Pudel mit nach Hause, welcher sich sogleich in Mephisto verwandelt. In der Wohnung von Faust schließen Mephisto und Faust ihren Pakt. Mephistos Knecht, welcher über Faust und Mephisto gelehnt zu ihm herabschaut, gibt ihm ein Blatt Papier. Faust soll diesen Vertrag mit seinem Blut unterschreiben.

Der Teufelsknecht wird an vielen Stellen ohne Text eingesetzt, indem die Schauspielerin an Faust schnüffelt wie ein Tier, heult, wenn er sie schlägt, oder an ihrem Schwanz zieht. Damit wird klar, dass er nicht oder nur wenig menschlich ist. Auch dient er im Stück als immer wandelnde Figur für verschiedene interpretative Rollen.

Gretchens Tod

Eine besondere Interpretation findet sich in Gretchens Hinrichtung. Diese wird nicht bildlich dargestellt. Am Rande der Bühne tritt sie in einem weißen Gewand aus einem Tor. Statt ihres Kopftuchs, welches vorher ihre Jungfräulichkeit und ihren starken Glauben symbolisierte, trägt sie nun offene Haare. Ihr Blick ist ausdruckslos und hat nur noch wenig mit einem lebendigen Menschen gemeinsam. Die Bühne ist komplett dunkel, nur Gretchens weißes Totengewand leuchtet hell auf. Langsam im Todesgang bewegt sie sich auf die Grube zu, während Faust verzweifelt an ihr zieht. Er möchte sie zum Weggang bewegen, doch sie hört erst recht nicht auf ihn, als sie den nebenstehenden Mephisto sieht, gegen den sie einen Groll hegt. Sie scheint jedoch nichts mehr wahrzunehmen und spricht nur mit einer vorwurfsvollen Stimme: „Ich habe meine Mutter umgebracht und mein Kind ertränkt.“ Langsam geht sie auf die Rampe an der Grube zu und legt sich hin, während eine Frau ihr behutsam den Kopf streichelt. Ein Engelsgesang ertönt und Gretchens Augen sind geschlossen. Mephisto und Faust stehen am Eingang des Tors und betrachten die Szene aus der Ferne. Ausdrucksstark hallt weiterhin der christliche Chor, während Mephisto fast vorsichtig fragt: „Ist sie gerettet?“ Das Stück endet mit Gottes Antwort: „Sie ist gerettet.“

Unfaires Schicksal oder Erlösung?

Durch Fausts selbstsüchtiges Verlangen nach Gretchen wurde ihre Tragödie erst möglich. Sie verlor ihre Familie, ihr Kind und letztlich auch ihr Leben, während Faust mit Mephisto weiterzog. In der Kneipe und noch während eines Zeitsprungs spricht Mephisto sich von jeglicher Schuld frei: „Du hast sie doch ins Verderben gestürzt, was habe ich damit zu tun?“ Doch war es nicht er, der Faust den Zaubertrank gab? War es nicht Faust, der ihren Bruder tötete? Das Mädchen wurde benutzt, beschämt und anschließend hingerichtet. Gretchens Tod ist ihr Ende und doch auch ihre Erlösung. Der Satz „Sie ist gerettet“ lässt Raum zur Interpretation: Befreit von Schuld und Schande, findet sie vielleicht im Tod den Frieden, den das Leben ihr verwehrte. Doch hätte es so weit kommen müssen? Fausts Lust, sein ungestilltes Begehren, führten sie ins Verderben. Am Ende bleibt nur die Erkenntnis: Der Teufel hat die Wette gewonnen.

Faust als Inszenierung

Das Stück Faust I veröffentlichte Goethe im Jahr 1808 und ist auch heute noch eines der bedeutendsten Theaterstücke, das weltweit inszeniert und verschieden interpretiert wird. Das Theaterstück bezieht sich auf die Legende des „schwarzen Magiers“ Johann Georg Faust, welcher von ca. 1480 bis 1540 lebte.

Während der gesamten Vorstellung im deutschen Theater bleibt das Bühnenbild mit allen Requisiten gleich. Eine Grube und eine rampenartige Erhöhung stellen während der Vorstellung entweder die Wohnung von Faust, von Marthe, die Hexenküche oder die Straße dar. Dazu werden schwarze Tücher mithilfe von Projektionen immer wieder anders beleuchtet. So wirkt die Bühne meistens düster, gleichzeitig verändert sich die Räumlichkeit geschickt. Musikalische Begleitung erhält das Stück durch Musik von Strawinsky und deutsche Gesänge der Charaktere.

Nachdem der letzte Satz Gottes „Sie ist gerettet“ ertönt, geht das Licht aus. Der Engelschor hallt noch nach. Den Zuschauern ist klar: Gretchen ist zum Himmel aufgefahren. Sie ist tot. Die Bühne ist düster und es folgt respektvolles Schweigen. Das Publikum lässt die schwere Szene auf sich wirken. Erst nach einigen Sekunden treten die Schauspieler aus dem Schatten, Gretchen steht wieder auf und das Licht geht an. Das Publikum klatscht begeistert. Die Tragödie war ein Erfolg.

Paola Roxana Rosenhauer

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