Die schwäbische Touristenregion ist nicht nur mit der Einigungsgeschichte verbunden, weil dort dieses Jahr das Bürgerfest mit einer Deutschlandmeile stattfindet.

In Berlin sind die Spuren der Geschichte des geteilten Deutschlands unübersehbar. Ebenso schnell assoziieren die Menschen die Hauptstadt mit dem Tag der Deutschen Einheit, der dort aber nicht jedes Jahr ausgerichtet wird, sondern immer in einem anderen Bundesland. Dieses Jahr findet das Bürgerfest zum deutschen Staatsfeiertag in Stuttgart statt, weil der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Winfried Kretschmann aktuell dem Bundesrat vorsitzt.

Mit der Wiedervereinigung vor 23 Jahren ist nicht nur die Bundesrepublik um fünf Bundesländer administrativ gewachsen. Auch die Kulturlandschaft Deutschlands ist, so gesehen, wiedervereint.

Das Land der „Biertrinker“

Wenn also das Bürgerfest jedes Jahr in einem anderen Bundesland ausgetragen wird, dann werden die Feierlichkeiten unweigerlich von den regionalen Begebenheiten beeinflusst. Dies wird zum Beispiel offensichtlich, wenn sich die Gäste an den Festtisch setzen. Schon allein beim Ausschank der Getränke und Speisen würden dem unbedarften Betrachter kleine Unterschiede auffallen, egal ob er das Bürgerfest in Berlin, in München, Kiel, Düsseldorf oder Stuttgart besuchen würde.

Auf den ersten Blick sind diese minimalen kulinarischen Abweichungen natürlich unwichtig, aber sie zeigen sehr anschaulich, wie vielfältig die deutsche Kultur in den verschiedenen Regionen ist. Während der Feierlichkeiten in Stuttgart können die Besucher an dieser Vielfalt teilhaben. Entlang der Theodor-Heuss-Straße können sie entlang einer dort aufgebauten Ländermeile  flanieren, und dabei typische regionale Traditionen oder Dialekte kennen lernen.
Für den Bierliebhaber, der am Bürgerfest teilnimmt, wird dort wohl das „Tannenzäpfle“ ausgeschenkt werden. Das ist das schwäbische Gebräu, auf dessen Etikett unverkennbar die regionalen Besonderheiten der Flora und Fauna, aber auch eine Frau in der traditionellen Rothhäuser Tracht abgebildet ist. Die Tannenzapfen deuten auf den Schwarzwald hin. Aus dem Gastgeberland Baden-Württemberg werden nicht nur Gerstensaft, sondern auch kulinarische Spezialitäten auf der Ländermeile wie Maultaschen oder Schwarzwälderkirschtorte angeboten.

Spreewaldgurken erinnern an die DDR

Neben der Pünktlichkeit und Ordnungsliebe der Deutschen, wird ihnen auch oft nachgesagt, dass sie sehr viel Bier trinken. Ob damit auch die Bewohner Rheinhessens einverstanden sind? Jedenfalls befindet sich in dieser Region im Rheinland-Pfalz das größte Weinbaugebiet Deutschlands. „Deutschlands Weinland Nummer 1“ präsentiert sich und seine edlen Tropfen auch auf der Ländermeile im Rahmen der Einheitsfeierlichkeiten. Auf einer Fläche von ungefähr 27 Hektar wachsen in Rheinhessen die Rebstöcke, aus deren Trauben jährlich über 2,5 Millionen Liter Wein hergestellt wird.

Wer zu dem Gläschen Grauburgunder oder Rießling noch eine Erfrischung wünscht, müsste dann kurz in den Pavillon von Brandenburg huschen, um sich Heidelbeeren aus dem Nordwesten Brandenburgs zu gönnen oder vielleicht eine Gurke aus dem Spreewald? Die Spreewaldgurken sind sogar noch bis heute als kulinarische Besonderheit der DDR bekannt. Dieser Mythos wurde durch den Film „Goodbye Lenin“ verstärkt. Darin versucht Schauspieler Daniel Brühl, den Mauerfall und den Untergang der DDR vor seiner Filmmutter Katrin Sass zu verbergen, damit sie nicht wieder ins Koma fällt und schafft dies auch, denn ihre Lieblingsprodukte aus der DDR sind Spreewaldgurken.

Herzhaftes gibt es auch im Pavillon von Schleswig-Holstein. In dieses Bundesland reisen jährlich 200.000 Touristen, um die Fischspezialitäten zu genießen, aber auch den Nationalpark Wattenmeer zu erkunden, heißt es auf der Informationshomepage zum Tag der deutschen Einheit. Das Wattenmeer wird von dem Gezeitenstrom beherrscht. Bei Ebbe liegt es frei, und die Besucher der Nordseeküste können stellenweise sogar auf seinem Sandboden, der mit vielen kleinen Häufchen bedeckt ist, spazieren. Diese Sandhäufchen sind die Ausscheidungen vom Wattwurm, der im Ökosystem Wattenmeer zuhause ist.

Steine aus dem Schwarzwald

Wer sich dann doch lieber für die Spuren der Geschichte zur deutschen Einigung interessiert, der sollte lieber das Bürgerfest verlassen und sich auf den „Kolonnenweg“ begeben. Das ist ein Wanderweg entlang der alten innerdeutschen Grenze, ein Projekt, das von der „Thüringer Allgemeinen Zeitung“ initiiert wurde. Dort gibt es unter anderem auch die Grenzsteine der DDR zu sehen, die nur von einer Seite beschriftet sind. Die „Thüringer Allgemeine Zeitung“ informiert dazu die Touristen, dass diese Grenzsteine damals nicht in der DDR, sondern in der Bundesrepublik gefertigt wurden. Sie kamen nämlich aus dem Schwarzwald.

Von Dominik Vorhölter

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