Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen baut auf einer wirtschaftlich attraktiven Relation zu Produktivität und Lohnniveau. Prof. Dr. Bodo Lochmann kommentiert, inwieweit sich staatliche Maßnahmen wie der Mindestlohn auf die deutsche Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

In letzter Zeit sind die großen deutschen Exportüberschüsse mehrfach Anlass für Kritik und Streit auf internationaler Ebene gewesen. Zuerst die amerikanische Regierung, dann der Internationale Währungsfond, später andere Regierungen und Organisationen haben den deutschen Überschuss des Exports über den Import als Quelle für die zweifelsohne vorhandenen wirtschaftlichen Ungleichgewichte in Europa und der Welt ausgemacht. Deutscher Export – das ist Nachfrage nach deutschen Waren im Ausland, die somit Arbeitsplätze und Einkommen in Deutschland sichert und diese Nachfrage entsprechend anderen Volkswirtschaften „wegnimmt“.

Die internationale Nachfrage nach Waren eines Landes kann prinzipiell über zwei Wege geschaffen werden. Erstens: Über Innovationen und hohe Qualität, zweitens: Über niedrige Kosten, bedingt zum Beispiel durch niedrige Lohn– und Materialkosten. In der Regel werden beide Faktoren zugleich wirken müssen, deutschen Unternehmen wird jedoch vorgeworfen, vor allem über Lohndumping Wettbewerbsvorteile erhalten zu haben, die bei normalen Löhnen nicht gegeben wären. Und wirklich hat sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Waren in den letzten Jahren auch durch die Lohnzurückhaltung vieler Arbeitnehmer verbessert, aber eben nicht alleine dadurch. Noch vor 10-12 Jahren gab es an Deutschland die Kritik, als größte Volkswirtschaft Europas nicht ausreichend wettbewerbsfähig zu sein, unter anderem weil man in Relation zur Produktivität ein zu hohes Lohnniveau hatte.

In den für die deutsche Wirtschaft schlechteren als auch in den besseren Zeiten ist alles, was mit Produktion und Verkauf zu tun hat, kein Entscheidungsbereich des Staates, sondern von Unternehmen und Unternehmern. Hinzu kommt, dass die Gemeinschaftswährung Euro, der mittlerweile 18 Staaten angehöhren, keine individuelle Aufwertung des Geldes eines Landes mehr erlaubt, was in Zeiten nationaler Währungen immer eine Art natürlicher Mechanismus der Verringerung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit von allzu exportstarken Ländern war. Bliebe zur bewussten Verschlechterung der internationalen Verkaufsfähigkeit von Waren also nur die Erhöhung der Selbstkosten, teurere Energie oder Materialien oder Steigerung der Löhne. Doch welches Unternehmen wird schon in Zeiten eines immer härter werdenden Konkurrenzkampfes bewusst Rationalitätskriterien über Bord werfen und seine Existenz aufs Spiel setzen? Wohl keines, zumal der Fakt der hohen Exportüberschüsse keinesfalls ein Fakt auf Ewigkeit sein muss, wie aktuell die japanische Wirtschaft zeigt.

Unsere globalisierte Welt ist auch wesentlich komplizierter als national organisierte Volkswirtschaften. Eine neue Studie des renommierten Schweizer Prognos-Instituts zeigt, dass die hohen Exportüberschüsse deutscher Unternehmen auch auf konkurrenzfähigen Zulieferungen aus dem Ausland beruhen, mit anderen Worten also auf Importen. Deutschland hat einen Importanteil von 50 Prozent, ist also ein sehr offenes Land. Die deutsche Nachfrage nach Zulieferungen beträgt jährlich über 400 Milliarden Euro und sichert in anderen Staaten der EU nicht weniger als 3,5 Millionen Arbeitsplätze. Würde die deutsche Wirtschaft im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, würde das auch negativ auf die Zulieferfirmen in anderen Ländern durchschlagen. Acht Prozent des gesamtem BIP der Tschechischen Republik gehen als Vorlieferungen nach Deutschland und sieben Prozent des ungarischen BIP. Auch in Belgien, Holland und Österreich sind die Lieferungen nach Deutschland mit einem BIP-Anteil von vier Prozent außerordentlich hoch und damit für die jeweiligen Volkswirtschaften sehr gewichtig.

Möglicherweise werden solche Fakten Kritiker nicht beruhigen, vielleicht eher die Tatsache, dass die Lohnkosten in Deutschland absehbar steigen werden. Das passiert aber nicht durch unrationales Verhalten der Unternehmen, sondern durch solche staatlichen Maßnahmen wie Einführung hoher Mindestlöhne und steigende Sozialversicherungsbeiträge.

Bodo Lochmann

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