Eine mittlerweile schöne Tradition setzt sich fort. S. E. Nurlan Onzhanov, Botschafter der Republik Kasachstan in Deutschland, lud zum fünften „Stammtisch Unterm Shanyrak“ ein. Gäste aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Kunst, Sport und Freunde Kasachstans folgten der Einladung.
Das Format „Stammtisch unterm Schanyrak“, welches vom Botschafter 2024 initiiert wurde, erfreut sich großer Beliebtheit. Es hat sich zu weit mehr als einer Dialogplattform im kleinen Kreis entwickelt. Es ist ein Veranstaltungsformat geworden, dem mittlerweile auch Taten folgen.
Nach dem letzten Stammtischthema, bei dem es um die „Reise von Alexander von Humboldt nach Kasachstan“ ging, gab es eine schöne Fortsetzung. Am 22. September 2025 wurde an der ostkasachischen technischen Universität in Öskemen das interdisziplinäre Alexander von Humboldt Zentrum für nachhaltige Entwicklung, unter anderem mit dem renommierten Alexander von Humboldt-Experten, Prof. Dr. Ette, eröffnet. Er ist einer der renommiertesten Kenner des deutschen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt in dessen Heimatland.
In seiner Eröffnungsrede verwies der Botschafter auf die Wichtigkeit des Schanyrak in der kasachischen Kultur. Der „Schanyrak“ ist sowohl der hölzerne Dachkranz als auch der höchste Punkt einer Jurte, des Rundzelts der zentralasiatischen Nomaden. In einem engen, in der Regel familiären Kreis, wurden unter dem Schanyrak traditionell wichtige Themen diskutiert, Meinungen ausgetauscht und richtungsweisende Entscheidungen getroffen. Somit steht der Shanyrak für Zusammenhalt im Familien- und Freundeskreis. Diese Tradition setzt sich nun in Berlin fort. Das Thema des neuesten Treffens widmete sich der deutschen Geschichte in Kasachstan.
Eine Geschichte voller Begegnungen und kultureller Verbindungen
Der Botschafter erwähnte, dass die Geschichte der Deutschen und der Kasachen eine Geschichte voller Begegnungen und kultureller Verbindungen ist. In diesem Zusammenhang verwies er auf den deutschen Archäologen Viktor Seibert, der sich auf die Erforschung der prähistorischen Steinzeitdenkmäler Nordkasachstans spezialisierte und eine wichtige Rolle bei der Entdeckung der Botai-Kultur spielte.
Johann Sievers, ein deutscher Botaniker, der erstmals den Malus sieversii, den Vorfahren des Hausapfels, und die einzigartige Natur Kasachstans beschrieb, wurde ebenso erwähnt, wie Philipp Ridder, der 1786 ein reiches polymetallisches Vorkommen entdeckte und in dieser Region den Bergbau begründete, was zur Gründung der gleichnamigen Stadt führte. Und natürlich wurde Alexander von Humboldt ebenso erwähnt wie der große Naturforscher und Reiseschriftsteller Alfred Brehm, der 1886 nach Kasachstan reiste und sich sowohl für die Tierwelt, aber auch für die kasachische Bevölkerung interessierte.
Die Beziehung der Deutschen und Kasachen ist nicht nur eine Geschichte von Entdeckungen. Kultur, Sprache und Wissen. Es ist auch ein besonders schwieriges Kapitel. Hier verwies der Botschafter auf die Geschichte ab dem 2. Weltkrieg und die damit verbundenen historischen Konsequenzen, die bis in die Gegenwart reichen.
Trotz der harten Umstände trugen die Deutschen dennoch entscheidend zum Aufbau von Kasachstan bei. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung gründeten sie deutsch geprägte Theater, Schulen, Bildungsreinrichtungen und belebten das kulturelle Leben in Kasachstan. Die Zusammenarbeit und der gegenseitige Respekt begründen, bis heute, die aktuellen positiven Beziehungen zwischen beiden Ländern. Heute leben in Kasachstan circa 220.000 Kasachstandeutsche.
Nennenswerte Kasachstandeutsche
Vom Botschafter hervorgehoben wurde der bedeutende kasachische Schriftsteller und Übersetzer, Herold Belger. Er verlieh den Russlanddeutschen eine Stimme und übersetzte Werke aus dem Kasachischen, Russischen und dem Deutschen, womit er als ein Brückenbauer zwischen den Kulturen eine besondere Rolle spielte. Sein Lebenswerk zeigt, wie stark die deutsche Minderheit zur kulturellen Vielfalt Kasachstans beigetragen hat.
Ein weiteres beeindruckendes Beispiel deutsch kasachischer Verbundenheit ist Albert Rau. Er gehört zur deutsch-kasachischen Minderheit, ist seit 2022 stellvertretender Vorsitzender des Mäschilis, dem Unterhaus des parlamentarischen Zweikammersystems in Kasachstan, und ein sehr engagierter Bürger der deutsch-kasachischen Beziehungen.
„Möge diese deutsch kasachische Freundschaft unter diesem gemeinsamen Schirm weiterwachsen“ – mit diesen Worten schloss Botschafter Onzhanov seine Rede ab.
Einen Impulsvortag gab es von Hartmut Koschyk, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Stiftungsrates Verbundenheit. Die Stiftung Verbundenheit sieht sich als Kompetenzzentrum und Mittlerorganisation zur Förderung deutscher Minderheiten, deutschsprachiger Gemeinschaften und an Deutschland interessierter Personen.
Er berichtete von seinen ersten Besuchen in Kasachstan 1991. Kasachstan habe in enger Zusammenarbeit vieles geleistet, um den Deutschen eine Zukunft in Kasachstan zu geben. Die deutsche Minderheit in Kasachstan gehöre laut Koschyk zu den Minderheiten, die sich sehr gut in verschiedenen Formen der Selbstverwaltung organisieren, aber auch in die kasachische Zivilgesellschaft hineinwirken, wobei sie immer auch innovativ sind.
Auch hier wurde Albert Rau, an der Schnittstelle von Politik, Verwaltung und Wirtschaft, erwähnt. Ebenso Yevgeniy Bolgert, der nicht nur in Kasachstan als Vorsitzender des Aufsichtsrats der deutschen Minderheit eine wichtige Rolle spielt, sondern auch vielfältig in bilateralen Aktivitäten Brücken zwischen Kasachstan und Deutschland baut.
In seinen Ausführungen verwies Hartmut Koschyk auch darauf, dass in der Stalinära die kasachische Intelligenz dezimiert wurde und auch das kasachische Volk unter Repressalien leiden musste. Dies hat beide Völker zusammengeschweißt. Doch sollte der Blick nicht nach hinten gerichtet werden, sondern beide Völker sollten in Verbundenheit und Freundschaft positiv in die Zukunft blicken.
Die deutsch-kasachische Freundschaft
Im Anschluss gab es einen Impulsvortrag von Walter Gauks, dem Beauftragten des Berliner Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und Vertriebene, der zu vermehrten Aktivitäten aufrief, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und kulturellen Austausch fördern. Viele Russlanddeutsche leben heute im Berliner Bezirk Marzahn. Gauks regte an, gemeinsam mit der Botschaft dort Nawruz zu feiern, um einander besser kennen zu lernen und auf die Traditionen in Kasachstan aufmerksam zu machen. „Die Freundschaft zwischen Kulturen ist das Wichtigste, was wir haben“, so Gauks wörtlich.
Afina Geinert, eine Kasachstandeutsche, berichtete von ihren Erfahrungen im Umgang mit der gemeinsamen Geschichte und von ihren Leben der deutschen Gemeinschaft in Kasachstan, aber auch von ihrem täglichen Leben in Deutschland. Des Weiteren sprach sie aber auch über die Erfahrungen ihrer Familie während der Deportation in den kalten Wintern oder in den heißen Sommern.
Abschließend sprach Thomas Helm, Vorsitzender der Deutsch-Kasachischen-Gesellschaft und ehemaliger Leiter des Auslandsbüros der Konrad Adenauer Stiftung in Kasachstan. Er gab Einblicke in die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan.
Helm erläuterte die aktuelle, gute und intensive Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan im Bereich der Wirtschaft. Insbesondere auch von den gut qualifizierten jungen Menschen, für die Deutschland eine immer wichtigere Rolle in der Ausbildung spielt.
Abschließend wurde von Artur Böpple, einem Mitarbeiter des Bayerischen Kulturzentrums der Deutschen aus Russland, das im BKDR Verlag erschienene Buch über Herold Belger „Drei Saiten meiner Seele, drei Kreise meines Lebens“ vorgestellt.
Als Höhepunkt des Abends wurde Jan Meiser vom Botschafter der Republik Kasachstans mit einem Schapan geehrt. Jan Meiser ist in Kasachstan geboren und lebt seit 2000 in Deutschland, wo er als Profiboxer und internationaler deutscher Meister in der Gewichtsklasse bis 69,7 kg, dem Superweltergewicht bekannt wurde. Er war dreifacher Juniorenweltmeister in der Altersklasse bis 23 Jahre und ist jetzt amtierender Titelverteidiger. Vor einem Monat hat er seinen Vater, nach 25 Jahren der Trennung, wiedergesehen, was für ihn ein tolles Ereignis und Erlebnis war, das beinahe einer Wiedergeburt entspricht.
Abgerundet wurde der inspirierende Abend mit einem Empfang und dem kasachischen Nationalgericht Beschbarmak.
























