Ob Jeep, Limo oder SUV, im modernen Kasachstan bestimmen die Pferdestärken unter der Motorhaube den sozialen Rang. Während die einen auf das Gaspedal drücken, verliert das Auto in Deutschland an Status.

Schnauze an Schnauze aufgereiht wie Vieh stehen sie zu Hunderten auf dem staubigen Platz gut dreißig Kilometer außerhalb von Almaty. Ihre bunten Dächer und Motorhauben reflektieren die Strahlen der Nachmittagssonne und in den Fensterscheiben spiegelt sich die Gebirgskette am Horizont wider. Ihre Besitzer haben sie hier im Vertrauen auf den meterhohen Zaun zurückgelassen und auch kein potentieller Käufer streift mehr durch das großflächige Gelände des Autobasars. „Jetzt ist geschlossen, aber samstags und sonntags ist hier sehr viel los“, erzählt Samat Bour. Der usbekische Arbeiter wagt sich vom Schaschlik-Stand hervor, wo seine Kollegen im Schatten pausieren. Sicher tausend Besucher würden am Wochenende hier nach dem perfekten Wagen suchen.

Ob das Auto für die Menschen in Kasachstan wichtig sei? „Konjeschna“ – natürlich, antwortet der sonnengebräunte Mittvierziger. Der Gebrauchtwagenmarkt läuft nach seinen Angaben sehr gut. Jüngste Änderungen in den Zollbestimmungen sorgen allerdings für einen Rückgang. Denn seit 2011 dürfen keine Gebrauchtwagen mehr, die vor 2005 produziert wurden, nach Kasachstan eingeführt werden.

„Die Leute, die es sich leisten können, zeigen das auch gerne“, erzählt andernorts ein deutscher Unternehmer. Der 31-Jährige hat zuletzt bei Mercedes in Almaty gearbeitet und dabei hautnah erlebt, wie wichtig vielen Kasachstanern ihr Auto ist: „Wenn der Nachbar ein großes hat, muss das eigene größer sein. Und wenn man es sich nicht leisten kann, nimmt man eben einen Kredit auf.“ Vielleicht stammt dieses Denken noch aus der Sowjetzeit, überlegt der gebürtige Russe und Wahl-Kasachstaner laut. „Damals waren wir alle gleich, wir mussten ja auch. Jetzt kann man sich entwickeln und das will man eben auch zeigen. Jeder protzt hier gern.“ Besonders junge Akademiker seien stark auf ihren sozialen Status fokussiert. „Nach dem Studium wollen sie sofort ein großes Autor, eine Wohnung kaufen und einen gut bezahlten Job in der Stadt haben“.

Am Automarkt vor Almaty wissen Samat und seine Kollegen, dass dem Kasachstaner eine einzelne Pferdestärke längst nicht mehr ausreicht. „Wer viel Geld hat, kauft sich ein großes Auto mit so viel PS wie möglich“, erzählt Samat.

Autobauer riechen Geschäft

Neuwagen finden in Kasachstan einen steigenden Absatzmarkt vor: Während der vergangenen Jahre haben zahlreiche ausländische Autohersteller eigene Produktionshallen aus dem Steppenboden gehoben. Chevrolet, Ssang Young, Hyundai und KIA – sie alle traten an den vielversprechenden Markt und konkurrierten mit den russischen Ladas, die immer noch einen Marktanteil von über 40 Prozent in Kasachstan verzeichnen. 2013 kommt auch die PSA Peugeot Citroën Gruppe dazu. Mit Luxusschlitten fährt Toyota dieses Jahr auf und produziert den ersten SUV in Kasachstan. „Kasachstan ist ein sehr wichtiger Markt für die Toyota Tsusho Corporation,” so Takuya Ichihashi, Direktor von TTC Kasachstan, in einer Presseaussendung. „Dieser Markt wird in Zukunft wachsen.”

Die Anzahl an produzierten und importierten Autos hat sich laut dem Kasachischen Autoindustrieverband seit 2011 mehr als verdoppelt. Insgesamt hätte man 98.231 Autos verkauft. Japan und China zählten zu den größten Importeuren, während Russland immer noch etwa 55.000 Neuwagen nach Kasachstan bringe. Experten begründen diesen Erfolg mit dem Eintritt in die Zollunion mit Belarus. Auch die Zollbeschränkung für alte Gebrauchtwagen hätte den Neuwagenverkauf positiv beeinflusst.

Verzichtbares Zweckmittel?

Auf den hunderten Motorhauben am Automarkt glänzen auch zahlreiche Sterne und Ringe in der Sonne. Ja, deutsche Autos seien besonders beliebt hier, betont Samat Bour. Sofort zählt er die bekanntesten Markennamen auf, während er schnellen Schrittes von Gefährt zu Gefährt läuft und dabei die Preise und Eigenschaften laut vorliest. Samat selbst fährt BMW, „ein älteres Modell natürlich“. Auch der deutsche Unternehmer weiß von seinem Job im Autohandel: „Alles was aus Deutschland kommt, hat hier einen Wert“. Das gelte besonders für deutsche Automarken.

In der Autonation Deutschland hat sich unterdessen einiges verändert. Zwar ist die leidenschaftliche Hingabe zum eigenen Gefährt stets Teil des deutschen Klischees, in den vergangenen Jahren hat das Auto allerdings etwas an Statuskraft abgegeben. Manch einer setzt heute lieber auf Öko als auf PS und nicht zuletzt die steigenden Benzinpreise haben dazu geführt, dass der fette Schlitten dem Drahtesel weichen muss. Der Verzicht offenbart sich in der Anzahl an Neuzulassungen, welche nach Angaben des Deutschen Statistikamtes im letzten Jahrzehnt kontinuierlich zurückgegangen ist. Die Betrachtungsweise der Deutschen gegenüber ihren vier Rädern hat sich vor allem bei der jüngeren Generation verändert. „Ich könnte mir schon ein Auto leisten, aber ich will keines“, erzählt etwa der deutsche Tourist Mario Klein, der angesichts des starken Verkehrs gerne auf seinen eigenen fahrbaren Untersatz verzichtet. Beruflich nützt der Volkswirt das Carsharing-Konzept, bei dem Autos je nach Bedarf untereinander geteilt werden. Er ist überzeugt: „Für viele Deutsche ist das Auto nur noch ein Zweckmittel.“

Von Daniela Neubacher

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