Im vergangenen Jahr sorgte Musikstreaming-Marktführer Spotify für Furore, als er die Expansion in zahlreiche neue Länder ankündigte. Inzwischen ist das Unternehmen auch in Kasachstan, Kirgisistan und Usbekistan aktiv. Doch auf dem zentralasiatischen Markt tummeln sich auch noch andere Player, die zum Teil vorrangig heimische Künstler voranbringen.

Das Jahr 2020 stellt in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes dar. Wegen der Corona-Pandemie mussten viele Selbständige, Unternehmen und ganze Industrien, sich notgedrungen neu orientieren. In der Musikbranche wurde dabei der Konzertbereich besonders hart getroffen, da ein Großteil der geplanten Veranstaltungen und Festivals ausfiel. Viele Musiker und ihre Labels griffen daher auf den Verkauf von Musikträgern zurück. Das vergangene Jahr markiert aber auch einen Wendepunkt in der Musikgeschichte, denn es war das erste Jahr seit 1987, in welchem global mehr Langspielplatten (LPs) als CDs verkauft wurden. Trotz der Renaissance der LPs hat im Musikgeschäft jedoch bereits ein anderer Bereich die Führung übernommen: das Streaming.

Während sich Musikgruppen wie die Rolling Stones, Eagles oder AC/DC jahrzehntelanger Beliebtheit erfreuten, änderten sich die Speichermedien ihrer Fans grundsätzlich. Zunächst dominierten Langspielplatten und Kassetten, die später von CDs abgelöst wurden. Mit der Entwicklung des Internets ergaben sich neue Möglichkeiten, Musik durch Downloads mobil auf IPods und MP3-Playern zu konsumieren. Die Nostalgie mancher Musikfans, die heute für die hohe Nachfrage nach LPs verantwortlich ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass nun mit dem Streaming die fünfte Revolution in der Musikbranche begonnen hat.

Spotify steigt beim Streaming in Zentralasien ein

Über Smartphones und Tablets können Musikfans auf der ganzen Welt auf die Portale der großen Anbieter zugreifen. Diese verkaufen somit keine Datenträger, sondern vermieten einen befristeten Zugang zu gigantischen Titelsammlungen, die sowohl Musik als auch immer häufiger Hörbücher und Podcasts beinhalten. Neben den kostenpflichtigen Abonnements bieten viele Dienste auch kostenlose Varianten an, die durch Werbung finanziert werden. Streaming stellt dabei mit steigender Tendenz bereits über 68 Prozent des gesamten Umsatzes (13,4 Mrd. US-Dollar) dar, während alle anderen analogen Tonträger auf 19,5 Prozent (4,2 Mrd.) kommen. Trotz der Pandemie generierte die Musikindustrie einen globalen Zuwachs von 7,4 Prozent, wobei Asien (9,5 Prozent) und Lateinamerika (15,9 Prozent) das größte Wachstum verzeichneten. Obwohl die wichtigsten Märkte weiterhin in Europa, Nordamerika und Ostasien liegen, gewinnen die Schwellenländer stetig an Bedeutung.

Im vergangenen Jahr erweiterte der Streaming-Marktführer Spotify, der etwa 36 Prozent der Marktanteile (108 Millionen Abonnenten) hält, sein Geschäft um gleich zehn Staaten in Europa und Zentralasien, inklusive Russland und Kasachstan. Vizepräsident Gustav Gyllenhammar erklärte diesen Schritt als elementaren Teil einer globalen Marketingstrategie, die sowohl eine Verbindung zur globalen Musikkultur als auch Raum für die Förderung lokaler Gruppen schaffen solle. Als Folge einer weiteren Expansionswelle im Februar 2021 verkündete der Konzern den Markteintritt in 80 Staaten weltweit, wozu auch Kirgisistan und Usbekistan gehören.

Hip-Hop besonders beliebt

Gerade die zentralasiatischen Länder sind für Streaming-Anbieter sehr interessant, da sie über eine junge, urbane und internetaffine Generation verfügen. Aufgrund dieser Musikkonsumenten stellt Hip-Hop laut Spotify weltweit das beliebteste Musik-Genre dar. Gerade in Kasachstan werden nicht nur internationale Größen der Szene, sondern auch lokale Stars gehört. Auf der Plattform gehört der kasachische Rapper „Skriptonit“ mit 1,3 Millionen monatlichen Hörern zu den lokalen Superstars. Zu den bekannten Künstlern des Hip-Hops in der Region zählen zudem „Begish“ und „7gen“ aus Kirgisistan sowie „Shoxrux“ und „Konsta“ aus Usbekistan. Auch andere Genres wie etwa Pop, Alternative Rock, Electronic und Heavy Metal werden in Zentralasien gerne gehört, doch die lokalen Künstler sind selten über die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Mit der steigenden Marktmacht von Spotify gegenüber anderen Streamingdiensten häufte sich zuletzt die Kritik am schwedischen Konzern: Dieser gehe mit den Daten seiner Nutzer häufig unsensibel um und zeige zu wenig Unterstützung für die kleineren Künstler. Speziell in Kasachstan sorgte zudem die Preissetzung für Unmut, da ein einfaches Abonnement mit circa 2.100 Tenge (4 Euro) doppelt so teuer wie in Russland ist. Darüber regte sich ein Nutzer auf der Spotify-Website auf, indem er auf das geringe Durchschnittseinkommen von etwa 400 Euro verwies. Der Konzern unterstrich hingegen die länderspezifischen Unterschiede innerhalb der Lizensierungsverfahren.

Streaming in Zentralasien keine Einbahnstraße

Spotify verfügt nicht nur über Millionen Musiktitel, sondern ist ebenso bekannt für eine große Auswahl von Podcasts. Diese stellen ein breites Potpourri aus verschiedensten Wissenssendungen, Comedy, Nachrichten und themenbezogenen Gesprächen dar. Wie verhält es sich also mit dem Angebot von Spotify in Ländern, die regelmäßig die unteren Plätze in den Rankings zur Pressefreiheit einnehmen? Gespannt wurde das Erscheinen der ersten zentralasiatischen Podcasts und die Reaktion der staatlichen Behörden erwartet. Doch Spotify erhielt bisher keine Lizenz, um Podcasts in Zentralasien zu veröffentlichen. Ob dies eine reine Formalie sein wird oder als Vorsichtsmaßnahme der Staaten verstanden werden muss, wird sich zeigen.

Neben dem Marktführer Spotify haben sich zahlreiche weitere Anbieter auf dem russischen und zentralasiatischen Markt angesiedelt. Dazu gehören unter anderem Deezer und Apple Music sowie einige nationale Unternehmen. Ein Beispiel dafür ist etwa die von Kazakhtelekom entwickelte Streaming-App „MUSIC NUR“. Der nationale Streamingdienst bietet ebenso eine große Auswahl mit dem klaren Fokus auf kasachische Künstler und kostet außerdem nur etwa 840 Tenge (1,60 Euro). Die beliebtesten Musiker auf der Plattform sind Kairat Nurtas, Toregali Toreali, Jah Khalib und Ernar Aidar.

Obwohl derzeit die Musikbranche unter den coronabedingten Einschränkungen leidet, konnte der Musikmarkt im Streaming rapide wachsen. Damit steigt seine Bedeutung im globalen Musikgeschäft. Der Markteinstieg in Zentralasien ist aber keineswegs eine Einbahnstraße für die Verbreitung westlicher Musik, sondern hat das Potenzial, eine Brücke zwischen den Kulturen zu entwickeln, um auch zentralasiatische Künstler in Europa und Amerika bekannter zu machen.

Jonas Prien

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