Wie viele erfolgreiche Raumflüge endete auch der jüngste in einer kleinen Staubwolke in der kasachischen Steppe. Eine Sojuskapsel landete hier am 30. Oktober und brachte drei Raumfahrer aus Russland, Japan und den USA sicher von ihrem dreimonatigen Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation sicher auf die Erde zurück. Doch nicht immer war internationale Raumfahrt so einträchtig. Den Kampf der Großmächte, um die Hoheit im Weltraum, will uns dieses Jahr der der Verlag DOM publishers näher bringen. Er veröffentlicht zwei Bücher, die die Geschichte der Raumfahrt anhand ihres Designs und ihrer Ästhetik näher bringen wollen. „Space Race Archeologies: Photographs, Biographies, and Design” herausgegeben von Pedro Ignacio Alonso und “Design for Space: Soviet and Russian Mission Patches” von Alexander Glushko.

„Space Race Archeologies: Photographs, Biographies, and Design”

Mosaik der NASA Insignien einer verlassenen Satellitenbeobachtungs-station in Peldehue, Chile, frühe 1960er Jahre. | © DOM publishers

„Dieser Band will den Wettlauf ins All vom Standpunkt des Designs und der Architektur neu umreißen und analysieren. Mit einem besonderen Blick auf die beträchtliche Anzahl der Bauwerke, die dieser wissenschaftliche und geopolitische Wettstreit hervorgebracht hat: Startrampen, Landebahnen, Bodenstationen, Antennen, Radarkuppeln, optische und Radioteleskope, um nur einige zu nennen.”

Besonders interessant erscheint zunächst der archäologische Ansatz, der dem Buch zugrunde liegt. Ein Begriff, den man gemeinhin mit Ruinen längst vergangener Kulturen in Verbindung bringt, aber kaum mit einem so hochtechnologischen, vergleichsweise jungen Thema wie der Raumfahrt. Auf der anderen Seite jährt sich der erfolgreiche Start des sowjetischen Satelliten Sputnik nächstes Jahr bereits zum sechzigsten Mal und bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass ein archäologischer Blick auf die Entwicklung durchaus berechtigt ist.

In vier Kapiteln gehen die Autoren verschieden Spuren nach, die dieser technologische Wettlauf, besonders zwischen den USA und der ehemaligen Sowjetunion, überall auf der Welt hinterlassen hat. Der Fokus dieses Buchs scheint jedoch auf Nebenschauplätzen der Weltraumgeschichte zu liegen, die sonst kaum Beachtung finden. So werden nicht etwa die berühmten Raketenstartgelände wie Cape Caneveral in Florida oder Baikonur in Kasachstan untersucht, sondern Asif Siddiqi erforscht beispielhaft eine französische Raketenabschussbasis im algerischen Hammaguir.

In zwei Kapiteln stehen zurückgelassene Strukturen in Chile im Vordergrund, wo sowohl die Sowjetunion als auch die USA Beobachtungsstationen hatten. Petr Antonov beschäftigt sich in seiner „visuellen Archäologie” mit sowjetischen Observatorien in dem lateinamerikanischen Land. Hugo Palmarola und Pedeo Ignacio Alonso untersuchen in einer „Archeology of Branding” anhand von zurückgelassen Mosaiken in Chile das Design der amerikanischen Weltraumorganisation NASA. Igancio betont, dass, im Angesicht des „techno-wissenschaftlichen Abfalls” der überall auf der Erde zurückgelassen wurde, der Begriff Archäologie in diesem Buch keine Metapher, sondern ernst gemeint ist.

„Taube des Friedens“ getragen von den ersten drei weiblichen Kosmonauten, 1963. | © DOM publishers

Das abstrakteste, aber vielleicht auch eindrücklichste Kapitel ist jedes, das sich mit dem Design der russischen Architektin Galina Balaschowa beschäftigt. Ihre wegweisenden Innenarchitekturen versprühen auch heute noch einen klaren, super-funktionalen Charme der Raumfahrt, der gleichzeitig eine gewisse sowjetische Gemütlichkeit der 60er und 70er Jahre ausstrahlt. Diese Kleinode des Design auf engstem Raum erinnern an die Raumkapseln, die sich Jules Verne bereits hundert Jahre zuvor vorgestellt hat. Aber die Autoren betonen auch ihre bedeutende Rolle als der „einzigen Frau in einer von Männern dominierten Welt der Technologie”, die lange Jahre trotz ihrer herausragenden Leistung öffentlich so gut wie keine Beachtung fand.

„Design for Space: Soviet and Russian Mission Patches”

„Dieses Buch ist der erste Versuch, die Abzeichen vorzustellen, die in der sowjetischen Vergangenheit wie auch in der russischen Raumfahrt bis heute Verwendung fanden.” Der Autor Alexander Glushko betont gleich zu Anfang, dass es nicht sein Anspruch, ist in seinem Buch eine tiefere Analyse oder eine detaillierte Beschreibung ihrer Entstehung zu liefern. Es geht ihm vielmehr um einen ersten visuellen Überblick, über die mannigfaltigen Variationen dieser kleinen, aber doch so bedeutungsvollen Symbole. Außerdem soll der Kontext, wie diese Abzeichen getragen wurden, aufgezeigt werden. So folgt die Darstellung im ganzen Buch einem einfachen Muster: eine Detailaufnahme und darunter ein Bild, dass das Emblem am Raumanzug des Kosmonauten zeigt.

Was vielleicht zunächst, wie eine etwas eintönige Auflistung alter Stoffaufnäher anmutet, stellt sich beim Blättern in diesem Buch als ein wahrer Quell kleiner, Design-Schmuckstücke heraus. Der Autor zeichnet die Entwicklung dieser kleinen Stickereien nach: von der Friedenstaube, die die erste weibliche Kosmonautin Valentina Tereschkowa 1963 an der Brust trug, bis zu den heutigen Missionen zur Internationalen Raumstation.

In diesem Zeitraum spiegelt sich auch die wechselhafte Geschichte der Raumfahrt in den Aufnähern wieder. So steht bei vielen Missionsabzeichen noch Ende der 1980er Jahre die Raumstation MIR im Mittelpunkt und es herrscht im Design noch stark eine sowjetische Ästhetik vor. Ab den frühen 1990er Jahren wandelt sich das Bild, weil auch zunehmend gemeinsame Missionen mit westlichen Ländern geflogen werden und der gemeinsame Aufbau der Internationalen Raumstation vorangetrieben wird.

Doch spiegelt sich in den Aufnähern in der über 50-jährigen Zeitspanne, die dieses Buch darstellt, nicht nur eine Veränderung der Symbole und Ideologien, es zeigt sich auch ein technisch-künstlerischer Fortschritt in der Gestaltung. Es ist wohl grundsätzlich der Form der Strickerei geschuldet, dass die Darstellungen eine gewisse Einfachheit in ihrer Ausführung aufweisen. Diese wirken aber keinesfalls primitiv oder naiv, sondern unterstreichen in ihrer abstrakten Klarheit ihren Symbolcharakter.

Till Eichenauer

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