Zum ersten Mal in Zentralasien: Das deutsche Jazztrio „Three Fall“ tourte auf Einladung des Goethe-Instituts durch Turkmenistan, Kasachstan und Kirgisistan. „Three Fall“: Das sind Til Schneider an der Posaune, Lutz Streun an der Bassklarinette und Sebastian Winne am Schlagzeug. Wir haben sie am Rande des Internationalen Jazzfestivals in Almaty zum Interview getroffen.

DAZ: Ihr seid gerade auf Zentralasientour. Wie ist es dazu gekommen?

Til Schneider: Wir haben vor circa drei Monaten die Anfrage vom Goethe-Institut bekommen, ob wir eine Zentral-asientour machen wollen. Wir waren total begeistert, weil wir noch nicht so viel von den Ländern Zentralasiens gehört haben. Wir haben unsere Tour in Turkmenistan begonnen, sind jetzt in Kasachstan und fahren anschließend noch nach Kirgisistan. Wir wussten schon, dass Turkmenistan ganz anders ist.

Lutz Streun: Sehr viele Menschen waren sehr erstaunt, dass wir in Turkmenistan ein Konzert spielen konnten. Das war auch nicht einfach. Das Goethe-Institut und die deutsche Botschaft hatten viel Arbeit, um das Konzert zu ermöglichen. Wir sind mit zwei turkmenischen Musikern aufgetreten und haben gemeinsam zwei turkmenische Stücke gespielt. Das heißt, es gab auch wirklich einen musikalischen Austausch.

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Wie ist die Kooperation mit dem Goethe-Institut entstanden?

LS: Das hat schon ein bisschen Tradition. Im Durchschnitt sind wir zwei Mal im Jahr mit dem Goethe-Institut unterwegs. Wir waren bereits in Spanien, China, Russland, Japan und Korea. Wir fühlen uns sehr wohl und verstanden vom Goethe-Institut. Da wir Instrumentalmusik spielen, funktioniert das in allen Ländern sehr gut. Wir finden den Austausch sehr spannend.

Ihr habt drei Konzerte in Kasachstan gespielt. Wie wurde eure Musik vom Publikum aufgenommen?

LS: Wir hatten das Glück, in Qaraghandy einen Workshop an der Kunstschule „Kunsthaus 2“ geben zu können. Alle Altersgruppen waren vertreten, Kinder ab 6 Jahren und Erwachsene bis 70 Jahren. Es war total schön, die Begeisterung im Workshop zu spüren und diese Energie haben wir in das Konzert mitgenommen. Danach haben wir in Nur-Sultan in einem Pub mit rockiger Atmosphäre gespielt. Dort haben wir lauter gespielt und das Publikum tanzte.

Das Schöne am Jazz ist, dass es keine feste Musikrichtung, sondern eine Einstellung zur Musik ist. Wir sind in der Lage, auf die Orte zu reagieren, an denen wir spielen. Hier, beim Jazzfestival, fühlen wir uns eigentlich am wohlsten, weil der Rahmen immer etwas Besonderes ist. Es kommen sehr viele Leute, die einfach nur zuhören wollen.

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Wann habt ihr die Band gegründet, und woher kommt der Name „Three Fall“?

LS: Til und ich haben lange miteinander in Funk- und Hip-Hop-Bands gespielt. Wir haben zu zweit mit Posaune und Bassklarinette zu jammen begonnen. Das hat sehr viel Spaß gemacht. Wir dachten uns, mit einem Schlagzeug, also etwas Perkussivem, könnte es sogar zu dritt funktionieren. Wir spielten damals in der Oldschool-Funkband „Firefunkers“, wo Sebastian Schlagzeuger war. Er hatte Interesse, mit uns zu proben. Es war sofort eine sehr gute Energie zu spüren. Wir hatten relativ schnell unseren ersten Auftritt, und nach nur acht Monaten haben wir einen Jazzpreis gewonnen. Das hat uns noch einmal Aufwind gegeben.
Sebastian Winne: Das war vor elf Jahren. Den Namen haben wir uns gegeben, weil wir zu dritt sind und ohne Bass und Akkordinstrumente spielen. „Three Fall“, freier Fall zu dritt, ohne Boden unter den Füßen.

Was ist das Spezielle an eurer Besetzung?

TS: Bläser spielen im Jazz normalerweise die Begleitung, doch bei uns machen neben dem Schlagzeug nur die Blasinstrumente Töne. Das heißt, wir müssen mit den Blasinstrumenten die Basis unserer Musik schaffen. Das ist sehr intensiv und eine große Verantwortung, weil wir als Bläser viel Raum füllen müssen. Wenn ich auf der Posaune etwas ausprobiere, ist das sehr hörbar und kommt direkt beim Publikum an. Mit der Zeit haben wir uns noch Bass- und Gesangseffekte gekauft.

LS: Die limitierte Besetzung zwingt uns, kreativ zu sein, um aus diesem relativ fragilen Trio etwas zu machen. Die Posaune und die Bassklarinette sind eher als Melodieinstrumente bekannt. Es ist auch schön, aus der traditionellen Rolle des Instruments auszubrechen und eine andere Sicht auf sein Instrument zu bekommen. Das gibt uns sehr viel Freiheit.

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Ihr wurdet bei eurem Auftritt als Jazzband mit Einflüssen aus Rock, Funk und Hip-Hop vorgestellt. Woher kommen diese Einflüsse?

TS: Lutz und ich haben in vielen Reggae- und Hip-Hop-Bands als Bläsersatz gespielt. Ich bin auch Produzent, mache viel Neo-Soul, Reggae und Hip-Hop, und arbeite mit Rappern. Sebastian beschäftigt sich mit Weltmusik, und Lutz hat von uns am meisten Ahnung von Free Jazz.

Für mich ist Jazz vor allem die Freiheit, wie wir mit Liedern, Kompositionen und Arrangements umgehen. Wir nehmen uns Zeit, um zu improvisieren. Ich würde unsere Musik auch nicht Jazz nennen. Wir haben alle drei Lust, auch andere Musik zu machen.

Ihr habt während des Konzerts ein Lied gejammt. Macht ihr das immer so?

LS: Nein, das geht nicht bei allen Konzerten. Es gibt Konzerte, bei denen wir merken, dass wir ein knackiges Set durchziehen müssen. Entweder weil das Publikum unruhig ist, die Zeit zu kurz ist oder wir eine Unruhe in uns haben. Dann ist es nicht gut, ein Lied zu jammen. Aber wenn wir merken, dass wir uns gut fühlen und Lust auf unsere gegenseitigen Ideen haben, dann jammen wir.

Das ist auch wichtig, weil man frisch bleibt und den Moment als absolut versteht. Man stumpft ab, wenn man immer das Gleiche spielt. Es ist gut, ein Lied zu haben, bei dem man gemeinsam ins kalte Wasser springt. Beim freien Fall spielt Vertrauen eine große Rolle. Wir waren oft unzufrieden, aber auch oft euphorisiert. Es ist ein Risiko, aber das gehört zum Jazz. Bei einem Jazzfestival geht das sehr gut, weil das Publikum offene Ohren hat.

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Wie ist euer Kompositionsprozess? Wie arbeitet ihr an neuen Liedern?

LS: Es hat sich herausgestellt, dass es am besten funktioniert, wenn eine Person fertige oder fast fertige Kompositionen in den Proberaum mitbringt. Wir probieren dann mit den verschiedenen Effekten herum, bis wir den richtigen Sound finden. Wir spielen neue Songs auch mindestens ein Jahr auf Tour, bevor wir sie aufnehmen. Dadurch kann sich ein Lied entwickeln. Es ist ein Prozess, auch wenn von Anfang an eine klare Richtung da ist.

TS: Wir haben drei instrumentale Alben aufgenommen und jetzt das vierte Album „Four“. Der Name kommt nicht nur daher, weil es unser viertes Album ist, sondern auch, weil wir jetzt ein viertes Bandmitglied haben: Melane, unsere Sängerin. Als „Three Fall and Melane“ machen wir auch Soul und Afro-Beat.

Kommt ihr wieder nach Kasachstan?

TS: Wir hoffen, dass wir wieder nach Kasachstan kommen. Wir sind bereit.

Das Interview führten Olga Janzen, Anastassija Koroljowa und Julia Schönherr.

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