AFTENPOSTEN (Norwegen)
„Wer gerne Bücher liest, möchte natürlich, dass der Literaturnobelpreis an einen Autor geht. Für die meisten bedeutet dies einen Romanautor – wer liest schon Schauspiele? Aber man kommt nicht um die Tatsache herum, dass Pinter einer der bedeutendsten und komplexesten Dramatiker der Nachkriegszeit ist. In seinen späteren Werken hat er immer deutlicher auch politische Themen wie Verstöße gegen die Menschenrechte und Unterdrückung aufgegriffen. Nach dem Erhalt der Nachricht über den Nobelpreis hat Pinter verkündet, keine Schauspiele mehr schreiben zu wollen – vielmehr will er künftig seine Zeit und Kraft politischen Kampagnen widmen.“

THE TIMES (Großbritannien)
„Hm, bezüglich des Nobelpreises an Harold Pinter gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens, das Nobelkomitee kann damit gemeint haben, dass 2005 der ideale Moment ist um einen Mann zu ehren, dessen bekannteste  Werke aus den Fünfzigerjahren stammen. Um fair zu sein, produzierte Pinter auch in den darauf folgenden Jahrzehnten manch großartiges Drama. Doch er machte sich einen Namen mit seinen frühen Werken, und gab so Anlass zum Adjektiv „pinteresk“: Mit ihrem ‚stripped dialogue‘, ihrem gereizten Misstrauen und ihrer fühlbaren aber mysteriösen Atmosphäre der Bedrohung. Doch es gibt noch eine zweite Lesart: Pinter ist einfach nur der größte und spitzeste Stock, mit dem das Nobelkomitee Amerika ins Auge stechen kann. Seine jüngsten Werke bestehen fast ausnahmslos aus bissigen Wortfetzen gegen den Krieg und gegen Amerika.“

TAGES-ANZEIGER (Schweiz)
„Es ist eine merkwürdige Wahl. Der britische Dramatiker hat seine große Zeit lange hinter sich, und richtig groß war sie auch nicht. Längst hat er seinen Platz in der Theatergeschichte eingenommen: als kleiner, harmloser Bruder von Beckett, seinem Vorbild – und Vorgänger als Nobelpreisträger. Die seltsamen, anfechtbaren, ja grotesken Entscheide häufen sich, die Liste der großen Übergangenen wird immer länger. Der Nobelpreis ist über 100 Jahre alt, die Satzung der Akademie über 200. Sie sollte uns jetzt mit einer mutigen Selbsterneuerung überraschen.“

DE VOLKSKRANT (Niederlande)
„Das Nobelpreis-Komitee hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es auch die gesellschaftliche Rolle der Literatur, das geschriebene Gewissen der Autoren, würdigen will. Dafür ließen sich zahlreiche gegenwärtige Autoren nennen. Aber das sind Prosa-Schreiber oder Dichter, sogar Essayisten, aber keine Bühnenautoren. In dieser Woche wurde publik, dass die schwedische Akademie über die Wahl des vergangenen Jahres uneins war. Es scheint daher, dass Harold Pinter ein Kompromiss gewesen ist: An sich kaum angreifbar, aber einer wirklichen Entscheidung wird aus dem Weg gegangen“, bedauert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.

THE GUARDIAN (Großbritannien)
„Seine Verdammungen amerikanischer Hegemonie und des Irak-Krieges mögen nicht jedermanns Geschmack sein. Ihr Ausdruck findet in jedem Fall kraftvoll statt. Es würde keinen überraschen, wenn seine Dankesrede zum Nobelpreis lauter Seitenhiebe gegen Bush und Blair beinhaltete. Es wäre, was wir erwarten – es sei denn, er lehnt den Preis ab, wie er es mit dem von John Major angebotenen Ritterschlag tat. […] Seine Theaterstücke sind, ebenso wie manche seiner Gedichte, Teil einer versteckten und grandiosen Tradition des Widerspruchs in der englischen Kultur. Ihre Vertreter atmen so etwas wie göttliches Feuer in die Literatur der Revolution. Bunyan hatte dieses Feuer. Milton hatte es. Auch Auden hatte es. Wir haben Glück, dass ein weiterer ihrer Sorte unsere Zeit bevölkert.“

LONDON TELEGRAPH (Großbritannien)
„Sein sparsamer Gebrauch von Sprache ist meisterlich: Jedes Wort fällt Gewicht zu, und jede Satzwendung wirkt frisch und voller Gehalt. Seine Dramen sind nicht poetisch im Sinne von T.S. Eliot oder Christopher Fry, doch sie sind sicherlich voller verwünschter Poesie. […] Pinter feierte gerade seinen 75. Geburtstag und verkehrt in einem gebrechlichen Gesundheitszustand, da ihm vor drei Jahren Krebs diagnostiziert wurde. Für einmal bekam es das Nobel-Komitee richtig hin. Dies ist der richtige Moment für ihn, um die mit Abstand verdienten Nobel-Lorbeeren zu erhalten.“

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